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EM- und Sommerschnipsel (7): Finale ohohoho

Es kribbelt. Es kribbelt wirklich. Ich liebe England und den englischen Fußball, aber ich mag auch Italien sehr, sehr. Was für ein Traumfinale. London bebt, die Italiener chillen relativ cool in ihrem Mannschaftshotel, vermeldet der Radioreporter. Irgendwo im All absolviert ein Haufen irrer gerade den ersten Weltraumflug als "commercial service" , aber das Epizentrum des Alls ist heute zweifelsfrei in London.

Lasset das Spiel beginnen.

Kommentare

  1. Mein lieber Schwan - was war das für ein heftiges, mitreißendes Endspiel. Am Ende so viel Glück - und so viel Traurigkeit... So sehr ich mich für die Italiener freue, um noch ein bisschen mehr bin ich traurig für die Engländer, die so voller Hoffnung und Enthusiasmus waren, und - schwieriges Thema, aber doch, finde ich - auch ein bisschen Rückenwind für ihr Land nötig gehabt hätten. Die Italiener mit einer unglaublichen Vorstellung, so, wie man (wenn man ihn liebt) den italienischen Fußball liebt und noch ein bisschen mehr. Wie machen sie das nur - cool, lächelnd und trotzdem konzentriert bis in die Haarspitzen. Bonucci bei der Hymne: Die Augen geschlossen und lächelnd, ganz bei sich. Ich glaube, der hat sich wirklich einfach auf das Spiel gefreut.

    Der frühe Rückstand, - und es sah aus, als ob dieser Abend genau so laufen sollte, wie das Stadion, wie viele Experten, es erwarteten. England, endlich offensiv, jung, wild, so wie man es bei der EM ab und zu aufblitzen sah. Was für ein geniales Kontertor. Wunderbar. England, the Brave. Und dann die Italiener, die stoisch und unermüdlich den Weg zurück ins Spiel suchten, zunächst noch etwas holprig, dann zunehmend passgenauer, mit mehr Zug zum Tor. Erste Warnschüsse (Chiesas Schuss aus 30 Metern war nur ein paar Zentimeter rechts neben dem Pfosten). Mancinis geniale taktische Neuausrichtung in der Halbzeitpause, viel zu passive Engländer. Und dann war irgendwann klar, dass der Ausgleich fallen würde. Schon in der 35. Minute war sich mein Mit-Adler sicher, dass wir auf ein Elfmeter-Schießen zusteuern.

    Tragisch, dass ausgerechnet der bis dato so bedachte, coole,fast tiefenentspannte Southgate den entscheidenden Fehler macht, der später das Spiel entscheidet. Keine gute Idee, zwei Spieler zwei Minuten vor Ende der Verlängerung einzuwechseln mit der Bürde, die Elfer auf jeden Fall rein zu machen. Möglicherweise funktioniert das, wenn du Chellini und Bonucci einwechselst.

    Und so kam es so wie immer. Jeder, der England kennt, weiß es bevor es mit dem Elfmeterschießen losgeht - "Game over." - und hofft doch, dass es heute, an diesem Tag, heute, heute anders kommt. Kam es nicht. Weinende englische Spieler. Italienische Spieler, die über den Rasen kugeln. Bonucci und Chellini Arm in Arm. Video-Chats mit der Freundin, mit dem Rücken auf dem Rasen des Wembley-Stadions. Der an Krücken hüpfende Spinazolla. Gianna Nanini statt Neil Diamond. Chellini und Mancini, die sich, lange, lange umarmen. Der Tränen überströmte Saka, der von seinen Mitspielern getröstet wird. Harry Maguire, der seinen Elfer verwandelt hat, und dem noch bei der Medaillenübergabe die Tränen über das kantige Gesicht laufen. Familie Willi Windsor mit unbewegten Gesichtern (lernt man das schon als Mini-Royal, das man auch bei Niederlagen Haltung bewahren muss...?)

    Von einem Freund übermitteltes Schlusswort des BBC Kommentators Guy Mawbury: "A huge disappointment but we will get over it because, goodness, we are used to it."

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    1. Ich mag die Italiener und speziell bin ich von Mancini beeindruckt, der einen Trümmerhaufen als Mannschaft übernommen und mit großem Herzen und viel Finessen zum Spitzenteam geformt hat. Ich denke, ihnen tut dieser Titel so richtig gut. Ob er er den Briten gut bekommen wäre? Ich weiß nicht so recht. Wohl eher nicht so.

      Ich mag aber auch die Engländer, sind mir irgendwie sogar etwas näher. Aber in der real existierenden Form? Nach dem Brexit, den ich ihnen noch immer übelnehme; angesichts von Boris, den ich für einen Blender und Dummkopf halte; angesichts von Fans, die eigene farbige Spieler auseinandernehmen ohne Ende und wenig Respekt für ihre Gegner übrig haben - und dies in Anbetracht des großen Anspruchs auf englische Fairness?

      Wo ist das England Oscar Wildes? Der Pythons? Wo Ironie in ihrer schönsten Form als Selbstironie? Wenn ich heute suche, treffe ich meistens auf Iren, Waliser, Schotten. Ausgenommen Rob MacFarlane und Steve Dilworth natürlich - Letzterer freilich lebt wohl nicht zufällig auf der Hebrideninsel Harris.

      Neinnein, das Ergebnis passt schon. Southgate, feiner Mann, keine Frage. Aber, wie Du schon anmerkt hast, Kerstin: beim Wechsel von Elferschützen auf den letzten Drücker hat er einen ähnlichen Klops gelandet wie bei seinem Fehlschuss anno dunnemals.

      Der MiniWindsor hat immerhin die stiff upper lip beim Einsnull fahren lassen dahin. Für einen Moment.

      Beste Grüße, keep the spirit (o santo)
      vom alten ak

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    2. Bin in vielem deiner Meinung. Und doch - das England Oscar Wildes war auch das England, das ihn im Gefängnis vegetieren ließ. Auch in Italien, gerade da, gibt es eine stark ausgeprägte Fascho-Szene unter den Fußballfans. Umgekehrt war nach den Anfeindungen die Sympathie- und Dankeswelle z.B. für Marcus Rashford überwältigend groß. Und Großbritannien ist beim Brexit nicht aus Europa, sondern aus der EU ausgetreten, was ich für einen relevanten Unterschied halte. Boris, nun ja... Ich denke halt, wir tun uns keinen Gefallen, wenn wir die Engländer wegen einiger Dinge, die uns nicht gefallen, in eine Ecke stellen - damit bewirken wir, wie in so vielen anderen Bereichen auch, dass diejenigen, die schon in Ecken stehen, sich dort immer weiter rein drängeln. Mmh...Weites Feld, das... Jedenfalls: Für mich bleibt England im Kern das, was es immer war und was wir daran lieben. Und sie haben also auch zumindest ein bisschen Mitleid verdient. Unterm Strich, auch fußballerisch, auch mit Blick auf das Turnier, geht der Sieg der Italiener ganz sicher mehr als in Ordnung. In Mainz war auf den Straßen die Hölle los - alles blau bzw. grünweißrot, überall Pizza, Autokorsi, volare. Einfach nur überschwängliche Freude. Das war wunderbar.

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    3. Oscar Wilde wäre zu seiner Zeit wohl so ziemlich überall in den Knast gewandert. Für mich bleibt er dennoch eine charakterisierende Signatur britischen spirits, in seiner Sprache ein dandyesker Bruder im Geiste von Lichtenberg. Wenn man Nationen daran misst, wie sie mit ihren Besten, nicht selten Exzentrikern (Google kennt das Wort nicht) umgeht, sieht es insgesamt wohl düster aus. Quentin Crisp hatte da, nach harten Zeiten in England, in den USA, nein: in NY am Ende mehr Glück. Der Englishman in New York ...

      Ja, da sehen wir doch mal einiges recht verschieden. Gut! Brexit ist Austritt aus der EU, ist mir schon klar. Ich sehe es aber auch als Entfernung von Europa, und darin bestätigen mich eigentlich alle meine englischen Freude ausdrücklich - empfinden es genau so und sind bestürzt. Mag Zufall sein, aber so ist es halt. Das sind Erfahrungen und Austausch auf persönlicher Ebene, und auf dieser ist Boris für mich halt eine hohle Nuss. Könnte ich an vielen Beispielen exemplifizieren, würde hier aber zu weit führen. Politisch wäre es natürlich falsch, England zu dämonisieren und in irgendwelche Ecken zu drängen. (Vielleicht hat es bald schon keine mehr -> Scoxit, Waxit und ein vereinigtes Irland.)

      Sehr, wirklich sehr weites Feld.

      ak

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    4. Ja, gut, richtig gut, dass wir auch unterschiedlicher Meinung sein können, obwohl wir doch auch so viele Dinge ähnlich sehen. Das ist ja im Moment häufig gar nicht so einfach.

      Auch ich höre das von Engländern, Bekannten und Kollegen, sehr ähnlich wie du es schilderst, sie sehen den Brexit als Rückzug nicht nur aus der EU, sondern als Distanzierung von Europa. Und, ja, es sind die Guten, die diese Einschätzung teilen. Vielleicht möchte ich es so einfach nicht verstehen. England ist Europa.

      Es sind schwierige, vielleicht sogar beängstigende Zeiten. Gut, dass es jetzt bald wieder Sternschnuppen regnet.

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  2. Ja, 11.-14. August werden sie sich die Ehre geben, Maximum voraussichtlich die Nacht vom 12. auf den 13.

    Wenn dann noch das Wetter mitspielt, wünschen wir uns Schnupp für Schnuppe den ganzen Mist vom Hals : - )

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    1. Ganz genau so machen wir das. Schnuppen-Power-Wishing. Wär doch gelacht, wenn das nichts nützt :)

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    2. Bedauerlicherweise dürfen wir die Wünsche nicht preisgeben. Aber egal, in etwa, denke ich, wissen wir schon, was da so dabei sein könnte. Auf jeden Fall: Pssssssst. So lautlos wie die Schnübbscher selber.

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  3. Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.

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  4. ojemine - hab den Kommentar aus Versehen gelöscht. Dabei wollte ich eigentlich nur antworten: Freut mich, dass die kleinen Zeichnungen gefallen. Pizza oder Fish & Chips? Beides :)

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