Gestern spät abends,
irgendwann gegen 11 Uhr als ich durch den Wald Richtung Parkplatz gestapft bin,
hat es Klick bei mir gemacht. Gerade habe ich mich von meinen Adler-Freunden verabschiedet. Umarmung. Schulterklopfen. Alla, bis dann. Meine Beine sind schwer. Die Schuhe quietschen (sie sind wohl nicht ganz
dicht - das haben sie mit manch anderem gemeinsam, aber in
diesem Fall trifft es mich ganz besonders): Meine Füsse sind nass. Der Regen
nieselt. In mir grummelt es. Ist es das Spiel, das ich eben im Stadion gesehen habe oder mein Magen? Ich habe
Hunger. Und da, auf einmal, als ich kurz
vorm Auto bin, passiert es, schlagartig: Mein Kopf und mein Herz sind klar, ganz klar.
Okay, so ist das jetzt also mit dieser Saison, denke ich.
Mit großen Hoffnungen gestartet. Auf neue Höhenflüge gehofft. Die ersten
Scharmützel ausgetragen. Ein
deprimierend schwaches Spiel gegen Augsburg. Das Meier-„Comeback“. Den
Anfangsschwierigkeiten nicht so viel Wert beigemessen. Vertrauen in den
Trainer. Stille Hoffnung darauf, dass der Moment kommt, an dem der Knoten platzt, an
dem Lucaaaaas oder Vaclav oder Marc oder Sonny oder David
oder Joel oder Eric oder Oder einfach so und aus dem Stand die Liga aufmischen.
Überraschende Punkte in Wolfsburg, auf Schalke, kuriose Siege gegen Hamburg und Köln, überflüssige Punktverluste gegen Paderborn. Immer noch und noch ein Verletzter. Ein Trainer, der keine
Funken sprüht, aber so ist, wie er ist und das ist doch auch schon mal was. Die zunehmend kritische Stimmung im
Eintracht-Umfeld, die mich nervt und wütend macht. Gibt es das wirklich? Die Eintracht als humorfreie
Zone. Gefühlschaos gegen den VFB. Blöde Dischbediererei. Mein Hadern mit denen,
die es „schon immer gewusst haben“. Erinnerungen
an die letzten Monate mit Friedhelm Funkel. Mein immer wieder neu gestarteter
Versuch, nach oben zu denken. Der dringliche Wunsch, recht zu behalten und es
allen zu zeigen, die recht behalten wollen.
Jetzt also das Pokal-Aus gegen Gladbach, in einem Spiel, bei dem kaum so
etwas wie Pokalstimmung im Stadion zu spüren war. Zu deutlich überlegen die Gladbacher (was für
eine feine Mannschaft), zu blutleer wie die Eintracht sich wehrte (die
Formulierung „sich gegen die Niederlage stemmte“ will mir nicht so recht über die Lippen). Nur in den ersten zehn Minuten und dann wieder
kurz vor Schluss, als sie das
System-Gehirn ausgeschaltet haben, gab es auch
einmal ein paar Ballstafetten. Unsere beiden Außenverteidiger waren einmal mehr und fast durchweg überfordert. Die Erkenntnis, dass Aigner eben doch noch
nicht wieder so weit ist, Stendera sehr
gute Ansätze zeigt, die erwartet guten Freistöße serviert, aber kein aus-dem-Stand-Überflieger ist, Wiedwald einen guten Job macht,
Schaaf es vielleicht doch öfter mal mit Kadlec probieren sollte und die
Verletzungen doch nicht so einfach kompensiert werden können. Was einem eben alles so durch den Kopf rauscht,
wenn man durchnässt und übermüdet im Stadion sitzt und schon ziemlich früh klar ist,
dass da heute nichts zu holen sein wird.
Und dann also, plötzlich: Klarheit. Jetzt, genau jetzt, habe ich sie gefunden,
meine Einstellung zu dieser Saison. Geerdet. Wir werden in dieser Runde keine
Bäume ausreißen, aber mit ein bisschen Glück, der einen oder anderen
Verstärkung und den nach und nach zurückkehrenden Verletzen eine am Ende
irgendwie ganz ordentliche Saison spielen. Kein Schielen nach oben – Punkte sammeln
wo immer und wie auch immer es geht. Kämpfen. Sich zusammen raufen. Einen gemeinsamen Spirit finden. Jedes Spiel
neu angehen und sich über das freuen, was dabei raus kommt. Vielleicht,
vielleicht doch noch für kleine Überraschungen sorgen. Hoffentlich den einen
oder anderen spielerischen Fortschritt mitnehmen. Zeit lassen zum Werden. Vor
allem auch innerlich: Luft rausnehmen - und stattdessen den Kopf und die Ärmel aufkrempeln. Alle.
Ok, so ist das jetzt
also mit dieser Saison. Ich beiße in mein Salami-Brötchen, starte das Auto und brause durch die Nacht in Richtung
rheinhessisches Hinterland. Auf der Straße glitzert der Regen im Licht der Scheinwerfer.
That evening
train was rollin‘
The hummin
of its wheels
My eyes
they saw a better day
As I looked
across the fields *
*Zitat: Bob Dylan. Das Lied heißt übrigens “Paths of Victory”
,-)
So ist es wohl, so soll es wohl sein, aber dennoch: "Trails of troubles/Roads of battles/Paths of victory/We shall walk." Gruß, C.
AntwortenLöschenGenau so und nicht anders :)
LöschenIch schiele weiter auf ausgerissene Bäume. Quasi unheilbar. Sonst wäre ich überhaupt nicht hier.
AntwortenLöschenAusgerissene Bäume und Sternen zum Greifen sind immer, immer im Blick. Den Alltag aushalten ist Teil davon.
LöschenAch ja, noch'n Gedicht: "Bridge over appled water".
AntwortenLöschenI'm a man of constant sorrow - I see apples everywhere ,-)
LöschenFlutlichtmagie - die Bilder dieser Fotostrecke, liebe Kerstin, scheinen mir wie für Deine Art zu schreiben gemacht: http://www.spiegel.de/stil/fussball-buch-interview-mit-dem-fotografen-christoph-buckstegen-a-1000304.html
AntwortenLöschenGruß - Matthias
Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Link richtig verstehe.... ."...Auch tristen Orten etwas Magisches verleihen..." Darf ich das wirklich auf mich beziehen? Vielen, vielen Dank - ganz besonders auch für den Hinweis auf Buch und Fotos. Ich habe diese ganz spezielle Atmosphäre ei Flutlichtspielen rund ums Stadion schon oft empfunden, z.B. im Waldstadion, wenn ich - wie jetzt am Mittwoch Abend - zu spät bin. Nur noch vereinzelte Menschen im Wald und auf den Wegen, das Flutlicht taucht die Trainingsplätze und die Bäume in dieses gleichzeitig dämmrige und strahlende Licht, dazu von fern die Geräuschkulisse aus dem Stadion, das hat etwas unwirkliches und hält für einen Moment die Welt in der Schwebe.
LöschenDoch doch, ich erinnere mich da an Autobahnrastplätze mit wunderlichen Namen...
Löschen:) .... in den Spuren des poetischen Realismus :)
LöschenSchon zum Text gegen die ostentative Langeweile wollte ich zustimmende Worte schreiben, umso mehr zum neuen Text.
AntwortenLöschenDanke dafür, danke fürs immer wieder so treffende Worte finden. Es ist doch immer meine/unsere Eintracht. Die so schnell so negative Stimmung tut weh und ich wünschte, ich könnte sie mit einem "Schulterzucken" abtun. Wie gut, damit nicht allein zu sein. Better days are still to come.
Lieben Gruß
Nadja
Vielen Dank, liebe Nadja. Ich freu mich sehr über deinen Kommentar und darüber, dass wir die Eintracht-Dinge ähnlich sehen und beurteilen Du hast recht, eigentlich sollte man souverän genug sein, das alles nicht so an sich herankommen lassen. Aber ich schaffe das leider meistens auch nicht, zumal das – speziell in dieser Saison – auf eine fast schon groteske Weise absehbar war, wie sich der öffentliche Meinungsstrom entwickeln würde, wenn Schaaf nicht sofort erfolgreich sein sollte. Oh, ich könnte so viel dazu schreiben... aber ich schone meine Nerven und lasse es ,-)
LöschenHatte so sehr gehofft, dass wir trotz der Versäumnisse der letzten Saison in der Spur nach oben bleiben können, das war nicht so, jetzt fangen wir also wieder von vorne an. Punkten in Hannover. Hoffentlich.
Du bist schon eine Kämpferin. Deine Kraft habe ich nicht (mehr). Doch deine Hoffnungen und Träume teile ich.
AntwortenLöschenDa ich im Moment auch an anderen Ecken (mit viel Schaffensmut :) kämpfe, freue ich mich besonders über deine Anmerkung - und darüber, dass wir unsere Hoffnungen und Träume teilen!
LöschenWie bitter. So viel Positives, das man aus diesem Spiel hätte ziehen können. Und dann wieder mit leeren Händen.
AntwortenLöschen"Should my heart not be humble, should my eyes fail to see,
AntwortenLöschenShould my feet sometimes stumble on the way, stay with me...".
Passt doch ganz gut.
Gruß aus Ostwestfalen
Er findet halt immer die richtigen Worte :)
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