"Du glaubst doch nicht im Ernst, dass wir gegen St. Pauli nicht gewinnen?" Sage ich zu meinem leicht skeptischen Mit-Adler und dann fahr ich los in Richtung Stadion. Es ist kurz vor Drei,
Schon klar, dass das kein einfacher Tag werden wird, aber dabei denke ich eher an die Hin- und Rückfahrt. Der S-Bahnverkehr zwischen Mainz und Frankfurt ist derzeit - ok, sagen wir mal so - stark eingeschränkt, genau gesagt: er fällt mehr oder weniger aus. Auf verschlungenen Fahrten ist der Weg natürlich irgendwie möglich. Irgendwie? "Ob mit Bus oder Bahn..." Na, das passt doch zu dem, was wir heute vorhaben. Die Hinfahrt ist jedenfalls fast idyllisch. Mit einem SEV Über-Land-Bus zuckele ich im hellen Sonnenschein durch wenig Stadt und viel Land zum Frankfurter Flughafen, das dauert ein bisschen länger, ist aber recht beschaulich. Am Flughafen dann ein Sammelbecken für Eintrachtler aus aller Herren Richtungen, um kurz nach fünf bin ich am Stadion. Immerhin.
Die Europa-Hymne höre ich (weil megadurstig am Wasser-Stand) heute nur von draußen, die Aufstellung wirkt nicht übermäßig angriffslustig, aber ok, wird schon, und zu Tankard stehe ich im Block und - wohuu - was für ein Start. Kaum sind die Gesänge verklungen fällt aus einem Gewimmel vor dem Pauli-Tor auch schon der Führungstreffer. Jubel, jubel, jubel. 3:0 hab ich getippt, na also! Während wir anscheinend in Gedanken schon in der Champions League sind, lässt Pauli sich nicht weiter beeindrucken. Bämm. Das Tor postwendend und irgendwie fast mit Ansage, wir stehen direkt auf Strafraumhöhe und sehen es kommen. Die Abwehr steht viel zu locker gestaffelt, zu weit vom Mann. Der Heber über Trapp, feine Sache, auch wenn Trappe dabei nicht sehr glücklich aussieht. Mmh... Okay, macht . nichts. Wer gedacht hat, dass wir jetzt erst recht so richtig loslegen, wird eines besseren belehrt. Nervös, überhastet, ideenlos und St. Pauli macht das gut - sehr aggressiv, sehr wach. Mich befällt ein Tottenham-Feeling - da waren wir auch schon vor dem Spiel mit einem Bein in Bilbao. St. Pauli spielt - wie einst Tottenham - genau so wie man gegen uns spielen muss: Immer direkt auf den ballführenden Spieler, doppeln, Bälle abfangen, Forechecking, tief stehen, aber konsequent pressen. Und wir? Uns fällt einfach nichts ein. Oh Mario, wie fehlst du uns. Trotzdem. Es kann nicht sein, dass wir dieses Spiel einfach so hergeben. Der Führungstreffer für Pauli - ein langer Abschlag, Guilavogi läuft allein aufs Tor zu. Trapp aus dem Tor oder doch nicht, Bahoya (war es Bahoya) versucht dazwischen zu gehen, Trapp hetzt zurück ins Tor. Zu spät. Drin.
Okay. Dann halt in der zweiten Halbzeit. Jetzt nur nicht kapitulieren. Unser Trainer wird wechseln. Tut er aber erstmal nicht. Wie ich später der Statistik entnehme, haben wir 70 % Ballbesitz. Mag sein, so richtig sehen, tut man das aber nicht. Es ist alles nicht zwingend, es ist lasch. Ganz ehrlich: Ich muss nicht in der Champions League spielen, aber wenn wir jetzt schon so dicht davor stehen, dann würde es micht teuflisch ärgern, wenn es nich klappt. Wird schon, aber...Pauli will heute einfach mehr als wir - und spielerisch werden wir sie hier und jetzt nicht packen. O du elend! Die Stimmung im Stadion schwankt jetzt zwischen Angespanntheit und Aggressivität. Einmal mehr hab ich das Gefühl, dass die Aggro-Vibes aus der Kurve eher unsere Gegner pushen als unserer eigenenMannschaft. Der Ausgleich von Batshuay kocht das Stadion noch mal nach oben.
Mit den doch noch eingewechselten Uzun und Chaibi ist jetzt etwas mehr Dynamik ins Spiel - auch wenn Chaibi inzwischen so was wie der am meisten gebashte unserer Spieler ist. (Erinnerungen an andere Spieler, denen es ähnlich ergangen ist. Wie war das nochmal mit unserem Fußballgott?) Unser Trainer holt sich am Rande der Trinkpausen immer mal wieder einen Spieler an den Seitenrand und lärmt auf ihn ein, gestikuliert. Ob das was bringt? Und dann doch. Es fällt echt, echt noch, da ist es das dritte Tor.... Die komplette Bank stürmt das Feld, jubel, hüpfen, kreischen.. stopp Leute, stopp.... nix da, es bleibt beim 2:2. St Pauli verbringt einen Großteil der letzten halben Stunde auf dem Boden liegend. Geschenkt, kann ich ihnen irgendwie nicht übel nehmen. Geht ja um was. Sechs Minuten Nachspielzeit bringen auch nicht mehr viel. Aus. Ist es jetzt still im Stadion oder bilde ich mir das nur ein. Mir bleibt heut keine Zeit zum Feiern oder Trauern - muss sehen, dass ich irgendein Gefährt erwische, dass mich ins Rheinhessische transportiert. Schnell noch von allen verabschieden - tschüss, tschüss - wir sehen uns in der nächsten Saison! Durchs Stadion schwappt jetzt doch noch ein trotziges "Eintracht Frankfurt International" - das kann uns ja tatsächlich echt keiner mehr nehmen.
"Du glaubst doch nicht im Ernst, dass wir nächsten Samstag in Freiburg gewinnen?" Sage ich als ich um viertel vor Elf endlich vor unserer Haustür stehe. Obwohl.... Warum eigentlich nicht? Ein bisschen Diva geht doch immer noch - Auswärtssieg!
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