Aschaffenburg oder Büttelborn? Das war die Frage, die sich uns gestern am späten Nachmittag stellte. Die Nähe zu Büttelborn gab den Ausschlag – und so fuhren wir bei Wind und Sonnenschein ins Ried, um die Eintracht-Traditionsmannschaft einmal live und in Farbe zu erleben. Selten haben wir so schnell und so einfach den Weg in ein Stadion gefunden - immer geradeaus, dann rechts, dann wieder rechts und gleich am Ortseingang von Büttelborn noch einmal : Huch – das Stadion. Am Nachmittag hat es kräftig geschüttet, wir parken an einer trockenen Stelle im Acker und waten auf die andere Straßenseite ins Stadion.
Erst seit einigen Wochen weiß ich, dass zwischen dem SKV (= Sport- und Kulturverein) und der Eintracht eine direkte Verbindung besteht. Büttelborn ist der Heimatverein von Hans-Dieter („Fips“) Wacker der (auch dies weiß ich erst seit kurzem) in den späten 70er-Jahren als eines der größten Nachwuchstalente der Eintracht galt und dessen Leben einen so tragischen Verlauf nahm. Er absolvierte nur ein Spiel für die Profimannschaft, wurde bereits mit 21 Jahren zum Sportinvaliden, arbeitete danach als Trainer und starb mit nur 34 Jahren. Am Eingang des Stadions in Büttelborn erinnern einige am Kassenhäuschen angepinnte Fotokopien an ihn - Zeitungsberichte zum Benefizspiel, das die Eintracht nach seinem abrupten Karriereende 1980 in Büttelborn austrug. Und an das zweite, 13 Jahre später, direkt nach seinem Tod.
Die Eintracht in Town - da wird nicht selten ein kleines Volksfest mit Honoratioren, Tschingderassa und – z.B. in diesem Fall – Nostalgie-Touch gefeiert – aber nichts da – hier in Büttelborn hat das Ganze einen eher beiläufigen Charakter. Auch nicht schlecht. Ein E-Jugend-Spiel auf dem Kleinfeld vorneweg, ein umlagerter Getränkestand, ein paar Sitzbänke und ein Bratwurststand (sehr lecker, die Wurst der Metzgerei Herbert) – das ist es auch schon. Rund um das Spielfeld stehen tiefe Pfützen auf der Laufbahn, der Rasen ist saftig grün und tief durchgeweicht. Die SKV „Old Boys“ sind bereits dabei sich aufzuwärmen – nach und nach trudeln auch die Eintracht-Spieler ein und - Schande, Schande – es ist für uns gar nicht so einfach, den ein oder anderen zu identifizieren. Charly Körbel – logisch. Ronnie Borchers – na klar. Dietmar Roth. Und da ist ja auch – yep – Thomas Zampach, Fußballgott. Das da drüben, das ist doch – jawohl das ist Slobo Komljenovic. Und mit der 11 – das muss… das ist doch… ja klar: Cesar Tobollik.
Die Mannschaften laufen ein, flankiert von Norbert Lawitschka, der mit Attila heute ebenfalls in Büttelborn zu Gast ist. Der Stadionsprecher erzählt uns ein bisschen was zu den „Vitas“ der Spieler, die heute für die Eintracht auf dem Platz stehen. Im Tor steht Hans Steinle. Steinle? Ok, der hat nie für die Eintracht gespielt (stattdessen für die Stuttgarter Kickers), ist aber der Stammtorwart der Traditionsmannschaft und wohnt hier ganz in der Nähe. Ebenso wie André Wiedener, der heute ebenfalls mit von der Partie ist und im Nachbarort Dornheim zu Hause ist. Zusammen gezählt hat die Mannschaft, die heute für die Eintracht auf dem Platz steht, über 2.000 Bundesligaspiele auf dem Buckel – fast ein Drittel davon gehen auf Charly Körbel.
Die Old Boys aus Büttelborn heißen Mo und Mobbes, Olle, Mörder und „de Geerer“ (= der, der aus Groß-Gerau kommt) – und nachdem der Stadionsprecher uns dies erzählt hat, hat er entweder keine Lust mehr oder der Lautsprecher wird abgeklemmt – denn bis zur Halbzeit hören wir keinen Mucks mehr von ihm – keine Torschützen, keine Einwechslungen. Keine Halbzeit-Musik-Beschallung – alles geht seinen gemächlichen Gang. Die Sonne versinkt allmählich hinter den Bäumen, die Kids laufen mit Kästen herum und sammeln Pfandflaschen ein („Für unsere Kasse.“), die anderen platschen und schlurfen durch Matsch und Pfützen (Mutter zum kleinen Sohn: „Bleib da fort." Denkste!) - und ich werde Zeuge eines bemerkenswerten Dialogs zwischen zwei Jungs: sehr kleiner rothaariger Junge zum größeren Jungen im Eintracht-Trikot: „Bist du mein Freund?“ Größerer Junge zum kleinen Jungen: „Weiß ich nicht. Aber gleich heb ich dich an den Ohren hoch – das macht mein Papa auch immer.“ - Aha. Das Ried ist ein raues Land, Fremder.
Auf dem Platz spritzt das Wasser und das Spiel plätschert munter vor sich hin. 5:3 führt die Eintracht zur Halbzeit nur knapp - das 4: 3, wunderschön halbhoch nach direktem Zuspiel verwandelt von der Nummer 30 der Eintracht, bei der es sich – anders als am Spielfeldrand gemutmaßt – wohl doch nicht um Caio gehandelt hat. Der war ja zu dieser Zeit in Aschaffenburg.
In den letzten 15 Minuten steht zur allgemeinen Erheiterung der schwergewichtige Schorsch im Tor der Büttelborner, der (aaah – da isser ja wieder der Stadionsprecher) sich seinen Platz in der Mannschaft beim Weinfest ersteigert hat. Das ist natürlich eine gelungene Vorlage für Thomas Zampach, der publikumswirksam mit Schorsch herumblödelt - naaaaaain, er behält sein Trikot an, aber er garniert seine Torschüsse zwischendurch schon einmal mit einigen Liegestützen.
Dann ist das Spiel aus. 9:3 für die Eintracht. Kleine Pulks auf dem Spielfeld, aber kein großer Run auf die Spieler. Das vorrangige Interesse gilt dem Bier danach, auch Metzger Herbert macht weiterhin gute Geschäfte. Wir sitzen, schlendern, kucken noch ein bisschen – vorbei am Vereinsheim, wo Zampe gerade die Tür zur Eintracht-Umkleide aufreißt und laut „Zicke zacke zicke zacke heu heu heu“ brüllt. Ein nackter Hintern blitzt, die Tür fällt ins Schloss und wir plitschen und platschen zurück zum Parkplatz. Über dem Stadion kreist – nein – das ist nicht Attila. Es ist, es sind Störche – zwei fliegen gerade Richtung Horizont, zwei weitere sitzen auf dem Fluchtlichtmast und tun das, was man von Störchen erwartet: Sie klappern. Still und schön und majestätisch.
Charly Körbel eilt schnellen Schrittes über den Parkplatz, das Handy am Ohr. Er steigt in sein Auto und braust davon. Im Westen leuchten noch die letzten Sonnenstrahlen hinter den Wolken, im Osten steht bereits ein runder Mond über den Dächern. Tschüss, Büttelborn. Tschüss, Störche. Schön war’s.
Erst seit einigen Wochen weiß ich, dass zwischen dem SKV (= Sport- und Kulturverein) und der Eintracht eine direkte Verbindung besteht. Büttelborn ist der Heimatverein von Hans-Dieter („Fips“) Wacker der (auch dies weiß ich erst seit kurzem) in den späten 70er-Jahren als eines der größten Nachwuchstalente der Eintracht galt und dessen Leben einen so tragischen Verlauf nahm. Er absolvierte nur ein Spiel für die Profimannschaft, wurde bereits mit 21 Jahren zum Sportinvaliden, arbeitete danach als Trainer und starb mit nur 34 Jahren. Am Eingang des Stadions in Büttelborn erinnern einige am Kassenhäuschen angepinnte Fotokopien an ihn - Zeitungsberichte zum Benefizspiel, das die Eintracht nach seinem abrupten Karriereende 1980 in Büttelborn austrug. Und an das zweite, 13 Jahre später, direkt nach seinem Tod.
Die Eintracht in Town - da wird nicht selten ein kleines Volksfest mit Honoratioren, Tschingderassa und – z.B. in diesem Fall – Nostalgie-Touch gefeiert – aber nichts da – hier in Büttelborn hat das Ganze einen eher beiläufigen Charakter. Auch nicht schlecht. Ein E-Jugend-Spiel auf dem Kleinfeld vorneweg, ein umlagerter Getränkestand, ein paar Sitzbänke und ein Bratwurststand (sehr lecker, die Wurst der Metzgerei Herbert) – das ist es auch schon. Rund um das Spielfeld stehen tiefe Pfützen auf der Laufbahn, der Rasen ist saftig grün und tief durchgeweicht. Die SKV „Old Boys“ sind bereits dabei sich aufzuwärmen – nach und nach trudeln auch die Eintracht-Spieler ein und - Schande, Schande – es ist für uns gar nicht so einfach, den ein oder anderen zu identifizieren. Charly Körbel – logisch. Ronnie Borchers – na klar. Dietmar Roth. Und da ist ja auch – yep – Thomas Zampach, Fußballgott. Das da drüben, das ist doch – jawohl das ist Slobo Komljenovic. Und mit der 11 – das muss… das ist doch… ja klar: Cesar Tobollik.
Die Mannschaften laufen ein, flankiert von Norbert Lawitschka, der mit Attila heute ebenfalls in Büttelborn zu Gast ist. Der Stadionsprecher erzählt uns ein bisschen was zu den „Vitas“ der Spieler, die heute für die Eintracht auf dem Platz stehen. Im Tor steht Hans Steinle. Steinle? Ok, der hat nie für die Eintracht gespielt (stattdessen für die Stuttgarter Kickers), ist aber der Stammtorwart der Traditionsmannschaft und wohnt hier ganz in der Nähe. Ebenso wie André Wiedener, der heute ebenfalls mit von der Partie ist und im Nachbarort Dornheim zu Hause ist. Zusammen gezählt hat die Mannschaft, die heute für die Eintracht auf dem Platz steht, über 2.000 Bundesligaspiele auf dem Buckel – fast ein Drittel davon gehen auf Charly Körbel.
Die Old Boys aus Büttelborn heißen Mo und Mobbes, Olle, Mörder und „de Geerer“ (= der, der aus Groß-Gerau kommt) – und nachdem der Stadionsprecher uns dies erzählt hat, hat er entweder keine Lust mehr oder der Lautsprecher wird abgeklemmt – denn bis zur Halbzeit hören wir keinen Mucks mehr von ihm – keine Torschützen, keine Einwechslungen. Keine Halbzeit-Musik-Beschallung – alles geht seinen gemächlichen Gang. Die Sonne versinkt allmählich hinter den Bäumen, die Kids laufen mit Kästen herum und sammeln Pfandflaschen ein („Für unsere Kasse.“), die anderen platschen und schlurfen durch Matsch und Pfützen (Mutter zum kleinen Sohn: „Bleib da fort." Denkste!) - und ich werde Zeuge eines bemerkenswerten Dialogs zwischen zwei Jungs: sehr kleiner rothaariger Junge zum größeren Jungen im Eintracht-Trikot: „Bist du mein Freund?“ Größerer Junge zum kleinen Jungen: „Weiß ich nicht. Aber gleich heb ich dich an den Ohren hoch – das macht mein Papa auch immer.“ - Aha. Das Ried ist ein raues Land, Fremder.
Auf dem Platz spritzt das Wasser und das Spiel plätschert munter vor sich hin. 5:3 führt die Eintracht zur Halbzeit nur knapp - das 4: 3, wunderschön halbhoch nach direktem Zuspiel verwandelt von der Nummer 30 der Eintracht, bei der es sich – anders als am Spielfeldrand gemutmaßt – wohl doch nicht um Caio gehandelt hat. Der war ja zu dieser Zeit in Aschaffenburg.
In den letzten 15 Minuten steht zur allgemeinen Erheiterung der schwergewichtige Schorsch im Tor der Büttelborner, der (aaah – da isser ja wieder der Stadionsprecher) sich seinen Platz in der Mannschaft beim Weinfest ersteigert hat. Das ist natürlich eine gelungene Vorlage für Thomas Zampach, der publikumswirksam mit Schorsch herumblödelt - naaaaaain, er behält sein Trikot an, aber er garniert seine Torschüsse zwischendurch schon einmal mit einigen Liegestützen.
Dann ist das Spiel aus. 9:3 für die Eintracht. Kleine Pulks auf dem Spielfeld, aber kein großer Run auf die Spieler. Das vorrangige Interesse gilt dem Bier danach, auch Metzger Herbert macht weiterhin gute Geschäfte. Wir sitzen, schlendern, kucken noch ein bisschen – vorbei am Vereinsheim, wo Zampe gerade die Tür zur Eintracht-Umkleide aufreißt und laut „Zicke zacke zicke zacke heu heu heu“ brüllt. Ein nackter Hintern blitzt, die Tür fällt ins Schloss und wir plitschen und platschen zurück zum Parkplatz. Über dem Stadion kreist – nein – das ist nicht Attila. Es ist, es sind Störche – zwei fliegen gerade Richtung Horizont, zwei weitere sitzen auf dem Fluchtlichtmast und tun das, was man von Störchen erwartet: Sie klappern. Still und schön und majestätisch.
Charly Körbel eilt schnellen Schrittes über den Parkplatz, das Handy am Ohr. Er steigt in sein Auto und braust davon. Im Westen leuchten noch die letzten Sonnenstrahlen hinter den Wolken, im Osten steht bereits ein runder Mond über den Dächern. Tschüss, Büttelborn. Tschüss, Störche. Schön war’s.
Sehr sehr schöner Spielbericht von der Traditionsmannschaft.Ich freue mich schon auf den 10.September.:-)
AntwortenLöschenDanke.
LG
(B).
Sehr schön, Kerstin. Vielen Dank. Gruß vom Kid
AntwortenLöschenPS: Die Zeitungsberichte über die beiden Spiele für "Fips" Wacker hätte ich natürlich gerne fürs Eintracht-Archiv ...
Freut mich sehr, dass euch der Bericht gefällt. Und wg. der Fips-Wacker-Artikel habe ich mich - selbstverständlich :-) - bereits mit Frank (und mit einem Ansprechpartner beim SKV) in Verbindung gesetzt. Claro que *g
AntwortenLöschenNetter Bericht, Kerstin. Schon immer wollte ich mir mal ein Spiel der Traditionsmannschaft ansehen und tatsächlich wäre ich auch fast nach Büttelborn gekommen. Eine Freundin hat mich auf das Spiel aufmerksam gemacht, sie wohnt nämlich in Dornheim und wir hätten zusammen hingehen können. Nun hatte allerdings meine Mutter am Dienstag Geburtstag und es wurde nichts draus.
AntwortenLöschenMensch, da wären wir uns doch wirklich und tatsächlich unausweichlich über den Weg gelaufen, oder? Schade... Ob wir das nochmal hinkriegen *gg*???
Liebe Grüße
Nicole
Aaaaaarg...schaaaaaaaade....und wieder nix. Is ja fast wie bei den Königskindern: Sie konnten zusammen nicht kommen *g... Aber immerhin: Wir umkreisen uns und die Kreise werden enger... :-)
AntwortenLöschenDas wird! Bald, gaaanz bald! Bestimmt!
lgz, K.