Nein, ich bin heute leider nicht in Nikosia und zum Glück
auch nicht in Berlin, wo am Brandenburger Tor drei Tage lang das „Festival of Happiness“ gefeiert wird und Heino dazu singt. Genieße
stattdessen das milde Licht der sonnigen
Spätsommertage, sitze vor meinem PC (und heute Abend vor dem Fernseher) und schaue mich einfach von hier aus mal ein wenig in Nikosia
um.
Wie ich seit dem HR Heimspiel am
Montagabend weiß, lebt Ioannis Amanatidis, unser Ama, seit einiger Zeit einen
Teil des Jahres auf Zypern und , schau mal einer an, schon haben die Zyprioten
eine Sehenswürdigkeit nach ihm benannt. Die „Ayios Ioannis“, eine Kathedrale,
die – laut tripadvisor – auf „Platz 11 von 34 Sehenswürdigkeiten in Nikosia“ liegt. Sie stammt aus dem 14. Jahrhundert und ist (Zitat) „very beautiful“. Vielleicht kann vor Ort mal
jemand schauen, ob irgendwo ein Schild „Sponsored by Eintracht Frankfurt“ angebracht
ist – als eine Art Ausgleich für das fehlende Ama-Abschiedsspiel.
Der griechische Philosoph Zenon wurde auf Zypern geboren. Wie jedes Kind in Frankfurt weiß, wäre ohne ihn, den
Begründer der Stoa, der Stoiker Oka Nikolov nicht zu denken. Dem Meeresschaum vor der Küste Zyperns
entstieg einst Aphrodite, die Göttin der Schönheit und der Liebe, die durch
vielerlei liebliche und lustvolle Blumen und Früchte symbolisiert wird, allen
voran durch den Apfel, der ihr von Paris
bei der Wahl zur Schönsten der Schönen gereicht wurde. Das sind gute Voraussetzungen für den Besuch
aus Hessen.
Der Zypriote trinkt –
wie der Grieche – gerne Wein, den es hier schon deutlich länger gibt als
Banken. Dionysos, der griechische Gott
des Weines, soll die zyprischen Weine ganz besonders geschätzt haben. Die Namen
der hier wachsenden Reben klingen wie Musik. Xynisteri (weiß), Maratheftiko,
Mavro, Ophtalmo (rot). Oliven- und Weinhänge, Grapefruit- und Zitronenbäume. Äpfel. Birnen. Mandeln. 1800 verschiedene Blütenpflanzen. Blauer
Himmel. Meer. Kein Wunder, dass Zypern das Land mit einem der höchsten Akademikeranteile der Welt ist. Unter südlicher Sonne und beim Ergehen in der freien Natur fließen die Gedanken
halt besonders gut. Eminent hohe Denkkultur.
Zypern ist – nach Sardinien und Sizilien – die drittgrößte Mittelmeerinsel, war viele Jahre britische Kolonie und ist erst seit 1960 unabhängig. Seit 1974 ist das Land gespalten, seit dem
Jahr 2004 ist der griechische Teil der Insel, die griechische Republik Zypern, Mitglied der EU. Nikosia, das Ziel der Adlerinvasion, ist die Hauptstadt von Zypern und so etwas wie
das zyprische Berlin. Die Trennlinie,
zwischen der - griechischen – Republik
Zypern und der (offiziell nicht
anerkannten) Türkischen Republik Nordzypern läuft mitten durch die Stadt und
wird von UN-Friedenstruppen bewacht. Kein
so wirklich beliebtes Gesprächsthema auf der Insel. Der Südteil von Nikosia - das ist der griechische Teil - umfasst ca. 51 Quadratkilometer, ist aber relativ dicht
besiedelt. Zum Vergleich: Frankfurt ist fünf Mal so groß, hat aber nur eine
halb so hohe Bevölkerungsdichte. Von der Südküste ist es übers Meer nicht weit
bis zur Türkei, vor der Ostküste liegt die Insel Rhodos. Das Klima ist mild,
bis in den Oktober scheint die Sonne und die Temperaturen liegen bei 24, 25
Grad. So wie heute.
Die Zyprer, die auch Zyprioten genannt werden können, werden – wie die Griechen – von Europa
gerettet, ob sie wollen oder nicht. Nachdem die zypriotischen Banken in den vergangenen Jahren von der
Weltöffentlichkeit vollkommen unbemerkt eine
immer wichtigere Rolle im internationalen Finanzmarkt übernommen hatten, müssen
die Zyprer jetzt halt sehen, wie sie zurecht kommen. Im Rahmen der EU-Rettungsaktion wurde ein bestimmter Prozentsatz der privaten Ersparnisse zwangskonfisziert , was nicht so besonders gut ankam. „Was hier passiert ist irrsinnig“, meinen nicht nur zyprische Künstler und Intellektuelle und sie haben recht. Vielleicht kann die
derzeitige Adlerinvasion zumindest kurzfristig einen Beitrag leisten, den
Tourismus anzukurbeln. Ein Hauch von
rotundschwarz-Care.
In Zypern wachsen –
das hätte keiner vermutet – viele Zypressen. Die Insel war früher noch viel waldreicher als
sie heute ist, vielleicht auch deshalb gibt es einen großen Artenreichtum an
Vögeln mit feinen Namen. Z.B. den Halsbandfrankolin, den Häherkuckuck und den
Zypern-Steinschmätzer. Keine Rede von Adlern, stattdessen wurde erst vor ein paar Jahren die Zypern-Maus
entdeckt, die auf Latein mus cypriacus heißt, große Ohren, Augen und Zähne hat
und schon seit über 10.000 Jahren auf Zypern lebt.
Trotz Inseldasein wird auf Zypern relativ wenig Fisch, stattdessen jede Menge
Fleisch und Gemüse verzehrt. Das hängt –
wie es heißt – damit zusammen, dass die
Inselbevölkerung sich schon in der
Antike bei den Attacken der vorbei schippernden Assyrer, Ägypter, Perser, Griechen und Römer
geschützt hat. indem sie sich ins Landesinnere zurückgezogen hat. Zypern ist historisch geprägt von
unterschiedlichen Kulturen und Einflüssen und wenn man nach typisch
zypriotischen Gerichten und Esskultur stöbert,
läuft einem bereits beim Lesen das Wasser im Mund zusammen. Ein Mix aus türkischer,griechischer und ägyptischer Küche, getupft mit etwas Englisch. Gegrilltes und Eintöpfe, frische Kräuter. Es duftet nach Estragon, Basilikum,
Koriander und Minze. Zimt, Zitrone, Kardamon und Knoblauch. Curry und Ingwer. In
den Töpfen schmort und brodelt Lamm- und Schweinefleisch, Es köcheln Tomaten, Auberginen,
Kartoffeln und die zyprischen Kanelonia sind keine Nudeln, sondern eine Art Omelette, das mit allem Möglichen
gefüllt werden kann, vielleicht ja schon bald – wenn die Adlerinvasion
vorübergezogen ist – mit Handkäs-Carpaccio und Würstchenstreifen.
Ein Fußballmeister wird auf Zypern bereits seit 1934
ermittelt. In der ersten Division, die -
hoho – von einer Bank gesponsert wird und
deshalb sein 2007 „Marfin Laiki League“ heißt, spielen derzeit 14
Mannschaften. Der Meisterschaftsmodus besteht aus zwei Phasen. In der ersten
Runde spielt - wie bei uns – jeder gegen
jeden mit Hin- und Rückspiel. Meisterschaft und Abstieg werden dann zunächst in
Gruppen ausgespielt, der Meister
dann im direkten Aufeinandertreffen der
Gruppensieger ermittelt. Die beiden
Rekordmeistermannschaften Zyperns kommen aus
Nikosia: Apoel und Omonia. Omonia
spaltete sich im Jahr 1946 von Apoel ab und gilt bis heute als linker Verein,
während Apoel eher dem rechtskonservativen Lager zugerechnet wird. Bis weit in die 80er Jahre war Omonia
erfolgreicher als Apoel, musste seine Vormachtstellung aber zwischenzeitlich an
Apoel und Famagusta abgeben.
Apoel Nikosia wird
trainiert von Paolo Sergio. Hoppla, dachte ich, den kennen wir doch. Hat lange bei Leverkusen und in Bayern gespielt.
Hat er aber nicht, ist nämlich ein anderer. Außerdem kein Brasilianer, sondern
Portugiese, der derzeit bei Apoel keinen
ganz einfachen Stand hat. Seit Juli ist er Nachfolger von Ivan Jovanovic, der Nikosia im vergangenen Jahr zum bisher größten Vereinserfolg ins Viertelfinale der Championsleague führte. Das „Überraschungsteam Apoel Nikosia“ hatte sich im Achtelfinale gegen Olympique Marseille
durchgesetzt. Als Abonnementsmeister ist Apoel seit Jahren regelmäßig auf
europäischer Ebene aktiv. Auch wenn
sie in diesem Jahr nur als Nachrücker für Fenerbahce Istanbul in
die Euro-League gerutscht sind, werden sie ganz sicher nicht vor Ehrfurcht
erstarren, nur weil in diesem Jahr die Eintracht auf der Insel vorbeischaut.
Der Kader von Apoel ist multikulti. Es finden sich viele Zyprer, aber auch Südamerikaner, Portugiesen, ein Belgier,
ein Kanadier, zwei Afrikaner und zwei bekannte Namen: Ailton und Adorno, weder
zu verwechseln mit dem gleichnamigen Wunderstürmer von Hassia Bingen noch mit
dem berühmten Frankfurter Philosophen, obwohl es mich nachdenklich stimmt.
Doch, tut es.
Mit Bus, Bahn, Fahrrad und vor allem Flieger haben sich
heute und in den vergangenen Tagen bereits viele Adler auf den Weg in den Süden
gemacht, die sicher auf der Insel außerordentlich gut hör- und sichtbar sein
werden. Damit uns auch wirklich und wahrhaftig keiner übersieht, haben die
Ultras außerdem eine spezielle Aktion für einen einheitlichen Auftritt der Adler vor Ort vorbereitet. Shirt? Kapp? Schal? Fähnscher? Wir werden sehen.
Alex Meier ist weiterhin nicht an Bord und steht heute Abend
also auch nicht auf dem Platz. Sebastian wird nicht verlängern. Armin Veh ist „schmallippig“ und warnt und Heribert Bruchhagen
erwartet mindestens einen Punkt. Eintracht TV sprach mit dem Piloten des Mannschaftsfliegers im
Cockpit, mit den Fans vor dem Abflug und nach der Ankunft und mit mehreren Spielern (vor und nach dem Training, vor und nach dem Abflug, vor und nach der Pressekonferenz) und deswegen wissen wir: Alle freuen sich und für alle ist Europa
etwas ganz Besonderes.
Mit drei Punkten in Nikosia wären wir fast schon durch. Alla
– Sieg!
Danke für die Einstimmung, Kerstin. Jetzt weiß ich doch gleich mehr über Zypern. Bin mal gespannt, ob wir da tatsächlich auch kulinarische Spuren hinterlassen... In jedem Fall wird man uns dort nach der Invasion dort kennen, soviel ist sicher.
AntwortenLöschenFür mich ist Europa auf jeden Fall etwas ganz Besonderes und ich glaube auch tatsächlich für alle. Spieler, Trainer und andere - und eben für die Fans. Genau das macht es auch aus, Freude an der ganzen Sache.
Auswärtssieg!
LG Nicole
Eine subtile, informative Intro zum Spiel, die man auch hinterher noch mit Spass und Zugewinn lesen kann. Ach hätte doch Adorno der Jüngere gespielt - dann wäre alles noch ein bißchen unwirklicher geworden. So sitzt eben Teddy der Ältere auf seiner Wolke und blickt wohlgefällig auf die schaumgeborene Aphrodite. Gruß, C.
AntwortenLöschen"Eine subtile, informative Intro zum Spiel, die man auch hinterher noch mit Spass und Zugewinn lesen kann."
AntwortenLöschenIch stimme Celtix zu. So ist es.
Gruß vom Kid
PS: APOEL hat gestern den Trainer entlassen, habe ich gerade gelesen. Andere Ländere, gleiche Sitten.
Wenn Adorno auf dem Platz gestanden hätte, wäre es vielleicht ganz anders ausgegangen. Aber Adorne gegen die Eintracht? Das wär ja auch noch schöner - das geht nur bei Monthy Python ,-). Gegen die Adler hatte die Zypern-Maus keine Chance. Jetzt schaue ich mal, ob ich irgendwo in mir drinnen, auch einen Stoiker entdecke, gönne mir einen Apfel und hoffe, dass Träume auch weiterhin keine Schäume sind.
AntwortenLöschenBeim Schreiben des Textes habe ich - obwohl nicht vor Ort - irgendwie auch eine kleine Reise mit der Eintracht nach Zypern angetreten. Hat Spaß gemacht - deswegen freut's mich sehr, dass euch der Eintrag gefallen hat.
lgk