Direkt zum Hauptbereich

Ab dafür!

Story Telling - das ist eine - speziell im Social Media-Zusammenhang gern genutzte - Marketingtechnik:  Geschichten geben Produkten ein menschliches Gesicht. Man überlegt, welche besonderen Benefits das eigene Produkt zu bieten hat, fokussiert diese Einzigartigkeit und  findet Menschen und Situationen, die die Geschichte glaubwürdig vermitteln können. So weit, so gut und nicht verwerflich. Man stärkt damit einen persönlichen Bezug der potenziellen User/Kunden und daran muss ja nichts verkehrt sein, zumal dann, wenn die Strategie mit der Realität korrespondiert, idealerweise sogar übereinstimmt. Die Marketingabteilung der Eintracht hat - was zu beweisen war und ja auch bereits mit Preisen honoriert wurde  -  richtig gute Arbeit gemacht und  mit ihrer "Story" genau die Punkte identifiziert, mit denen sie uns Eintrachtler erreicht. Die Geschichte vom grundehrlichen, anständigen und hart-arbeitenden, nicht nach links und rechts schauenden Trainer, die verschworene mulit-kulti Gemeinschaft mit Spielern aus aller Welt, eine Einheit mit den Fans und der besonderen Eintracht-Fankultur,  den Adler im Herzen und ein gemeinsames Ziel vor Augen. Nur zu gerne haben wir uns diese Geschichte erzählen lassen, Widersprüche ausgeblendet und uns bereitwillig im Widerschein unserer eigenen Eintracht-Geschichte gespiegelt. Wir!

An Kovac Fähigkeiten als Trainer besteht - Stand jetzt ,-) - kein Zweifel. Den Kult um ihn konnte ich - wie hier im Blog nachzulesen -  jedoch schon eine ganze Weile nicht mehr nachvollziehen. Sogar vom besten Trainer,  den die Eintracht je hatte, habe ich irgendwo gelesen. Für mich war spätestens bei seinem umjubelten Auftritt bei der Jahreshauptversammlung - von wegen  lebenslange Mitgliedschaft und "Adler bis ans Lebensende in meinem Herzen" -  ein No go erreicht.  Geht's auch eine Nummer kleiner? Knapp ein Jahr bei der Eintracht und dann den Ober-Eintrachtler geben, während gleichzeitig echte Adler wie Alex Schur und Uwe Bindewald ohne viel Tamtam entsorgt und aus dem Verein gekegelt werden?  Der Satz von der "einmaligen Chance" auf Europa und der Möglichkeit Geschichte zu schreiben, waren für mich ein weiterer Stachel im Fleisch.  Das klang nach all der Vorsichtigkeit der letzten Wochen doch sehr nach, ein Zeichen setzen, um den Abgang zu versüßen. Außerdem: Heeey? Wir waren in Europa, noch gar nicht so lange her. Und sogar vor Bordeaux und Porto, ganz ohne Kovac, ganz ohne Bobic.

Niko Kovac hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass der Trainerjob beim FC Bayern München - irgendwann einmal - für ihn sehr reizvoll wäre. Dumm, dass die Bayern genau  JETZT einen Trainer suchen. Wenn sie den Trainerposten jetzt besetzen, ist er erstmal für ein, zwei, drei Jahre weg - so schien es mir relativ klar, dass er, wenn sie ihn wollen, vermutlich nicht ablehnen wird und kann. Nicht schön für uns, aber irgendwie ok und im Kosmos dessen, was so als moderner Fußball gilt, nachvollziehbar.

Die Interviews und Stellungnahmen der letzten Tage und Wochen waren da nur noch so etwas wie eine Bestätigung. "Stand jetzt" und "falls nichts Ungewöhnliches dazwischen kommt" - da brauchte man ja wirklich nur eins und eins zusammenzuzählen. Nicht schön, aber auch das wohl irgendwie Teil des Geschäfts. Obwohl auch hier gilt: Wäre Herr Kovac zuvor ein bisschen weniger als Mister Überkorrekt aufgetreten - der Glaubwürdigkeitsverlust wäre erheblich geringer.

Sein Abgang für mich also keine Überraschung. Trotzdem überrascht haben mich die Umstände, der mehr als unglückliche Zeitpunkt und die vielen Details,  die jetzt peu a peu zutage gespült werden. Wenn Kovac eine Ausstiegsklausel hat, nach der die Bayern bei Interesse überhaupt nicht mit der Eintracht verhandeln müssen, dann ist eine Aussage wie "Uns liegt keine Anfrage der Bayern vor" fast schon eine Dreistigkeit. Von nichts was gewusst? Mein lieber Schwan. Da wird die Marketingabteilung in den nächsten Tagen viel Arbeit haben, um diesen verlorenen Boden wieder gut zu machen. Aber sie werden das schaffen - ich bin da zuversichtlich. Wie groß der reale Scherbenhaufen am Ende sein wird, bleibt abzuwarten.

Mal ehrlich: Wäre Kovac von Anfang an Trainer bei den Bayern gewesen - mit akkuratem Scheitel, Disziplin, Arbeit,  Demut und Krieger-Rhetorik  - hätten wir ihn da nicht alle ziemlich schrecklich gefunden?

Ganz ohne Gedöns hat  übrigens Jürgen Klopp in Liverpool offensichtlich das Angebot der Bayern abgelehnt. "Klopp gilt als vertragstreu," vermerkt sehr fein die Frankfurter Rundschau.

Merke: "Die Idee blamiert sich immer dann, wenn sie vom Interesse verschieden ist." (Dr. Karl M.)





Kommentare

  1. Mit keinem spreche ich soviel über die Eintracht wie mit dir.Ich wollte dich immer vom Ehrenmann Kovac überzeugen.Hatte dir noch letzten Freitag stolz berichtet siehst du ich hatte recht er bleibt.
    Heute muss ich sagen Kerstin du hat weit voraus geschaut.Hast dich nicht blenden lassen.
    Ich bin menschlich sehr enttäuscht von ihm.
    Er geht und wir zwei bleiben dort wo wir hingehören.Wir sind ehrliche und stolze Adler.

    AntwortenLöschen
  2. Die PK heute war - allerdings nur auf Distanz verfolgt - von grandios sterilem Charakter. FB in einer Art Plastik-Rage, bei der schwer auszumachen war, wogegen gerichtet und bis zu welchem Grad überhaupt vorhanden. Die Fragen der Journalisten: lauwarm, vage, irgendwie unbeteiligt. Niko Kovac sichtbar, wie ich fand, unter dem Druck schlechten Gewissens (was ja eher noch für ihn spricht) und mit seiner Münchhausengeschichte (nur in schlecht). Diese Story vom völlig überraschenden Anruf - Du, Niko, wir hätten da einen Vertrag für Dich, mogst? Jo! - irrlichtert zwischen dreist und naiv. Wie er so dasaß jedenfalls, gerade im Vergleich mit sonstigen PKs - ein Bild irgendwie von kindlichem Trotz und zugleich überraschender Schwäche.

    Der Rest der Saison dürfte schwierig werden. Morsche in L'kusen eine deftige Abreibung und der eine oder andere Außenspieler, der beim Stolpern über Nikoccios Nase sich verletzt - und ein vorzeitiger Abgang wäre nicht überraschend.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Deiner Beschreibung der pk stimme ich komplett zu. Einer der Reporter bescheinigte kovac freundliche Gelassenheit. Wie bitte? Er war alles andere als gelassen. Trotzig, ja. Fast ein bisschen beleidigt. "Ich bleibe wie ich bin." (Wie denn und was sagt uns das?) Ich habe nicht gelogen, nein nein - und ja, so ungefähr muss das ominöse, dynamische Telefonat dann gelaufen sein, mit dem Zusatz "Weißt ja, ich hab die Bayern DNA." Irgendwie zusammen kolportiert, um zumindest irgendwas zu sagen und dann verirrt. Schwitz. Ich habe mir zwar nicht mal 5 Minuten Zeit genommen, um meinem eng vertrauten Chef kurz Bescheid zu sagen (Hey - ich bin dann also weg), aber die Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen, weil ich ja eine schöne zeit hier in Frankfurt hatte. ("Schöne Zeit" = Neusprech für "Adler im Herzen bis zum letzten Atemzug.") Weitere fragen zu FB umgeroutet, ganz im Sinne der offenen Kommunikation. Peinlich.

      Auch deine Beschreibung des Bobic-PK-Verhaltens finde ich sehr genau auf den Punkt. Als "Attacke gegen die Bayern" kann ich das nicht so richtig gelten lassen. Das war dann wie der aufmüpfige Schwabe, der wütend mit dem Zeigefinger auf den Tisch klopft. Ich glaube, es war vor allem die Absicht irgendwie professionell zu wirken. Und selbstbewusst.

      Für mich sind die bis gestern noch so wichtigen Saisonziele fast schon obsolet. Kann doch keiner ernsthaft denken, dass "wir" jetzt gemeinsam so tun als sei nichts gewesen und kämpfen und jubeln. Wenn, dann nur ohne Kovac, ganz sicher nicht mit.

      Löschen
  3. Ich hab die ganze Zeit über gewartet, dass endlich mal in die Stimme irgendeines Beteiligten, ganz gleich wer, ein Feuer fährt - umsonst. Nichts. Bei Niemand.

    AntwortenLöschen
  4. Genau das. Auch jetzt: nix. Da glimmt nicht mal was. Null Emotion. Diszipliniert oder shice egal - mer waas es net ;-). Das ist dann wohl die annoncierte Fokusierung.

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Die nächste Strophe vom alten Reisbrei

Am Samstagabend höre ich im ZDF Sportstudio die Vorankündigung für das Spiel am Sonntag im Waldstadion. „Hannover kann morgen auf den zweiten Tabellenplatz vorstoßen“, verkündet Katrin Müller-Hohenstein. Tatsächlich? Was Sie nicht sagen. Und die Eintracht? Hey – hallo, das ist unser Heimspiel, und wir werden es gewinnen, weil nämlich dann wir es sein werden, die zu Hannover und zur Spitzengruppe aufschließen. Capisce? Und tatsächlich. So machen wir es. Impressionen vom Spiel: Patrick Ochs, der in der ersten halben Stunde auf der rechten Seite herum mannövert als habe er tatsächlich vor, was er vorher verkündet hatte: Sich festbeißen – und von dem in der zweiten Halbzeit nichts mehr zu sehen ist. Halil Altintop, der (auch in seinem eigenen Sinn) zur Halbzeit hätte ausgewechselt werden müssen, und von seinem Trainer, der voll hinter ihm steht, eine viertel Stunde vor dem Ende zum Abschuss freigegeben und – sichtlich um Fassung bemüht – regelrecht vom Platz gepfiffen wird. (Ja, ja.

Kleines Fußball-ABC - Heute "U" wie "Unterschiedsspieler"

Unterschiedsspieler, der (pl. (selten die); fußballneudeutsch für einen Spieler, der – wie der Name schon sagt – den Unterschied machen und ein Spiel entscheiden kann. Bsp .    → Rebic, Ante (Eintracht Frankfurt) , der in der ersten Runde des DFB-Pokals 2019/20 “ den aufmüpfigen Drittligisten Waldhof Mannheim quasi alleine in die Knie zwang. “ In der Regel ist der → Unterschiedsspieler ein Offensivspieler, aber auch Defensivspieler „mit einer starken Technik und einem guten Gespür für Räume imOffensivspiel“  können Unterschiedsspieler sein  -   Bsp.   → Baumgartner, Christoph TSG Hoffenhei m) , → Kimmich, Joshua (FC Bayern München) oder  →Kostic, Filip (Eintracht Frankfurt), der für seinen Trainer →Adi Hütter derzeit „der absoluteUnterschiedsspieler“ ist. Auch Torhüter  können den Unterschied machen ( Bsp. Neuer, Manuel, FC Bayern München ), was als Beleg dafür gelten kann, dass auch Spieler, die nicht der Mannschaft von →Eintracht Frankfurt angehören, →Unterschiedsspieler sein kö

Hans-Dieter "Fips" Wacker - ein Fußballerleben

Es ist ein paar Monate her, dass ich für diesen Blog im „Kleinen Fußball-ABC“ einen eher satirisch gefärbten Beitrag zum Thema  Nachwuchstalente verfasst habe. Es war Kid Klappergass, der das Thema in einem Kommentar in ernsthaftere Bahnen führte: Es gebe nicht viele große Eintracht-Talente, denen er nachtrauere, aber eines davon sei ganz gewiss Fips Wacker. Fips Wacker? Diesen Namen hatte ich noch nie gehört und machte mich auf die Suche nach ein paar Informationen. Es war nicht viel, was ich im Netz aufstöbern konnte – aber was ich fand, machte mich neugierig. Die „Spur“ führte zum Heimatverein von Fips Wacker, der SKV Büttelborn und wie es der Zufall so will: Einige Wochen später sollte in Büttelborn ein Spiel der Alten Herren – der  Old Boys   gegen die Eintracht-Traditionsmannschaft ausgetragen werden. Wenn für Hans-Dieter Wacker alles so gelaufen wäre, wie es hätte laufen können, hätte er in diesem Spiel vielleicht eine Halbzeit lang für die Eintracht und eine für den SKV auf de