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Corona-Sommer-Schnipsel (2): Ein ganz besonderes Flair

"Brauchst du etwas für dein Fußballerherz?"
Diese Frage hat mir gestern meine Adlerfreundin Nicole per Whatsapp geschickt und damit verbunden war  der Tipp, sich die neueste Folge des offiziellen Eintracht Podcasts anzuhören. Gast: Alex Meier.

"Ohhh Alex," antworte ich.  Logisch,  das höre ich mir an. Und tatsächlich: Eine geballte Ladung Eintracht flutet da mein Ohr, mein Herz und meine Erinnerung. Da sind sie alle; Friedhelm, Benni, Oka, Ama, Arie van Lent, Armin Veh, Heribert Bruchhagen und Alex Meiers-Antworten vermischen sich mit meinen persönlichen Alex-Momenten. Das erste Spiel, in dem ich ihn im Eintracht-Trikot gesehen habe - 2004, ein Testspiel gegen den TV Haßloch in Rüsselsheim.  Seine Flucht vor einem Pulk wartender Fans bei einem Testspiel in Wetzlar. Die vielen, vielen Alex-Texte, die ich hier im Blog geschrieben habe... 50 Meier-Tore, Abstieg, Aufstieg, Torschützenkönig, Pokalsieg. Alex ist nett freundlich, ein bisschen unverbindlich, ab und zu scherzt er sogar. Ein Mensch, der keine Abgründe zu haben scheint, und während der Corona-Zeit mit seinen alten Freunden aus Buchholz  (einer davon seit Kindheitstagen Eintracht-Fan) eine Tennisgruppe gegründet hat. ("Jeder hat 10 Euro eingezahlt."). Wie war das für ihn, als er am Ende seiner aktiven Eintracht Zeit beim Pokalfinale nicht im Kader war? "Natürlich war ich enttäuscht, aber ich hatte es mir schon gedacht." Und es  ist typisch für ihn, dass er den Pokalsieg trotzdem zu seinen drei liebsten Eintracht-Erinnerungen zählt... Logisch, war ja so so wichtig für die Eintracht.  Und einen besseren Abschied als den Pokal hochhalten und am Römer bejubelt werden, hättest du dir sicher nicht vorstellen können? Bin ich zu spitzfindig, wenn ich bei der Antwort ein leichtes Zögern vor dem "Ja" höre? 

Ein bisschen mehr Nachhaken und Nachfragen hätte man sich von Podcast Moderator Jan Strasheim gewünscht, aber offiziell bleibt am Ende offiziell.  Hat er das damals wirklich alles so locker weggesteckt, die  schrecklichen letzten Monate mit Friedhelm Funkel (in denen nicht viel gefehlt hat, dass Alex Meier und Benny Köhler von einem Großteil des Stadions gemeinsam mit "FF" geteert und gefedert worden wäre.) "Das hat mir geholfen, erwachsen zu werden."  Und wie war das mit dem Abstieg - tatsächlich einfach "Spirale des Misserfolges" oder doch fiese Vorkommnisse hinter den Kulissen?  Diese großartige Hinrunde mit dem Sieg gegen Dortmund als Abschluss, und dann die schandbare Tasmanenrückrunde, an deren Ende der Abstieg stand...

Falls es Gruppenbildungen oder Konflikte in  der Mannschaft oder gegen den Trainer gab, die den tiefen Fall in der Rückrunde mit verursacht haben - von Alex erfahren wir es nicht. Aber es ist erstaunlich an wie viele fußballerische Details er sich erinnert - Spielergebnisse, Tore, Gegner. Und so entdecke ich  beim Zuhören zum ersten Mal leise Parallelen zwischen Alex Meier und meinem All-Time-Lieblingseintrachtler Ralf Falkenmayer. Der stand damals, in der Aleschia-Saison, mitten zwischen zwei verfeindeten Spielerlagern und hat auch später, in der Nachbetrachtung, nie für oder gegen einen seiner damaligen Mitspieler Partei bezogen: "Ich wollte einfach nur Fußball spielen." Fast würde ich vermuten, dass  Alex Meier, angesprochen auf konkrete Konflikte ähnlich antworten würde. Hat ihn während seiner Karriere nie das große Geld gelockt? "Bei der Eintracht habe ich auch ganz gut verdient." Und wenn es doch mal ein hochkarätiges Angebot gab? "So viel war da bei mir nicht." Und dieses eine Angebot aus China, da hat er in Abu Dhabi in der Mittagspause kurz mit Heribert Bruchhagen und Armin Veh gesprochen und die meinten, dass das nicht in Frage kommt. "Da war das abgehakt. Hat drei Minuten gedauert." 

Kein böses Wort über nichts und niemand - es sei denn, man interpretiert leise Zwischentöne und Nicht-Erwähnen einzelner Namen als Statement.Welche Trainer waren es,  die ihm am meisten mitgegeben haben bei der Eintracht? In chronologischer Reihenfolge nennt er Friedhelm Funkel ("...stand immer hinter mir auch als es von außen mal ein bisschen wilder wurde..."),  Armin Veh ("...unter ihm habe ich fußballerisch den größten Sprung gemacht..."), Thomas Schaaf  ("...hat mich konsequent als Stürmer eingesetzt...").  Michael Skibbe? Christoph Daum? Niko Kovac? Kein böses Wort, kein Nachkarten. Kein Groll.  Alex wäre nicht Alex, wenn er hier vom Leder ziehen würde.  Er ist cool, aber auf eine altmodische Art. Warum hat er zum Beispiel keinen Social Media Account?  "Ich glaube nicht, dass es die Leute interessiert, ob ich heute eine Bratwurst oder einen Salat esse." Dass er sich da mal nicht täuscht... Mir gefällt die Vorstellung, dass Alex Meier abends noch eine Runde mit Hund Alf am Mainufer entlang läuft oder in der Gerbermühle eine Kleinigkeit isst - ganz ohne Selfie. Da weht tatsächlich so etwas wie der frühe Eintracht-Zauber, der nicht durch permanente Beschallung, sondern durch Distanz entstand. Seufz... 

Und was tut sich außerdem so in der (Eintracht-)Welt:  Es ist immer noch Sommer,  auch wenn die Schwimmbadtage weniger werden und das "Plopp, plopp" der Vogelschreckanlagen aus den Weinbergen auf die nahende Weinlese und damit auf den Herbst verweist. Es ist immer noch Corona und mir will es immer noch nicht wirklich gelingen, das, was im Moment als Fußball apostrophiert wird, mit echter Anteilnahme oder gar Euphorie zu verfolgen. Es findet statt und ich nehme es mit einigem Interesse zur Kenntnis, mehr schaffe ich nicht. Basel, Ajax, Monaco, kein Mainz. Es kommt mir vor wie eine Parallelwelt, die nur so tut, als ob sie mit dem zu tun hat, was ich mache und fühle und/oder was die Eintracht für mich war und ist. Wie sehr hätte ich normalerweise dem ersten Heimspiel entgegengefiebert und mich auf die Rückkehr von Arminia Bielefeld gefreut... 

Aber nichtsdestotrotz nehmen die Dinge Gestalt an. Die Bundesligasaison 2020/21 steht - Stand heute - in den Startlöchern.  Wir wissen,  dass Adi Hütter unser Trainer bleibt. Wir wissen, dass unser Erstrunden-Pokalgegner am nächsten Sonntag 1860 München heißt und dass uns dort an der Grünwalder Straße (Zitat Fredi Bobic) "ein ganz besonderes Flair" erwartet. Echt jetzt?  Wir wissen, dass wir,  falls wir irgendwann wieder ins Waldstadion dürfen, uns im Rot-schwarz-und-weiß-Erlebnis-für-alle-Tradition-trifft-Zukunft-Deutsche-Bank-Park treffen werden, die Zwischenergebnisse auf dem superduperhypermodernsten Videowürfel Europas präsentiert bekommen und uns rund ums Spiel auf ein neuartiges Erlebnis-Gastronomie-Konzept freuen dürfen. Was wir nicht wissen, ist, ob Filip Kostic auch dann noch mit von der Eintracht-Partie sein wird oder ob er doch noch kurz vor verlängertem Transferschluss den Ante macht (vielleicht ja ebenfalls direkt nach dem Pokalspiel?).  Ich kann hier auch gerne schon den Text für den dann fälligen Instagram-Post auf dem Eintracht-Kanal vorwegnehmen: "Danke, Filip!" (Merke: Der "Danke-Post" zum Abschied ist das Pendant zum "Fredi Bobic sitzt lächelnd neben weiß-nicht-Wem und beide unterschreiben den Vertrag"-Post am Beginn eines Eintracht-Engagements.)

Und wie geht es  insgesamt weiter? Hoffnung macht, dass die Wissenschaft nicht rastet und ruht und wir immer  mehr über "das Virus" wissen: Es kennt keinen Spaß , man kann sogar sagen,  dass es ihn nicht einmal versteht, mehr noch:  es ist eine echte Spaßbremse, aber es hat einen besten Freund  - den spaßigen Ballermann.

"Mama, gibst du mir mal meine Taucherbrille." Markus O. (8) aus dem Planschbecken im Garten seiner Eltern.

Also mal ehrlich: Abtauchen ist doch auch keine Lösung.

Kommentare

  1. Schon, dass du wieder aufgetaucht bist und in deinem Blog deine Perlen für die Leser hinterlässt.
    Und von dem besonderen Flair in München habe ich bei der Übertragung absolut nichts gespürt, aber vielleicht bin ich auch einfach dafür nicht sensibel genug.

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    1. Dazu muss man so sensibel wie Fredi Bobic sein ,)

      Da war nicht nur kein Flair, sondern auch sonst nicht so richtig viel. Ein klassisches "Hauptsache weiter"-Spiel. Wird interessant wie wir fast ohne Stürmer durch die Saison kommen wollen... Aber es ist ja noch Zeit, ha - irgendwo hat irgendjemand sicher noch ein As im Ärmel.

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  2. Schön, nicht schon sollte es natürlich heißen.

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  3. Hatte es schön (!) verstanden. Freu mich, dass du das Auftauchen wohlwollend zur Kenntnis nimmst und auf neue Blog Abenteuer...

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