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Die neue Leichtigkeit des Eintracht-Seins

Eigentlich war es viel zu heiß.  Schwimmen. Im Schatten sitzen und lesen. Yep.  Zwei Stunden in der prallen Sonne im Stadion stehen? Nicht wirklich verlockend.  So ist das manchmal - wenn man am wenigsten damit rechnet, passieren die schönsten Dinge. Jedenfalls: Gut, dass ich mich nicht habe abschrecken lassen,  an diesem 31. August 2024 beim Spiel der Eintracbt gegen Hoffenheim. Gut, dass ich da war!

Um der gestopft vollen S-Bahn zu entgehen, fahre ich - ganz gegen meine Gewohnheit - früher los, sitze eine dreiviertel Stunde vor Anpfiff mit einer Bratwurst im Schatten hinter der Haupttribüne und freu mich. Hier ein Hallo, da ein Gude und im Block dann herzliche Begrüßung mit den langjährigen Mitstreiter*innen. Es war für einige von uns kein so ganz einfacher Sommer - Abschiede, Trennungen -, aber da sind wir wieder - immer noch, immer noch da. Die Erwartungen sind positiv ("Klar, dass wir heute gewinnen..."), aber nicht überschwänglich euphorisch. Die Neuen? Theate - hat mich bereits voll überzeugt, mag den. Kristensen - stark und sehr präsent. Matanovic, Uzun... Die können was werden. Toppmöller - ok, ich muss ihn nicht lieben, we'll see about that. Marmoush - was für ein Glück, dass er uns erhalten bleibt  - da sind wir uns alle einig und an diesen Satz werden wir uns später noch mehrfach erinnern. Kollektive Verwunderung, dass Kevin Trapp nicht im Aufgebot der Nationalmannschaft steht. Was soll das? Mmh.

Zum Europalied flimmern Bilder von Egon Stein und Ronny Borchers über den Videowürfel. Ich singe so laut ich kann und den Kloß im Hals weg. Menschenskinners... wie traurig. Disco-Ronny. Fare thee well.

Anpfiff. Schon nach wenigen Minuten ist klar, dass das hier heute nichts zu tun haben wird, mit dem faden Ballgeschiebe der letzten Saison. Es ist heiß, aber alle sind wach, munter, leicht - Spielfreude auf dem Platz und Zuversicht in den Blocks. Die West laut wie immer, die Stimmung insgesamt... ja wie? Freudig. Freudig erregt, irgendwie. Keine hochgehypte Euphorie, keine Riesenanspannung, ein einträchtliches, erwartungsvolles Miteinander. Schön. 

Es ist heiß. Noch wird es eine halbe Stunde dauern bis die Sonne hinter dem Stadiondach verschwindet. Aber der Ball läuft. Über die Außen - wir haben wieder Außenbahnen, die der Rede wert sind. Nkounkou mit frischem Esprit auf links, Kristensen mit enormer körperlicher Präsenz  macht Dampf auf rechts. Ob rechts, ob links, ob durch die Mitte - wir kombinieren schnell, präzise  und (!) vertikal...  Ich glaube, so oft wie am Samstag waren wir die ganze letzte Saison nicht im Strafraum, sorry, in der Box. Und wir sind nicht nur einfach da, nein, wir suchen den Abschluss. Auch mal aus der zweiten Reihe, aber vor dem Tor eigentlich immer (Immer? Vermutlich nicht aber in meiner etwas verklärten Erinnerung kommt es mir so vor). Die Laufwege stimmen, da ist immer eine Anspielstation oder ein Spieler, der die Initiative ergreift. Vorneweg Hugo Ekitiké, der mit seinen dünnen langen Beinen  fast ein wenig körperlos-konfus wirkt und gleichzeitig  erstaunlich durchsetzungsfähig ist und eine gewisse unkonventionelle Eleganz ins Spiel bringt. Links, rechts, nochmal links, vorbei - wie war das jetzt? - jedenfalls  ist der Ball immer noch am Fuß. Strange.

Alle und alles überstrahlt an diesem Samstag aber einer: Omar Marmoush, der - so glaube ich es gesehen zu haben - das ganze Spiel über ein Lächeln im Gesicht hat. Er strahlt. Er rennt. Er gestaltet das Spiel. Ist immer da, wo ein Ball durchgestellt oder weitergeleitet werden muss oder wo einfach Platz ist, um selbst zu dribbeln. Die neue, ganz leicht zurüchängende Rolle macht ihn noch stärker, fördert seine Scorer-Qualitäten. Der Pass in den Lauf von Ekitiké zum 1:0 - erste Sahne. Auch das 2:0 wird von Marmoush halb außen eingeleitet bevor Hugo 1 no look in den freien Raum auf Hugo 2 legt. Wow, wow, wow. Hoffentlich ist dieser Fußballzauber nicht nur eine Momentaufnahme. 

In der Halbzeitpause mache ich eine Kurve über den Eintracht-Shop (habe mich spontan in einen Sommerhut, der im Sale ist, verliebt - leider schon ausverkauft) und - logisch - zum Getränkestand. Sprudel ist aus, wird aber gerade wieder angeliefert. Brühwarm, egal, Hauptsache nass.

Zweite Halbzeit. Kramaric erzielt vor dem stillen und stummen Hoffenheimer Block das 2:1. Schrecksekund? Eher nicht. Wir sind uns alle sicher, dass wir uns davon nicht aus dem Konzept bringen lassen. Und so ist es dann auch.

Eben sage ich zu meiner Nebensitzerin, dass ich Hundertprozent sicher bin, dass Marmoush heute noch ein Tor macht. Und da passiert es auch schon. Götze sieht Marmoush, der halb links komplett frei steht.  Ein Zuckerpass, der direkt auf Omars Fuß landet. Ich sitze - bzw. in diesem Moment: stehe ich -  direkt auf Ballannahme-Höhe und sehe in Marmoushs Gesicht. Er ist total konzentriert, lässt sich Zeit, ein kurzer Schritt, legt den Ball nochmal ein Stückchen nach links. Er lächelt (wirklich!), er nimmt genau Maß, er will das Tor machen - und er macht es - Baumann versucht den Winkel zu verkürzen, aber der Bal zischt zwischen Baumann und Pfosten vorbei und schlägt links im Winkel ein. Wooooow!

Gestern habe ich noch gehadert (und werde es auch weiter tun), mit den immer neuen Gesichtern, dem ständigen Neuaufbau, der kurzen Verweildauer von Spielern, der Vermarktung von allem und jedem - heute, im Hier und Jetzt, ist mir das auf einmal Egal. Ein bisschen wie Schweben. Die neue Leichtigkeit. Lasst uns zuschauen, wie sie zaubern. 

Was für ein Auftakt. What a difference a day makes. Hatte ein mehr als zurückhaltendes Gefühl beim Gedanken an die neue Saison und jetzt, jetzt bin ich voller Vorfreude und will nicht über das nachdenken, was mir einträchtlich alles nicht gefällt. Es ist wie es ist, aber Fußball bleibt Fußball , Eintracht bleibt Eintracht - is so. Lass die Jungs mal machen - und mit Dino werde ich mich schon auch noch irgendwie arrangieren. Easy.

Wie das an glücklichen Tagen so ist - am Bahnhof erwische ich eine S-Bahn, die voll, aber nicht gestopft ist. Nass geschwitzt, aber voller Eintracht lande ich zuhause. Und auch mein Traum vom Eintracht-Sommerhütchen findet ein Happy-End. Eine liebe Eintracht-Freundin hat zwei - und eines bekomme ich. (Danke!!!) Dann kann ja nichts mehr schief gehen.

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