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Indizienketten und Torschützenkönige

Heute also Leverkusen und - kaum zu glauben - schon wieder der letzte Spieltag einer Saison. Eine Saison, die in vielerlei Hinsicht merkwürdig war - manchmal nahm sie Fahrt auf, manchmal hatte ich das Gefühl, dass sie noch gar nicht richtig angefangen hat - und die mir trotzdem (oder gerade deshalb) als irgendwie besonders im Gedächtnis bleiben wird. Letztes Jahr war alles ein bisschen unwirklich, egal wie gut oder schlecht wir gespielt haben - jedes Spiel im Waldstadion war fast so etwas wie ein der Wirklichkeit entrücktes Erlebnis, überstrahlt von Europa. Dieses Jahr war real, manchmal vielleicht sogar zu real.  Mit allem, was bei der Eintracht zum Fußball gehört - inklusive Geknodder, Gegrummel, Zoff und Untergangsprophezeihungen. System oder kein System. Tore. Tore. Tore. Fehlpass-Chaos. Alleingänge. Fehlendes Mittelfeld. Machtspiele. PR-Maschine. Unzufriedenheit.  Alex. Stefan. "Joe". Verletzungen. Sonny Kittel. (Sonny!!!) Marc Stendera. Mein Lucas (ach jemine). Der unglaubliche Haris. Kapitäne.  Rückkehrer. Trainerlieblinge. Rauschende Siege. Fragezeichen. Herzkasper. Immer noch und noch eine Auswärtspleite. Interviews. Vorhersehbare Enttäuschungen. Unverhofftes Glück. 40 (41, 43?) Punkte. Tabellenplatz 12 (11, 10, 9, 8?).  Die einen reden von Spektakel, den anderen ist es langweilig. Was auch immer zutrifft - alle  "Indizien" (Heribert Bruchhagen) sprechen dafür, dass es eine gute Saison war.

War die zurückliegende Saison ein Umbruch oder war sie es nicht? Für mich auf jeden Fall. Wenn man schon eine Weile dabei ist, ist so eine Saison in der Erinnerung immer auch mit Lebensphasen und persönlichen Ereignissen verknüpft. Leben mit der Eintracht. Meine Saison 2014/15 war - so viel ist sicher -  wild und bunt, anstrengend, inspirierend, lebendig, überraschend und nach vorne gerichtet, Äußeres - hoho - Indiz: Vor der Saison bin ich DK-mäßig im Stadion umgezogen. Neue Rituale und Gewohnheiten. Näher an der West, näher bei lieben Adler-Freunden, jede Menge neue Adler-Bekanntschaften. Was ich erlebe ist mehr als ein Hauch von F-Block des alten Waldstadions - fachsimpeln, rumkäsen, leiden, jubeln. Alt, jung, mittelalt, einträchtlich vereint. Wunderbar. Also: Vom Stadion-Feeling her hatte ich die ganze Saison ein gutes Gefühl. Fußball ist manchmal ganz einfach.

Heute also Leverkusen. Und ich kann es nicht ändern: Ich bin hibbelisch und freu mich unglaublich auf dieses letzte Spiel der Saison. Während mein Mit-Adler, die arme Socke, in alter schwäbischer Verbundenheit heute zuhause vor dem Fernseher mit dem VFB zittert, habe ich ein fast feierliches Gefühl von Vorfreude. Neues Ungemach? Von mir aus morgen. Heute ist heute.Wieder eine Saison geschafft, weiter geht's.

Auch die neue Saison wirft bereits ihr Schatten - oder soll ich besser sagen: ihre ersten Lichtblicke - voraus. Mit Stefan Reinartz haben wir (Zitat Bruno Hübner) bereits den ersten  "Qualitätsspieler" verpflichtet. Das ist gut, denn dann passt er natürlich gut zu einem Qualitätsverein, in dem Qualitätsfuißball gespielt wird und der zudem über außerordentliche Fanqualität verfügt, demzufolge auch - unter rein qualitativen Gesichtspunkten - in der Lage ist qualitative hochwertige Spielzüge aufs Feld zu zaubern, sich mit unglaublicher Qualität reinzuhängen, um am Ende echte Feierqualitäten an den Tag zu legen und  ganz besonders einem qualitätsvollen Spieler zuzujubeln, der mit außerordentlicher Schussqualität in  dieser Saison insgesamt 19 Treffer erzielt hat.

Ein Adler-Freund hat mir heute morgen auf dem Anrufbeantworter von einem Traum erzählt, den er gestern Nacht hatte: Im heimischen Garten wurde ein Fußballspiel ausgetragen -  Bayern gegen Dortmund.Ingo stand mit auf dem Platz und war für die Bewachung von Robert Lewandowski zuständig. Ihm war heiß, er konnte nicht mehr, Atemnot -  aber er blieb seinem Gegenspieler immer auf den Fersen. Ob Lewandowski trotzdem einen Treffer erzielt hat? Wir wissen es nicht. Ich habe gestern Abend jedenfalls das meine getan und einige Pappen für eine Mini-Choreo gebastelt.

Jörn Andersen. Tony Yeboah. Alex Meier. Die Indizienlage ist eindeutig: Torschützenkönig und sonst gar nix!

Kommentare

  1. Schön, wie Begeisterung sich in Sprache mitteilen kann. Nicht nur inhaltlich.

    Fazit für heute: nicht schlecht, oder? Sieg gegen L'kusen und damit Ausbau der beeindruckenden Heimserie. 43 P. und 9. in der Tabelle. AM14FG: Großmeisterschütze, yeah. Und wann hat die Eintracht zuletzt 7 P. aus den letzten 3 Spielen geholt? Muss ziemlich lang her sein. Für mich eine komfortable, absolut relaxte Eintracht-Situation am Ende einer Saison. Und, ja: denke auch, dass Stefan Reinartz als Spieler und Persönlichkeit eine wirkliche Verstärkung sein kann.

    Auch der Mitadler dürfte froh und erleichtert sein, obwohl ich mich mit dem VfB als Absteiger ganz gut hätte arrangieren können. Besser jedenfalls als mit Freiburg, um die es mir schon ein wenig leid tut. Andererseits, VfB, Traditionsverein, auch okay. Mein Wunschabsteiger, der HSV (wg. galoppierenden Realitätsverlustes, Trainerverschleiss, Großkopfertheit etc.) - nun ja, kann noch werden. Früher hab ich sie sogar mal ganz gern gemocht.

    Es werden jetzt Analysen folgen, Bewertungen und daraus folgende Konsequenzen. Neue Spieler, auch, wichtiger aber: Arbeit an den Strukturen. Veränderungen stehen an, bald etwa schon im AR. Der Nachfolger des VV wird irgendwann ins Spiel kommen. Da kann man dem Verein nur gutes Händchen wünschen, Fortune. Mein persönlich größter Wunsch: raus aus dem Knebelvertrag und ein eigenes Stadion, das, wenn es auch über dem Main erbaut würde, nur Waldstadion heißen könnte - vermutlich Utopie. Na und? Als Eintrachtfan gilt ja doch sowas wie "jetzt erst recht".

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  2. Da war sie, die Begeisterung und da ist es auch schon, das Ungemach.

    Der Samstagnachmittag im Stadion war wunderbar. Wann haben wir zum letzten Mal so ein letztes Saisonspiel erlebt? Kann mich kaum erinnern, wann wir zum letzten Mal gewonnen haben. Dann ab Mitte der zweiten Hälfte das langsame Sich-Herausschälen der Krönungsfeierlichkeiten. Das war witzig, ein bisschen schräg, emotional - Eintracht! Die Gesänge. Der Jubel. Alex auf dem Platz. Schmal, ein wenig verlegen ob der Euphorie und Aufmerksamkeit, selbstbewusst, aufrecht, in sich gefestigt - er ist der geblieben, der er immer war.. Hasn't changed much. Inmitten des Jubels waren das sehr anrührende, sehr tief gehende Momente. Etwas was bleibt - nicht nur in den Annalen der Eintracht, sondern auch im Herzen.

    Und das, was jetzt kommt? Wer immer an den Strukturen und Veränderungen arbeiten wird - ich war und bin mir - schon vor der Meldung im Kicker - ziemlich sicher, dass wir nicht mit Thomas Schaaf als Trainer in die neue Saison gehen werden. Wer auch immer mit welchen Zielen auch immer am Rad gedreht hat - er wird, wie schon nach wenigen Wochen der zurückliegenden Saison absehbar war - am Ende recht behalten. Auch hier spricht die Indizienkette auf den letzten Metern eine deutliche Sprache: Schaaf war (wenn ich das richtig beobachtet habe) nicht mit in der Kurve, war nicht bei der Mannschaft, die das Transparent trug - es war fast so als hätten wir keinen Trainer, seine Interviews waren sehr zurückhaltend, die Statements der Eintracht-Verantwortlichen sind verbindlich und "Brücke-bauend", die lokale Presse schlägt moderate Töne an - so, wie man das macht, wenn man das seine dazu getan hat, dass ein Thema durch ist.

    Nach wie vor kann ich nicht beurteilen, ob die innervereins- und innermannschaftliche Situation tatsächlich so dramatisch ist/war, dass sie die Vorgehensweise rechtfertigt. Mag sein, dass ein anderer Trainer, eine andere Konstellation (= es geht ja nicht vorrangig um Schaaf) besser für die Eintracht ist. Ich weiß es nicht. Was ich weiß, ist: So wie diese Geschichte gelaufen ist bzw. gelaufen sein wird - das war und ist nicht in Ordnung.

    PS: Mit-Adler erleichtert - yep. Und dass es am Ende die Freiburger doch noch geschrägt hat - sehr, sehr bitter! Der HSV? Ich bin zwiegespalten. Eigentlich mag (mochte) ich die. Aber irgendwie wäre es wohl wirklich an der Zeit.


    Ich war mir nach dem Spiel sicher, dass

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  3. Indizien, Intrigen, Indizintrigen, indizierte Intrigen, intrigante Indizien, iI, ii, iiiieh.

    Goy

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  4. Genau so. Wenn nicht noch schlimmer.

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