Direkt zum Hauptbereich

Vau, vau, vau eff beh.


Warst du beim Spiel gegen den VFB im Stadion, Kerstin?

Ja.

Uuuuund - wie war's?

Schwer zu sagen. Es war schön, es war anders. Vor allem war es anders. Also, es war anders, aber trotzdem schön. Irgendwie

Erzähl doch mal!

Blitzeblauer Himmel, weiße Wattewölkchen, ein perfekter Fußballtag. Und doch habe ich gemischte Gefühle, als ich mich am frühen Sonntagnachmitag ins Auto setze, um zum P+R-Parkplatz und zur S-Bahn nach Frankfurt zu fahren.

In der S-Bahn. Seit eineinhalb Jahren war ich in keiner S-Bahn, keinem Zug. Alles will neu erfühlt und erlebt werden. Deutlich weniger Eintrachtler unterwegs als unter normalen Umständen und schon in der S-Bahn ein recht hohes Aufkommen an VFBlern, Kutten. Trikots, Schals. "Woischt, damals in Glasgow..." "Gesoffen wie die großen..." "Groundhopping..." Ja, ja.

Der Weg vom Bahnhof zum Stadion, etwas weniger "crowded",  aber sonst - fast wie immer. Bratwurstduft, Ebbelwoi. Fröhliche Hessen überall. "Eintritt nur mit tagesaktuellem Durst," steht auf einem Schild, hihi, und ein Alt-Freak steht zwischen Worschd und Ebbelwoi und jault auf seiner elektrischen Gitarre. Ach, Eintracht.

Menschenmenge am Eingang. Wie funktioniert die Orga? Links zwei G, rechts 3  G. Mmh. Ach so - zwei G sind in diesem Fall alle, die bei der Eintracht als geimpft registriert sind. "I bin au geimpft," verkündet ein junger VFBler." Das wird ihm hier in der Schlange nix nützen. 

Alle zehn Minuten eine Lautsprecher-Durchsage, ein Sprecher mit sonorer, rotuniert-gelangweilter Stimme, der die einzuhaltenden Regeln herunterleiert. (Vielleicht von der Dibbemess importiert, wo er sonst den Einlass zur Geisterbahn managt?) "'Bitte halten Sie Ihre Dokumente bereit, um eine schnell Abwicklung am Eingang zu gewährleisten." (Ok, bin ja registriert, hab die Aquila-App.) "Benutzen Sie Ihren Mund-Nasenschutz und verwenden Sie eine FFP2- Maske oder eine medizinische Maske, andere Masken sind nicht gestattet." (Ok, bin gerüstet). "Achten Sie darauf, den Sicherheitsabstand von ein Meter fünfzig einzuhalten." Allgemeines Gelächter. Sollte jemand im Pulk ernsthaft versuchen, Abstand zur Vorderfrau/zum Vordermann zu halten, ist mit Sicherheit gleich einer da, um die Lücke zu füllen bzw. einen Platz weiter vorne in der Schlange zu ergattern.

Digitales Ticket und digitale Impfregistrierung - voilà. Dachte, ich wäre bestens präpariert und fein raus und dann, als ich endlich bei der Schranke ankomme  - denkste  "Wo ist Ihr Lichtbildausweis." "Hab ich nicht dabei." "Dann kann ich Sie hier nicht reinlassen."  Und nun? Wieder heim? Das dann doch nicht: Mein Mit-Adler schickt mir per Whats app ein Foto meines Ausweises, der scan des QR-Codes an der Eingangssthele funktioniert reibungslos, und - wupps - ich bin drin.

Im Block. Habe keinen Platz in meinem DK-Block ergattert, sondern bin am anderen Ende des Stadions, rechts von mir der sehr gut gefüllte Gästeblock.  Auch unsere Reihen sind gut besetzt, natürlich mit Abstand. (Ausverkauft. ) Kurz orientieren. Stadion steht noch und erstrahlt in neuen Farben. Aha, der neue Videowürfel.  Europalied, Schal nach oben. Die Sangesfreude meiner Nachbarn rundherum lässt zu wünschen übrig, na ja. Mit dem Jürgen, mit dem Jürgen. Die VFBler grooven sich ein - klar, die Gästefans sind in einer Ecke gebündelt und können auch mit halber Stärke recht viel Rabbatz machen - wir sind verstreut. Und weitgehend stumm. Dass es keinen Dauersupport wie mit den Ultras geben kann, ist klar, aber ein bisschen mehr Fußballgeräusch im Stadionrund - Schieß! Eintracht! Ooaaaah...Uuuuuuh... Raus - wäre schon ganz nett.  Eintracht, Eintracht sollten wir doch hinbekommen. Oder "Steht auf, wenn ihr Adler seid?"   Die Eintrachtler neben mir haben vorläufig mehr Spaß daran, die VFBler zu beschimpfen, statt die Eintracht anzufeuern. 

Das Spiel: Auch hier - erst mal orientieren: Aha. Lindström. Aha. Lammers. Aha. Hauge. Kein Kostic? Kein Kostic. Die erste Halbzeit fast erschreckend schwach. Die Eintracht tendenziell stärker, immerhin. Aber das mehr ist immer noch wenig. Kein Spielaufbau, kein Tempo, klein-klein, durch die Mitte, aber ohne Drang nach vorn, immer nochmal ein Kurzpass, dann der Fehler, dann nochmal hinten rum, dann ein langer sinnfreier Ball ins Nichts. Kamada, sehr aktiv, versucht es auf eigene Faust, seine Flanken segeln hoch und weit am Tor vorbei oder in die Arme von Torwart Müller. Lammers umdribbelt sich häufig selbst. Hauge, mit verwegenem Stirnband, und eher planlosen Laufwegen. Lindström mit guten Ansätzen, aber viel zu ballverliebt und vielleicht doch einfach zu schmächtig?  Aber Torchancen hatten wir auch. Doch. Lammers verzieht beim Torschuss fast freistehend, der Ball geht meterweise links am Tor vorbei. Kamada kommt von links, Lammers steht in der Mitte frei, aber Kamada zieht selbst ab. Ein Schüsschen. 

Halbzeitpause. Immer noch fremdele ich ein bisschen, mit der Mannschaft, mit dem Stadion, mit mir. In der Halbzeit schlendere ich ein bisschen ums Stadion, spähe nach Adlerfreunden aus, begutachte die neuen Imbisss- und Getränkestände  (überall Adler-Bars), vegane Bratwurst, Taccos, Pommes frites. Pommes frites? Gute Idee eigentlich. Ich habe heute morgen nur ein halbes Brötchen gegessen, die Schlange ist kurz. Kann man mit Bargeld bezahlen? Man kann. Die Pommes sind knusprig und lecker, der Preis von 4 Euro 50 (plus 2 Euro Pfand) ist für einen Becher Wasser schon ziemlich happig. 

Ich sitze auf den Treppenstufen, schaue in den blauen Himmel, merke, wie das flaue Gefühl im Magen verschwindet und freu mich über die vorbei flanierenden Eintrachtler. Back again. Das gilt auch für die Flieger, die malerisch am Himmel über dem Stadion kreuzen. Es sitzt sich gut hier, fast werde ich ein bisschen träge, aber die zweite Halbzeit ruft, kann nur besser werden. Und es wird besser.

59. Minute. Kostic kommt. Ja, echt. Er kommt. Ein fast schon magischer Moment.  Das ganze Stadion steht, klatscht, jubelt. Der VFB-Block pfeift. Na und? Und danach ist nur noch  Fußball, nur noch Eintracht. Der Funke auf dem Platz springt jetzt auch in die halb besetzten Ränge. Jetzt, jetzt fühlt es sich an wie ein Fußballspiel. Hinti, Kevin Trapp gestikulieren Richtung uns Fans, mehr, mehr.  Das Spiel da unten wie ausgewechselt. Die Mannschaft sucht Kostic, immer wieder kommt der Pass nach links und da ist sie, seine Dynamik, sein unbändiger Wille, seine Kraft.  Ja, ich kann erkennen, dass die Position, auf der er jetzt spielt,  etwas weiter vorne als in der letzten Saison funktionieren könnte... Der ebenfalls eingewechselte Borré sorgt für Druck in der Mitte, Jakic (ebenfalls neu im Spiel)  für Ballsicherheit im Mittelfeld.  Das Tor wird fallen, keine Frage. Angriff über links, der Ball abgewehrt, landet wieder bei Kostic, doofer Winkel, aber er zieht ab. Und dann fällt es. Kreisch. Jubel. Hüpf. Nein, wir liegen uns noch nicht wieder alle in den Armen, aber wir klatschen uns ab. Recken die Fäuste in den Himmel. Da sind wir wieder.  Fast am schönsten: Die Mannschaft freut sich erkennbar mit und für Filip Kostic. Schulterklopfen. Knüffe. Jubeltraube. Und fast alle laufen hin. Die erste Zauber-Geschichte, die diese neue, (Fast-) Nach-Corona-Saison schreibt. Filip Kostic, eben noch auf dem Weg nach Rom, dann doch noch rechtzeitig die Liebe zur Eintracht wieder entdeckt, und dann: der entscheidende Treffer zum ersten Saisonsieg. Der VFB Block steht still und schweiget. 

Erster Saisonsieg...? Mmh. Stimmt, da war ja noch was. Zum Beispiel kurz nach dem Treffer. Der Fast-Elfer. Der Platzverweis. Und dann der VFB, der da schon ein paar ganz schön kräftige und zielstrebige Jungs in seinen Reihen hat. Die Eintracht drückt und will das zweite Tor. Der VFB kontert gefährlich. Aber es ist immer ein Bein oder ein Hinti dazwischen. Hinti, Hinti, skandiert das Stadion, sobald er einen Ball weggrätscht, abfängt oder nur in die Nähe des Balls kommt. So wie in der 86. Minute. Hinti köpft. Zu kurz. Hinti. Hinti-Rufe im Stadion. Mitten in den Jubel köpft er nochmal. Wieder zu kurz. Tja... Wilder Jubel der VFB-Spieler direkt vor meiner Nase. Pah.

Wildes Anrennen der Eintracht. Und es hätte, hätte sogar noch klappen können. Der Schuss von Borré - meine Arme sind oben, der Torschrei auf den Lippen. Der war doch drin. Doch. Der war drin. Nein. Es soll nicht sein. Aus. 

Die VFBler laufen in ihre Kurve, unsere Mannschaft steht etwas verloren auf dem Platz, zaghafte Europacup-Gesänge von da, wo sonst die Kurve ist. Eine kleine Stadionrunde. Freundlicher Applaus. Das Stadion leert sich schnell. Ich bleibe noch. Brauche diesen Moment. Schaue. Fühle. Komme an. Müde bin ich, irgendwie froh, irgendwie leer.  Stapfe die Treppe nach oben. Nochmal stehen bleiben und ins jetzt schon fast ganz leere Stadionrund schauen. Der Himmel ist blau, der Rasen grün. 

Warst du beim Spiel gegen den VFB im Stadion, Kerstin?

Ja.

Uuuuund - wie war's?

Schwer zu sagen. Es war schön, es war anders. Vor allem war es anders. Also, es war anders, aber trotzdem schön. 

Ja. Es war schön. 

                                  

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Die nächste Strophe vom alten Reisbrei

Am Samstagabend höre ich im ZDF Sportstudio die Vorankündigung für das Spiel am Sonntag im Waldstadion. „Hannover kann morgen auf den zweiten Tabellenplatz vorstoßen“, verkündet Katrin Müller-Hohenstein. Tatsächlich? Was Sie nicht sagen. Und die Eintracht? Hey – hallo, das ist unser Heimspiel, und wir werden es gewinnen, weil nämlich dann wir es sein werden, die zu Hannover und zur Spitzengruppe aufschließen. Capisce? Und tatsächlich. So machen wir es. Impressionen vom Spiel: Patrick Ochs, der in der ersten halben Stunde auf der rechten Seite herum mannövert als habe er tatsächlich vor, was er vorher verkündet hatte: Sich festbeißen – und von dem in der zweiten Halbzeit nichts mehr zu sehen ist. Halil Altintop, der (auch in seinem eigenen Sinn) zur Halbzeit hätte ausgewechselt werden müssen, und von seinem Trainer, der voll hinter ihm steht, eine viertel Stunde vor dem Ende zum Abschuss freigegeben und – sichtlich um Fassung bemüht – regelrecht vom Platz gepfiffen wird. (Ja, ja.

Kleines Fußball-ABC - Heute "U" wie "Unterschiedsspieler"

Unterschiedsspieler, der (pl. (selten die); fußballneudeutsch für einen Spieler, der – wie der Name schon sagt – den Unterschied machen und ein Spiel entscheiden kann. Bsp .    → Rebic, Ante (Eintracht Frankfurt) , der in der ersten Runde des DFB-Pokals 2019/20 “ den aufmüpfigen Drittligisten Waldhof Mannheim quasi alleine in die Knie zwang. “ In der Regel ist der → Unterschiedsspieler ein Offensivspieler, aber auch Defensivspieler „mit einer starken Technik und einem guten Gespür für Räume imOffensivspiel“  können Unterschiedsspieler sein  -   Bsp.   → Baumgartner, Christoph TSG Hoffenhei m) , → Kimmich, Joshua (FC Bayern München) oder  →Kostic, Filip (Eintracht Frankfurt), der für seinen Trainer →Adi Hütter derzeit „der absoluteUnterschiedsspieler“ ist. Auch Torhüter  können den Unterschied machen ( Bsp. Neuer, Manuel, FC Bayern München ), was als Beleg dafür gelten kann, dass auch Spieler, die nicht der Mannschaft von →Eintracht Frankfurt angehören, →Unterschiedsspieler sein kö

Hans-Dieter "Fips" Wacker - ein Fußballerleben

Es ist ein paar Monate her, dass ich für diesen Blog im „Kleinen Fußball-ABC“ einen eher satirisch gefärbten Beitrag zum Thema  Nachwuchstalente verfasst habe. Es war Kid Klappergass, der das Thema in einem Kommentar in ernsthaftere Bahnen führte: Es gebe nicht viele große Eintracht-Talente, denen er nachtrauere, aber eines davon sei ganz gewiss Fips Wacker. Fips Wacker? Diesen Namen hatte ich noch nie gehört und machte mich auf die Suche nach ein paar Informationen. Es war nicht viel, was ich im Netz aufstöbern konnte – aber was ich fand, machte mich neugierig. Die „Spur“ führte zum Heimatverein von Fips Wacker, der SKV Büttelborn und wie es der Zufall so will: Einige Wochen später sollte in Büttelborn ein Spiel der Alten Herren – der  Old Boys   gegen die Eintracht-Traditionsmannschaft ausgetragen werden. Wenn für Hans-Dieter Wacker alles so gelaufen wäre, wie es hätte laufen können, hätte er in diesem Spiel vielleicht eine Halbzeit lang für die Eintracht und eine für den SKV auf de