3:2 gegen den 1. FC Köln. 3:4 gegen den VB Stuttgart. 5:2
gegen Werder Bremen. 4:4 gegen Hertha BSC. Vor Überschwang abheben oder sich
über die krassen Abwehrfehler ärgern?
Kein Problem: Ich kann beides.
Vor dem Spiel
Heute will ich es wirklich und wahrhaftig schaffen und mich zum
letzten Heimspiel der Hinrunde rechtzeitig auf in Richtung Frankfurt zu machen. Will noch
ein weiteres Ultra-Bändchen ergattern, im Museum vorbeischauen. Um 5 Uhr weiß ich: Aus dem früh los Kommen wird
auch heute nichts. Bis kurz nach sechs sitze ich am PC, dann nix wie rein in
die Eintracht-Klamotten – DK, Handy – ab ins Auto. Bin gleichzeitig übermüdet
und überdreht. Die Nacht ist dunkel. Feierabendverkehrschaos auf der Autobahn.
Die Lichter blinken. Der Regen fällt. Ächz.
Um viertel nach 7 parke ich an der Mörfelder Landstraße, krame nach meiner Jacke.
Wumms. Das vor mir einparkende Auto ist beim Zurücksetzen auf meinem Auto
gelandet. Der – sehr nette – junge
Offenbacher Adler ist untröstlich. Halb so wild. Wir tauschen die Adressen. Ich
hechele los.
Im Herzen von Europa
Vor den letztem Spielen hatte ich ein bebildertes Europalied
zur Einstimmung hier in den Blog gestellt. Jetzt steige ich genau in dem Moment, in dem das Lied
intoniert wird, die Stufen zum Block hoch. Fahnen, Schals, der vielstimmige Chor der feierlich und ein
wenig schief durchs Stadion schwappt. Nie wird das anders sein. Habe
einen Kloß im Hals vor Glück. Vielleicht ist es aber auch nur die
Erschöpfung ,-)
20. Minute
Die Eintracht ist furios ins Spiel gestartet. Ein
Abseitstor. Eine wunderbar von Russ herausgespielte Chance, die Alex Meier
verzieht. Nur noch eine Frage der Zeit
bis das erste Tor fällt.
40. Minute
Fassungslosigkeit.
Hilfloses Gekichere. Hä? Was ist da passiert? Ein falscher Film, der da
gerade abläuft und mich echt auf dem falschen Fuß erwischt. Nie, nie hatte ich
mit so was gerechnet. Wahrscheinlich bin ich grad gar nicht hier, sondern liege
zuhause im Bett und träume. Aber der
Videowürfel kennt kein Erbarmen: Die Stadionstatistik vermeldet 74 Prozent
Ballbesitz der Eintracht, der Spielstand ist 0:3. Und wie die Tore gefallen sind – unglaublich.
Slapstick. Jeder Schuss ein Treffer.
Sobald ein Herthaner zum Freistoß oder Eckball antritt: Tor. Unsere
Hintermannschaft: Interessierte Zuschauer. Drei Tore sind ein dickes Brett. Ob
wir das tatsächlich noch mal rumbiegen können? Vielleicht, wenn vor der Pause
noch ein...
42. Minute
… .Toooor. Da ist es. Da ist er, der Anschluss. Der mit einem unbändigen Willen ausgestattete
Haris Seferovic passt auf den nicht minder kampfstarken Stefan Aigner. Der
trifft aus fünf, sechs Metern. Und dann ist Halbzeit. Eintracht, Eintracht, schallt es durch
den Wald. Da geht noch was.
Halbzeit
Kurzes Zwiegespräch mit lieben Adler-Freunden im Block.
Nicht unser Tag heute: Nicole war nach der Arbeit mit ihrem Auto eine Stunde lang in der Tiefgarage
eingeschlossen, Rosa im Regen an einer Straßenbahnhaltestelle gestrandet. Kurz vor knapp haben sie es dann grade noch
ins Stadion geschafft. Hey, komm. Wird schon. Jetzt erst recht. Wir drehen das Ding noch.
50. Minute
Wildentschlossen kommt die Mannschaft aus der Kabine. Der Anschlusstreffer in der 53. Minute: Wunderbare Flanke von
Takashi Inui, die butterweich auf den Kopf von Seferovic fällt. Jetzt, jetzt
packen wir sie. Die Herthaner stehen sehr tief, lauern auf Konter. Die Eintracht bemüht sich geduldig zu sein,
das Spiel aufzubauen. Ruhig. Ruhig. Noch
haben wir eine halbe Stunde Zeit. Das Spiel wird nicklig. Die Herthaner haben
Zeit, logisch. Immer mal wieder wälzt sich ein Berliner auf dem Rasen.
Sanitäter eilen herbei. Weiter geht’s. Der Aufholschwung verebbt. Bei der
Eintracht häufen sich die Fehler. Von
Alex Meier ist heute überhaupt nichts zu sehen. Wenn Seferovic trifft, trifft
meistens auch Meier. Wenn Meier trifft, verlieren wir so gut wie nie. Was einem halt so alles durch den Kopf geht. Mmh.
Und dann doch die ersten Anzeichen von Resignation. Irgendwie,
irgendwie schwindet allmählich der Glaube, dass das heute noch klappen wird.
Auf dem Platz, auf den Rängen. Die
Stimmung wird aggressiver. Ronny, der direkt vor uns seine Eckstöße
schießt, wird von einem Trupp im Nachbarblock übelst beschimpft. Nicht schön.
Er beschwert sich beim Schiedsrichter. Pfiffe gellen durchs Stadion.
78. Minute
Noch zwölf Minuten. Schweißausbruch jedes Mal, wenn ein
Herthaner sich unserem Strafraum nähert. Oczipka, der einem Berliner den Ball kurz vor unserem Strafraum direkt in
den Lauf spitzelt. Hilfe. Anderson,
Ozcipka, Hasebe, Chandler, Madlung – bloß nicht zu heftig hingehen. Sie fallen
leicht. Bloß kein weiterer Freistoß.
Dann doch. Genau in dem Moment, in dem Ben-Hatira zum Freistoß antritt, ist klar:
Jetzt fällt das 4:2. Wie in Zeitlupe sehe ich unsere Abwehrreihe, die eine Art
Laien-Ballett aufzuführen scheint – alle in einer Reihe, zaghafte
Hüpfbewegungen, mehr oder weniger elegante Armbewegungen. 4:2. Resigniert trabt die Mannschaft zum Anstoß. Erschöpft hängen wir
in unseren Sitzen. Der Adrenalinpegel sackt nach unten. Die Luft ist raus. Der Stecker gezogen. Ok. Heute
also kein Wunder. Die
Abwanderungsbewegung aus dem Stadion setzt ein. Wegwerfende Handbewegung. „Des wird heut nix mehr.“ Mag sein. Aber
deswegen vorher das Stadion verlassen? Never.
90. Minute
Das Spiel plätschert sich durch die letzten Minuten. Ecke. Kurzes Aufbäumen. Absacken. Hat keinen
Zweck. Is ja gleich rum. Oder
doch nicht? It ain’t over till the fat Lady sings. Inui flankt von links. Ich sehe Alex
Meier steigen. Sehe, dass der Ball
kommt. Er köpft. Meier. Meier. Meier. Drin. Der Ball ist drin. Ich reiße kurz die
Arme in die Luft. Kann nicht jubeln, Stimme weg. Mir wackeln die Beine, habe
die Hände vor dem Gesicht. Stehe einfach
nur da. Schüttele den Kopf. Rund um mich
Schreie, Kreischen, wildes Gestikulieren. Ich: Still. Was ist das? Ergriffenheit? Schockstarre?
Meier schnappt sich
den Ball. 5 Minuten Nachspielzeit verkündet
der Stadionsprecher. Ich fühle mich zittrig und plötzlich spüre ich sie: eine große,
stille Zuversicht. Ich weiß, tatsächlich,
ich weiß es: Das Tor wird noch fallen. Alles steht. „Wenn Meier trifft, dann verlieren wir nicht…“
sage ich zu meiner Sitznachbarin und genau in diesem Moment, setzt die Torfanfare ein. Tooor, Tooor. Tooor. Hüpfen. Schreien. Lachen. Kopfschütteln. Was
für eine Mannschaft. Was für ein Meier. Das gibt’s doch alles gar nicht. Doch. Bei uns.
Nach dem Spiel
Der Abend hat für mich noch einen weiteren Glücksmoment
bereit. Ich lehne an der Bande. Die Mannschaft ist mit Säcken voller Geschenke im Stadionrund unterwegs. Dieses Jahr zum Glück ohne Pseudo-"Eure Begeisterung ist unser Antrieb"-Marketing-Banner. Alex Meier mit Weihnachtsmannmütze – nie trug sie
jemand mit größerer Berechtigung. Makoto Hasebe
kommt in unsere Ecke, wirft – ja, was ist das? T-Shirts, aaah ja - mit Schwung in die Ränge. Hände
schnellen nach oben. Meine auch. Hurra. Ich bekomme ein Shirt zu fassen. Aber da
sind noch mehr Hände, die greifen, zerren, ziehen. „Ich hab eins“, schreit ein baumlanger Typ, der hinter
mir steht und mich fast zerquetscht.
***Wie im Zeitraffer
schießt mir eine Geschichte durch den
Kopf, die Andreas Maier einmal aufgeschrieben hat: Als kleiner Junge stand er ab und
zu im G-Blog, ein dünner, schüchterner etwas merkwürdiger kleiner Bub und
glühender Eintracht-Fan. Nach dem Spiel. Die Mannschaft stellt sich vor die
Fankurve und schießt Bälle in die Kurve. Tatsächlich. Der kleine Andreas
bekommt einen Ball zu fassen. Hat ihn. Kann sein Glück kaum fassen. Da kommt von hinten ein dicker, großer
Eintrachtler mit Kutte, reißt ihm den Ball wortlos aus der Hand. Geht. Der Bub, der Andreas Maier war, steht bedröppelt und mit leeren Händen da. Aus.***
Ganz, ganz fest umklammere ich das Stück Stoff, das ich jetzt und hier in
der Hand halte. Es ist kindisch, albern, ich weiß, aber – nein, nein, nein – dieses
Shirt gebe ich nicht mehr her. Meins! Der Griff des Anderen lockert sich, er
lässt los. Glückselig wie ein kleines Mädchen stapfe ich mit meinem
Eintracht-Weihnachts-T-Shirt zurück zum Auto.
*William Shakespeare: Hamlet
*William Shakespeare: Hamlet
Was ein D r a m a / Spiel.
AntwortenLöschenUnsere Eintracht. :-)
Danke für die (wie immer) schöne Beschreibung des (nicht direkt unüblichen) Gefühlskarussels!
Nicht direkt unüblich. Stimmt :)
AntwortenLöschenOh je, der arme Andreas Maier, das ist ja fies :(. Aber ist ja heute noch so. Rosa wird auch immer gern mal weggeschubst bei solchen Aktionen.
AntwortenLöschenGut, dass du das Shirt so festgehalten hast. Das musste jetzt einfach mal sein. Hast du dir verdient!
Tja, was für ein Abend. Ich war mal wieder fix und fertig. Bin fast froh, dass ich das Spiel heute vom heimischen Sofa gucken kann ;-)
LG Nicole
Manchmal ist Fortuna eben doch nicht so blind wie es Justitia sein sollte: Das Trikot hat die richtige Besitzerin gefunden. Mit dir, die immer an die Mannschaft glaubt und darauf vertraut, dass es besser und irgendwann sogar richtig gut wird!
AntwortenLöschenIch freue mich, dass dein Glauben und dein Vertrauen im letzten Drittel dieser Hinrunde reich belohnt wurden. Und ich bin froh, dass das von mir Befürchtete nicht eingetreten ist.