„Was ist das?“ steht in der SMS, die ich am Samstag ungefähr
um fünf vor Vier bekomme. Ich bin im Waldstadion, klar. Vor ein paar Minuten
ist das 2:0 gefallen. Dieses unfasslich wunderbar herausgespielte zweite Tor.
Was machen die denn da? Noch eine Station. Noch eine. Wie im Zickzack an der
Linie entlang – tak, tak, tak, an der
Strafraumgrenze von links nach rechts, one touch, fließend, wie
selbstverständlich, filigran , traumwandlerisch sicher und dann – es war so
unfasslich – dann war da tatsächlich rechts auch noch Sebi Jung. Dann hat
Stefan Aigner ihn tatsächlich gesehen – ach, was – gesehen: er wusste, dass er
da kommt. Alex Meier wusste das auch, tritt zurück, so dass Stefan Aigner den
Ball durchstellen kann, direkt in den Lauf von Sebi Jung und es ist klar, dass jetzt nichts mehr schief gehen
wird, Sebi wird den Ball nicht vertändeln, Sebi wird das Ding machen, nimmt ihn, läuft ein paar
Schritte, zieht ab. Tor. Tor. Tor. Ein rotundschwarzes Knäuel von Armen,
Beinen, Körpern. Sein hundertstes
Pflichtspiel für die Eintracht. Sein erstes Tor in dieser Saison. Und was für
eines. Und was für eines.
Die ersten 25 Minuten dieses Spiels waren wie eine
Urgewalt. Da war kein Kraut
gewachsen. Da war nichts und niemand,
der sie hätte stoppen können. Sie haben die Hannoveraner einfach
überrollt. Bevor die recht wussten, wie
ihnen geschieht, waren die beiden Tore gefallen. Unwiderstehlich. Bedingungslos. Mutig.
Inspiriert. Kraftvoll. „Diese Laufbereitschaft,“ ächzt, staunt, ruft mein
DK-Vordermann. Wie die Dortmunder direkt
nach der Pause, wie die Nürnberger, die Freiburger, jetzt also auch die Hannoveraner – verdutzt, konsterniert, fast schon
paralysiert: „Was ist das?“
Ich muss gestehen: Manchmal
hadere ich ein bisschen, doch - auch in diesen glücklichen Eintracht-Tagen. Mir wird
das zu viel – wenn die Eintracht auf einmal von allen geliebt wird, Lob von
allen Seiten auf uns niederprasselt und auch die, die bis vor ein paar Wochen
eher die Stirn in Runzeln gelegt haben („Eeeecht? Du bist Eintracht-Fan?“),
jetzt auf einmal Armin Veh und Alex Meier schon immer geschätzt haben und die
Eintracht cool und abgefahren finden. Da regt sich in mir der Trotz, so billig
soll sie nicht zu haben sein - meine
Eintracht, in guten wie in schlechten Tagen – und dann merke ich, dass ich es fast schon verlernt habe, die Eintracht zu
teilen. Ja, und? So ist das. Wo die
Sonne hin scheint, da versammeln sich die Menschen. Es gibt uns, die wir immer da
sind und es gibt andere, die kommen und gehen - und manchmal auch bleiben. Dann sollen sie uns
loben und hochhypen und hoffieren und
mitfeiern. Das gehört wohl dazu, bei einer Spitzenmannschaft.
Im und ums Stadion ist das sowieso alles egal. Was ist da
schon vor dem Spiel für eine flirrende,
verzauberte, fast schon glitzernde Stimmung.
Eine so erwartungsvolle, hoffnungsfrohe Vorfreude. Alles ist heiter (nicht nur weil die Sonne
scheint), sprühend, leicht. Die Luft scheint zu vibrieren. Die ganze Eintracht-Welt auf wenigen
Quadratmetern, versammelt um den Bratwurststand. Frauen, Männer, Jungs, Mädchen. Rotundschwarz. Schwarzundweißwieschnee. Uralt-Eintrachtler
(mit beige-farbenen Blousons und Schal), die vielleicht sogar noch Alfred Pfaff haben spielen sehen, die
Generation Grabowski, die Zeugen Yeboahs, die, die noch wissen, wer
Thomas-Zampach-Fußballgott ist, die Jan-Åge, Schui, Zico gegen den FCK, gegen
Reutlingen haben siegen sehen, Funkelianer, Nachwuchs-Adler, die vielleicht
heute zum ersten Mal im Stadion sind. Dort drüben steht ein Trupp kräftiger
Frankfurter Jungs beim Aufwärmbier. Kleine
Jungs schwenken Fähnchen und kauen auf Bratwürsten, Attilas Kopf nickt aus dem
Rucksack eines kleinen Mädchens. Ein älteres Pärchen sitzt auf dem Mäuerchen
und lässt sich von der Sonne bescheinen. Vor mir wippt ein Kopf mit einer
B-Cap, die über und über mit Pins aller Zweitligabegegnungen bestückt ist. Trikots
und Shirts wie Jahresringe: Nickel (tatsächlich: Nickel). Frankfurts Stolz –
der Grabi und der Holz. United Colors
of Bembeltown. Traumatisiert.
Übersteiger. Zico 24. Aufsteiger 2005. Amanatidis und (hihi) Caio. Aufstieg 2012. Rode. Meier. Meier.
Da ist nichts Überhebliches oder Großkotziges - es ist eher leise, ein Raunen, Schwätzen,
Summen, Lachen - fast so etwas wie Rührung, ein großes glückliches
Staunen, das über dem Gelände
schwebt. Wir. Das hier passiert tatsächlich gerade. Es passiert uns.
Das ist unsere Eintracht. Ja, genau - die Eintracht, die so lange fast ausschließlich vom „früher“ gezehrt hat.
Die sich in den letzten…mmh… zehn, zwölf Jahren immer irgendwie durchgehangelt
hat, mit der wir immer gehofft und gebibbert und besseren Zeiten entgegen
geträumt haben. Klar, da gab es schöne Erfolge, große Siege. Das 6:0 gegen
Schalke. Das Pokalfinale. Die Europa-Cup-Spiele.
Die Siege gegen Bayern, gegen Leverkusen,
Dortmund. Kleine, große Siege –
gegen Dresden, der Willenssieg gegen den KSC, das 4:0 gegen Aachen. Einzelne Momente. Höhepunkte. Überlebensnotwendige Siege. Achtungserfolge. Fast haben wir schon gedacht, dass die
Unverbrüchlichkeit unserer Liebe sich
vor allem daraus nährt, dass wir durchhalten, immer weiter durchhalten, egal,
was kommt. Vor zwei Jahren ein Trümmerhaufen. Und jetzt ...Kerle, Kerle... Was ist das?
Menschenskinders.
Was ist das? Lesen wir die Antwort doch einfach nochmal in den Fußballanekdoten von Eckard Hensschied nach. Es ist "die evident hohe Spielkultur der Frankfurter Eintracht". Genau. Gruß, C.
AntwortenLöschenEinfache Frage, einfache Antwort:
AntwortenLöschenWas ist das?
Geil ist das!
Gruß
Frank
Ja geil ist das.
AntwortenLöschenFast bekomme ich jetzt Angst, wohin das führt, wenn es so weiter geht...
Naja, letzte Saison waren wir doch auch beständig oben. Dann fällt mir ein, dass das doch jetzt wieder 1. Liga ist. Huch! Irre alles.
Weiter oben auf der Wolke. Und wir bleiben da noch ein bisschen, was? Immer weiter, immer weiter...
LG Nicole
Danke für diese so passende Momentaufnahme. Auch in mir regt sich ein "Ach, jetzt auf einmal seid ihr alle da", wenn ich die aktuellen Mengen an Begeisterten sehe, um mich dann gleich wieder selber zurückzupfeifen. Es ist doch schön um jeden Fan, ob er nun ein "richtiger" ist oder nur ein momentaner. Sollte es irgendwann (in gaaaanz ferner Zukunft) mal wieder nicht so gut laufen, werden viele wieder gehen, aber vielleicht auch ein paar bleiben.
AntwortenLöschenDie, bei denen der Adler genistet hat und die ihn nie wieder los bekommen.....
Lieben Gruß und schreib' bitte noch oft und lange!
Nicola
Ein wunderschöner Artikel, der das derzeitige Stimmungsbild prima beschreibt (auch das 'Vorspiel' am GD ist fein beobachtet [die "kräftigen Frankfurter Jungs" sind bestimmt die PFYC-Adler *lach*]). Danke!
AntwortenLöschenDer 3te Absatz... tja, so ist das, wenn unsere Mannschaft, unser Verein in aller Munde ist. Aber die, die dazukommen, nehmen uns ja nichts weg ;-)
An solchen Tage scheint die Sonne aus dem Herzen jedes einzelnen. Ungläubig erwarte ich den Herbst & Winter, denn diese Mannschaft strahlt genügend, um die Sonne zu ersetzen.
AntwortenLöschenEin wunderbarer Artikel, Kerstin! Danke.
Viele Grüße & weiterhin sichere Straßen, Fritsch.
kerle, was ist das? das scheint die kernfrage.
AntwortenLöschendank und gruß
beve
@Celtix und Frank: Dann ist es wohl so, dass die evident hohe Spielkultur evident geil ist.
AntwortenLöschen@Nicole: Kann einem schon manchmal schwindlig werden, so hoch oben auf der Wolke. Aber man sitzt auch sehr weich.
@Nicola: Genau. So muss man das sehen. Die, die sich nur an den Erfolg dran hängen, wird es immer geben. Und bei den anderen, die richtige Adler werden, da muss es ja auch irgendwo anfangen.
@ Andere Ecke - nicht GD, sondern Black & Hite. Aber die kräftigen Frankfurter Jungs gibt es wohl überall *g
@ Fritsch: Das können wir dann am Sonntag ja gleich ausprobieren.
@ Beve: Das erinnert mich an eine andere Henscheid-Anekdote, in der es um (das passt zur aktuellen TzA-Reise) das Halbfinale gegen Glasgow geht. Da sitzt ein alter Herr noch Minuten nach dem Abpfiff auf seinem Platz, schüttelt seinen Kopf und murmelt vor sich hin. "Kerle, Kerle..." :)
Freut mich, dass euch der Text gefallen hat - danke für die netten Kommentare. Und: Ja, ich schreib sicher noch ein Weilchen - wer weiß, was da noch für Wunder kommen, die muss man doch festhalten (wenn schon nicht in echt, dann zumindest in Worten)
lgk