Sommer ist. Wann
fängt er an, wann hört er auf? Kann man so nicht sagen. Es ist ein Gefühl, in
das man allmählich hineingleitet und sich dann fallen lässt Das tägliche Leben
folgt einem eigenen Rhythmus, eine eigene Welt jedes Jahr wieder, scheinbar
endlos. Und doch spürt man gerade in den
intensivsten Momenten schon die nahende Veränderung. Die Farben verdichten sich
und glühen, es wird früher dunkel, die Nächte sind kühl und die
Eintracht-Neuigkeiten, werden dringlicher und schieben sich immer mehr in den
Vordergrund. Nur noch eine Woche bis zum Pokalspiel in Magedeburg. Irgendwann
wachst du auf, die Sonne scheint, alles ist wie immer, aber du weißt: Der
Sommer ist vorbei.
Noch ist es nicht so weit. Noch ist Sommer und ein Großteil
unseres Lebens spielt sich im Freien ab oder doch zumindest in Tuchfühlung.
Alle Fenster und die Türen zum Garten sind geöffnet. Immer. Abends sitzen wir
bis spät in die Nacht unterm Sternenhimmel, bei Regen unterm Dach mit den
Weinranken. Unsere schwarzundweiße Katze wandert – je nach Wetterlage - mit der Sonne oder mit
dem Schatten ums Haus – döst morgens unter dem Bänkchen vor der Haustür, liegt
Mittags unter einem Dach aus Sommerflieder auf dem Garagendach und Nachmittags
im Korbsessel hinter dem Haus oder im Schatten unter Nachbars Forsythie. Unser
Kater? Ist unterwegs. Immer. Mager, struppig und geschäftig. Zwischendurch sagt
er uns Bescheid, dass es ihm gut geht – er maunzt auf all seinen Wegen. Abends,
wenn wir draußen sitzen, macht er einen längeren Zwischenstopp, lässt sich streicheln,
bringt uns eine Maus, frisst zwei, drei große Näpfe und schläft – je nach
Erschöpfungsgrad – auch mal eine Runde.
Sommer heißt für uns – saisonal bedingt - auch immer: Arbeit,
viel Arbeit. Ich verbringe meine Tage am PC, häufig bis spät abends – bei
offenem Fenster, natürlich. Kurze
Stippvisiten in den Garten. Durchatmen. Oder besser: Luft ablassen. Eine Runde
mit dem Rad. Kurz mal ins Schwimmbad im Nachbarort. Von fern maunzt der Kater.
Die konzentrierte, in enge Zeitpläne eingetaktete Arbeit des Tages steht in
merkwürdigem Kontrast zur Zeitlosigkeit der Abende und Nächte und doch fügt das
eine sich nahtlos ins andere.
Sommer ist Urlaub. Nach und nach fahren alle Freunde,
Bekannte, Kunden weg und kommen wieder. Wir bleiben und ich betrachte Bildergalerien
in Facebook: Rumänien, die Ukraine, Kroatien, England, Savoyen, Bayern, die Algarve, Paris, die Nordsee, Thailand, die
Türkei, Spanien, Island. Schiffstouren. Wandertouren. Standurlaub.
Die Sommernacht auf dem Land hat eigene Geräusche. Frösche: quaken.
Grillen: zirpen. Der Igel raschelt am Teich. Die Fische springen. Platsch. Leise
Musik und Wortfetzen von irgendeinem Fest im Nachbarort oder durch ein geöffnetes
Fenster. Das Geräusch von Mähdreschern,
das bis spät in die Nacht von den Äckern in unseren Garten weht. Heu machen
solange die Sonne scheint bzw. so lange das trockene Wetter anhält. Schon sehr
früh am Morgen kräht der Hahn in Nachbars Garten.
Der Sommer, der für viele kein richtiger Sommer war,
war - zumindest hier bei uns im Hinterland
– ein Sommer voller Himmel. Weit und wild. Blau. Grau. Dicke Wolkenformationen.
Weiß und schwarz. Manchmal auch rot.
Eine Autofahrt über die Dörfer ist wie ein Bilderrausch. Immer wieder neue Bildausschnitte und
Formationen über dem weiten Land, den abgemähten Äckern, den Weinbergen.
Wattebäusche. Schmale Wolkenstreifen, die einem in den Himmel hineinzuziehen scheinen. Die Sonne, die durch die Wolken, einen
Teil der Äcker in unwirkliches Licht taucht. Kirchturmspitzen zwischen schmalen blauen
Streifen und fantastischen Wolkengebilden. Ein endloser Horizont.
Sommer ist, wenn die Sonne scheint? Für mich ist Sommer auch dann, wenn es
regnet. Manchmal noch sommeriger als in der Sonne. Ich sitze und schaue. Laufe
durch den Regen. Liebe den Wind. Alles ist grün und blüht. Weniger schön: Im
Garten schießt das Unkraut in nicht mehr zu bändigende Höhen. Und leider gibt
es noch jemanden der sich am Regen erfreut: Die gefrässigen Nacktschnecken
lassen unseren Salat- und Gemüsepflänzchen keine Chance. Immerhin: Die Blumen halten
durch und blühen um die Wette: Sonnenblumen, Zinnien, Levkojen, Mohn,
Kornblumen, Malven, Trichterwinden. Unseren Salat ernten wir dann eben im Hochbeet.
Leben und Leben lassen.
Bedeckter Himmel am Sternschnuppentag – ooooch, dieses Jahr also keine Schnuppen. Aber
wie beim Fußball (oder Hockey…), wenn ein Spiel kurz vor Abpfiff eigentlich
schon verloren ist, gilt auch hier: Eine
Chance hat man immer noch. In der nächsten Nacht ist es klar und – wutsch – da
ist auch schon eine. Ich wünsch mir was.
Sommer ist weitgehend mit ohne Fußball. Das Transfergeschehen, die
Eintracht. Infos, Gerüchte. Testspiele ziehen sich als rotundschwarze Tupfen
durch den Tag, sorgen kurzfristig für Gefühlsaufwallungen (Das gibt’s doch
nicht… Verstehst du das…? Das kann doch jetzt wirklich nicht sein...?) und versinken wieder im
rotundschwarzen Nebel. Die Sterne über
uns blinken.
Trends aus dem Schwimmbad? Bitte sehr:
Noch und noch und immer mehr Tatoos. Selten einzeln, sondern meistens viel und
überall, aber vorwiegend am Oberkörper – beide Arme, der Rücken, sehr gerne am
Hals. Bei Männern, aber auch bei Frauen. Häufig paarweise.
Die im letzten Jahr noch angesagte Schwimmshorts für Frauen
ist wieder auf dem Rückmarsch, stattdessen erlebt der Bikini eine
Renaissance - quer über alle
Altersgruppen und Figuren hinweg. Bei
Männern: Je älter, desto knapper die Badehose. Ein nicht unbedingt erfreulicher
Anblick.
Ebenfalls schwer im Kommen: Der portable Sonnenschutz –
kleine Zelte, Dächer, ambulante Schirme. Noch vereinzelt: Der Liegestuhl mit Sonnendach über dem Kopf.
Sind 25 Grad Wassertemperatur kalt oder warm? Kleines Mädchen zu seiner Mama: „Also ich
habe schon viel gefühlt. Aber so was…“ Mama (mit erkennbarem haut gout) : „Tja,
das hier ist eben nicht Thailand…“ Tja. So was.
Sommer ist auch die Zeit der Ausflüge und Konzerte. Der
Rhein glitzert in den Sonnenstrahlen, die sich durch die dicken schwarzen
Wolken gekämpft haben. Die wilden Farbwelten in Emil Noldes Bildern vomnorddeutschen Himmel vermischen sich mit dem Sommerhimmel über Rheinhessen.
Schaafherden im Odenwald. Glen Hansard überrascht uns beim Konzert in der Zitadelle in Mainz und inspiriert uns die „Commitments“ (großartig!) und „Once“ (sehr, sehr anrührend) noch einmal anzuschauen. Cat Power irritiert uns in Darmstadt. Und der eigentlich von mir sehr geschätzte und echt sympathische Frank Turner geht uns mit seiner übermäßig guten Laune gelinde gesagt ein bisschen auf den
Senkel. „Punk mit Frank“ dichtet mein Mit-Adler.
Das ewig Andere ist die wunderbaren Patti Smith im Palmengarten. Klug,
pathetisch, kindlich, voller Würde und Hoffnung. Von William Blake über Jerry
Garcia zum Wiener Schnitzel. Was bei jedem anderen peinlich wäre, ist bei ihr
anmutig und stark.
Die olympischen Spiele, die man von rechtswegen eigentlich
ignorieren sollte, fügen sich in die Sommertage. Irgendwann abends klinken wir
uns in die Liveübertragungen ein und fiebern bei Sportarten mit, die sonst im
Fernsehen eher selten auftauchen. Zwischendurch zappen wir uns durch die
Zusammenfassung der Schwimm- und Leichtathletik-Ereignisse aus der vorhergehenden
Nacht, die wir morgens aufgenommen haben. Die Zeitebenen verschwimmen, das
Ereignishafte des Ereignisses tritt in den Hintergrund. Merkwürdiges Phänomen
in einer Zeit, in der die Aktualität der Ereignisse sich normalerweise selbst
überholt. War gestern heute oder ist heute schon morgen? Mer waas es net.
Wie immer nehme ich aus
den Live-Reportagen viele spannende Anregungen fürs wirkliche Leben mit
der Eintracht mit.
Was sollte man tun, wenn Stillstand droht? Sich ein Beispiel an den Turnern nehmen. Die
haben nämlich ein „Center of Excellence, in dem die Experten immer neue Reize
sammeln, um noch besser zu werden.“ Nicht
schön ist dagegen, wenn angesichts der drohenden Niederlage bei der holländischen Beachvolleyballerin „die Kinnlade
auf dem orangefarbenen Trikot hängt.“ Das
kann unserer Siebenkämpferin nicht passieren, denn: „Sie holt sich ihr
Selbstvertrauen in Neuwied.“ Aha – da gibt es das also.
Und was ist, wenn es bei der Eintracht - trotz des grandiosen Siegs gegen Celta di Vigo im von der Steubing AG präsentierten
Finance-Cup gegen Celta di Vigo - in der kommenden Saison nicht so laufen
sollte wie erhofft? Dann sollten wir uns
daran erinnern, wie der deutsche Schwimmbundestrainer die nicht vorhandenen
Erfolge seiner Mannschaft messerscharf analysiert hat: „Die Ursachen sind breit
aufgestellt.“
Yep. Immer.
Schöne Beschwörung dessen, was Sommer ist oder sein kann; unverzichtbar dabei das Schnipselformat: so bleibt Luft, die Bilder auszumalen, zu variieren, sie in neuen Konstellationen zu formieren.
AntwortenLöschenUnd ja, die Perseiden. Normalerweise wandere ich Nacht, um sie zu begrüßen. Dieses Jahr, och nö, Himmel dicht. Und dann, nächste Nacht: Himmel strahlend klar. Also raus, Kopf ins Genick, Augen parallel gestellt, um einen großen Blickwinkel zu haben. Vier klare Leuchtspuren über das Firmament huschen sehen, absolut lautlos (was mich immer wieder neu überrascht), zwei von ihnen direkt in den Großen Wagen gezielt. Drei oder vier weitere peripher gesehen, was auch seinen Reiz hat: sie sind da und zugleich nicht, sehr diskret. Und wieder mal gestaunt bei der Vorstellung, dass ein sandkörchenkleines Stück Materie genug Energie hat, einen Strich über den ganzen Himmel zu machen.
Ein Bild der neuen Eintracht? Lautlosigkeit und Diskretion haben wir mit dem FG ja schon immer auf den Platz gebracht. Wenn jetzt noch vergleichbares Tempo dazu kommt und das gegnerische Tor quasi der Große Wagen ist - nicht auszudenken.
Freut mich sehr, dass die Schnipsel bei dir in genau in diesem Sinn angenommen. Ich habe schon mal überlegt, ob ich die Realismustheorie um eine Schnipseltheorie erweitern soll (...über die sinnkonstituierende Funktion des scheinbar Beliebigen... *gg) - aber hauptsächlich macht das Schnipseln einfach Spaß und es ist witzig wie es sich - auf Lücke - zum Ganzen formt.
LöschenGenau so wie du - wenn auch weniger sternenkundig - habe ich die Nach-Perseiden-Nacht verbracht. Es ist jedesmal wie ein Wunder. Die, die ich aus den Augenwinkeln sehe, traue ich mich immer nicht als Schnuppe zu reklamieren.
Lautlos und diskret sind nun allerdings zwei Begriffe, die mir am wenigsten zur Eintracht einfallen würden. Ok, der Fußballgott. Aber sonst... Mal sehen, welche Spuren wir am Sonntag in Magdeburg hinterlassen :)
... welche himmlischen Spuren wir am Sonntag in Magdeburg hinterlassen
LöschenSooo muss das natürlich heißen.
So, Zeit heute, himmlisch zu spuren. Sollte eigentlich Adlerdomäne sein, oder? Und da Medien und Verwaltungen zunehmend gern als selbsterfüllende Nostradamusse (?) funktionieren, kann man nur hoffen, dass der Erfolg der Eintracht heute in der Tat so gut wie hochsicher ist. Andiamo!
LöschenHimmlisch war das sicher nicht - aber andererseits eben auch nicht Schnuppe. Und die Nostradamusse (-usi? oder langes -us?) haben auch grad nochmal die Kurve gekriegt.
Löschen"Der Sommer ist vorbei." Und der Fußball geht los. Wobei: Manchmal soll ja schon mal was vorbei gewesen sein, ehe es angefangen hat. Und wenn der Deutsche Meister schon wieder vor der Saison feststeht, ist das vielleicht auch hier so.
AntwortenLöschenSchöne Schnipsel, Eindrücke und Gedanken.
Und ich muss nach Neuwied.
Und wieder besseres Wissen und trotzdem und immer wieder sind wir dabei und hoffen ganz im Geheimen, dass es dieses Mal dann doch alles ganz anders kommt. In Abwandlung von Berthold Brecht: Mir hat die letzte Saison nicht gefallen und ich bin skeptisch, was die neue bringt - warum warte ich trotzdem ungeduldig, dass es wieder losgeht.
LöschenSollte es eng werden, wissen wir jetzt jedenfalls, wo wir uns neuen Mut aufholen - vielleicht ja auch als Tipp für die Mannschaft in eventuellen Krisensituationen: Erstmal das Kinn aufs schwarzundweiße Trikot hängen lassen, dann im Center of Excellence neue Reize sammeln, im Zweifelsfall die Probleme einfach mal breit aufgestellt stehen lassen un stattdessen: Auf nach Neuwied.