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Postfaktische Plantarfaszie mit geballter Faust

Der Himmel ist grau, es ist kühl, aber nicht kalt. Vor unserem Haus blinken ein paar Sternchen und das Haus unseres Nachbarn fluoresziert in allen Farben. Tatsächlich: Fast schon vierter Advent und das vorletzte Spiel vor der Winterpause:  Wolfsburg. Vorher nochmal ein paar geschnipselte Blicke auf das Heimspiel  gegen Hoffenheim, genauer gesagt: auf das Geschehen am Rande.

Schon seit längerer Zeit gibt es im Waldstadion animierte Bandenwerbung, in dieser Saison – so scheint es – nochmal deutlich verstärkt. Genau gegenüber von unserem Block rennt deshalb z.B.bei jedem Spiel in regelmäßigen Abständen ein schwarzer Hund von links nach rechts durchs Bild, scheinbar am Spielfeldrand entlang. Er wirbt (wenn ich mich nicht sehr täusche) für ein Produkt, das Rintin (oder so ähnlich) heißt.  Keine Ahnung, um was es sich dabei handelt.  Sehr schön ist auch die „Ihr könnt nach Hause fahren“-Werbung des Rhein-Main-Verkehrsverbundes – vor allem dann, wenn der Stadionsprecher gerade vorher verkündet hat, dass einige S-Bahn-Linien ausfallen.

Ein besonderes Highlight der Bannerwerbung hatte das Spiel gegen Hoffenheim parat: Werbebanner für den Film „Sing“, in dem offensichtlich ein singendes Schwein in einer Hauptrolle zu sehen ist und dementsprechend während des Spiels  immer wieder am rechten Rand der Gegentribüne, direkt neben der Eckfahne, auftauchte. Was immer das Schwein im Film auch tut, an der Bande hüpft und dreht es sich und reckt – jeweils am Schluss einer animinierten Sequenz -  seinen linken Arm mit geballter Faust nach oben. Vor der Bande auf dem Rasen wälzt sich ein Eintrachtler, hinter der Bande springen alle auf, schreien, schimpfen – und mittendrin erscheint das Schwein und droht mit der Faust. Auch eine Art Kommentar zum Geschehen auf dem Platz.

Steht auf, wenn ihr Adler seid – das ist ein Ruf, dem fast alle im Stadion gerne und bereitwillig folgen, wenn die West ihn intoniert. Der Ruf „Steh auf du Sau“ richtet sich hingegen  an einen Spieler der gegnerischen Mannschaft, der sich – nach allgemeiner Einschätzung – überflüssig, sinnfrei und theatralisch auf dem Boden wälzt. Nicht zu verwechseln, eigentlich. Ich bringe es trotzdem fertig  - nach dem ersten „Steh“ folge ich einem inneren Automatismus, springe auf und bin unter allgemeinem Gelächter der um mich herum Sitzenden  dann also die „Sau“, die aufgestanden ist.  Ich sehe mich schon als Witzfigur in einem satirischen Jahresrückblick. #Wieblödkannman sein #FrauenundFußball #wohlzumerstenmalimstadion. Möglicherweise hat mir das singende Schwein die Sinne vernebelt.

Jetzt aber ein neuer Spieltag mit neuen Geschichten. Dortmund holt mit zehn Mann in Hoffenheim in letzter Minute ein Unentschieden. Das ist gut für uns. Der HSV zementiert seinen Platz am Tabellenende. Das ist nicht gut für Heribert Bruchhagen. Gladbach schwankt sich weiter durch die Saison,  wohingegen Werder sich stabili- und Köln sich allmählich wieder neutralisiert.  Im Kicker lese ich, dass Leverkusens Lars Bender morgen  im Spiel gegen Ingolstadt nicht dabei sein wird – er hat einen „Riss in der Plantarfaszie“. (Aha!)  Und ich frage mich, warum wir uns Gedanken über das Postfaktische machen, wenn doch schon das Faktische alles dafür tut, möglichst sinnfrei daher zu kommen.

Gleich geht es los in Wolfsburg. Gacinovic hat Grippe, Meier war ebenfalls die Woche über nicht ganz fit und Chandler fehlt sowieso. Gut, dass wir  (Zitat Niko Kovac) „eine lange Bank haben“, aber nichts auf selbige schieben.  Es wird sich also schon jemand finden, der rechts hinten bzw. auf der rechten Außenbahn spielen kann. Hector?  Das Hauptinteresse bei der Pressekonferenz vor dem Spiel galt dem Aufruhr in Wolfsburg. Ist das gut für die Eintracht? Ist das schlecht?  Klare Antwort:  Kann sein, kann aber auch nicht sein. Also: Beides und je nachdem.  Sicher ist, dass ich mich dabei ertappe, dass ich nicht nur auf einen Sieg hoffe, sondern ihn regelrecht erwarte und innerlich bereits 32 Punkte auf unserem Konto notiert und Platz vier im Visier habe. Praefaktisch kommt mein Faktencheck also zu einem eindeutigen Ergebnis: Auswärtssieg und sonst gar nix!

Kommentare

  1. Fakt ist: verloren unnötig und gleichzeitig verdient. Ich war mir so sicher, dass wir dieses Jahr nicht mehr verlieren. Und wie so oft in solchen Situationen gebe ich mir eine gewisse Mitschuld. Mist. Ein singendes Schwein mit geballter Faust wär jetzt gut.

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    1. Ja, diese Niederlage war so vermeidbar wie verdient. Der beste Frankfurter war heute der Trainer nach dem Spiel. Niko Kovac war klasse.

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  2. Das freut mich, dass unser Trainer es zumindest für den Moment geschafft hat, auch dein - aus Guten Gründen - ja eher skeptisches Eintrachtler Herz zu erreichen. Ich stimme dir zu. Und vielleicht ist es ja außerhalb des Platzes wie auf dem Platz so, dass der wahre Prüfstand fürs Zusammenwachsen eher die Niederlagen sind als die Siege - und eher die (wie gestern) kleinen, doofen, letztlich "egaligen" Spiele als die wild dramatischen. Ich bin mir fast sicher, dass meine Liebe zur Eintracht durch manches elende 0:0 oder 0:1 in Kälte und Nieselregen gegen den VFL Bochum genauso gefestigt wurde, wie durch die spektakulär herausgespielten Siege von Bein, Falke, Möller und Yeboah.

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    1. Bei Fredi Bobic ging es mir übrigens nach dem Spiel wie dir mit Niko Kovac nur umgekehrt: Ich weiß jetzt wieder sehr sicher, dass ich mich mit ihm - aller Kontakte, Transfers und möglicher Cleverness zum Trotz - nie richtig anfreunden werde.

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  3. Habe weder Bobic noch Kovac danach gesehen oder gehört und zuvor auch das Spiel nicht verfolgt. Kann mich also absolut objektiv dazu äußern : - ) Meine Frage ist: kann das singende Schwein Elfmeter?

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  4. Und nochwas. Ein Schwein mit geballter FAUST? Ein Blick in den Großen Brehm lässt mich zweifeln. Allerdings ist geballte Paarhufe auch nicht so prickelnd. Hatte es vielleicht Hand-, Unsinn: Vorderhufschuhe an, das Schwein? Dann käme man aus der Nummer gerade noch so raus.

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    1. Jetzt musste ich doch wirklich noch mal schauen: Das Schwein läuft auf zwei Beinen und nur da hat es Paarhufe, seine Vorderbeine sind Arme mit Händen, die dann nadierlisch auch zur Faust geballt werden können.

      *singan* Wir werden euch besiegen schalalala (ballt innerlich die Faust)

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  5. Na gut. Faust also. Innerlich geballt. Und: IT HAPPENED!

    Herrgotta und Bartok scheinen ein phantastisches Duo abzugeben. War jetzt nicht alles wirklich gut, aber die Eintracht kann, völlig neu, ein Spiel auf Spitz & Knopf durch brillante Einzelleistungen in der Abteilung Attacke entscheiden. Wunderbar.

    Geht Weihnachten sub specie concordiae besser? Wohl kaum.

    Also, liebe Kerstin, Dir & Con-Aquila, allen Postern und Lesern schöne Weihnachtstage und ein gutes Jahr 2017, verbunden mit Dank für die immer wieder gern gelesenen Texte hier.

    Ihne Ihrn ak / Matthias

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    1. Genau so. Auch an schwächeren Tagen hat man das Gefühl, dass sie irgendwie "systemisch" dagegen halten und selbstbewusst genug sind, um zu wissen, dass fast jeder die technischen Fähigkeiten mitbringt, um im entscheidenden Moment das richtige zu tun. Das war wirklich auffallend - nicht nur in DER Szene - wie gut Hrgota und Barkok sich spielerisch verstehen. Man weiß ja, dass der beste Fußballer einer Mannschaft nix bringt, wenn er keinen Widerhall bei seinen Mitspielern findet. Und umgekehrt können Spieler sich wechselseitig eben auch zum "Blühen" bringen. Unglaublich dieser Junge, der ja auch bei seinen zwei Kurzeinsätzen zwischen Bremen und Mainz gezeigt hat, dass sein erster Treffer kein Zufall war. Er ist mutig, technisch schon sehr weit und - wichtig - auch physisch sehr stark - erinnert mich ein bisschen an Cent Tosun. Mensch, einer von uns! Das ist irgendwie noch das Tüpfelchen auf dem i dieser Hinrunde.

      Vierter. Baaah. Bin einfach nur froh und gespannt auf das, was die Eintracht uns im neuen Jahr beschert.

      Danke, lieber Matthias, fürs Hiersein, für deine anregenden Kommentare und die lieben Wünsche. Eine frohe und friedliche Zeit für dich und deine Familie und alles, alles Gute für dich (inklusive deines Rückens). Da die Einträge hier im zurückliegenden Jahr doch sehr spärlich waren, freuT es mich umsomehr, dass es trotzdem noch ein paar Leser und Postler gibt, die hier vorbeischauen :) Hach... So viele Texte am Rande (Schnipsel, Buchmesse, Spielberichte, Buch- und Kinotipps...) sind dieses Jahr leider von der Arbeit überollt worden und unvollendet geblieben, ich hoffe, dass ich das bald wieder verstetigen kann - einen Weihnachtseintrag wird es aber auf jeden Fall noch geben:)

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  6. Wie gut, dass das Schwein kein schwarzundweißes Trikot getragen hat und auch auch sonst keiner unserer Spieler Ähnlichkeit mit einem Schwein aufweist...

    http://m.11freunde.de/video/der-moment-dem-thiago-den-weihnachtsmann-auf-der-werbebande-fuer-einen-mitspieler-haelt

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    1. Hi hi ...
      Da kann man allerdings echt narret werden. Dann lieber nur noch No-look-Pässe : - )

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    2. Nuja, bei ausgereifter Matrix-Technologie kicken dann auch Nikoläuse und Schweine mit.

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