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Crash-Test

Heute vor einer Woche war die Eintracht-Welt noch in Ordnung. Wolke 7 mit Kurs auf Europa, am Dienstag ist die Wolke in ein Luftloch gefallen, gestern dann mit einem dumpfen Knall auf die Erde gestürzt. Am Dienstag habe ich im Waldstadion wie paralysiert der Humba der Mainzer zugekuckt, gestern ca. ab der 40. Minute stumm und starr auf den Fernseher gestarrt, wo die Düsseldorfer sich ihr Mütchen an uns gekühlt und keine Gelegenheit ausgelassen haben, um zu demonstrieren, wie gut es ihnen tut, uns zu demütigen. Armin Veh hatte gewarnt:  Der Einbruch wird irgendwann kommen. Nicht Schalke, nicht Dortmund, nicht Bayern sind unsere Spitzenspiele, sondern die gegen Mannschaften in den unteren Regionen – Augsburg, Düsseldorf, Mainz. Jetzt haben wir den Salat. Zwei dieser drei Spiele haben wir verloren. Die Mannschaft ist dezimiert, ersatzgeschwächt. Die bekannten Lücken – in der Innenverteidigung, im Sturm – sind größer als man zwischendurch geneigt war zu glauben.  Das Selbstbewusstsein ist im Keller, sogar der bisher unangreifbare Torwart wackelt.  Mindestens vier sicher geglaubte Punkte  haben wir nicht geholt.

Und jetzt?

Vor der Saison war ich mir ziemlich sicher, dass der Kader, den Bruno Hübner und Armin Veh, für uns zusammengestellt haben, eine gute Saison spielen und mit dem Abstieg nichts zu tun haben würde. Nicht sicher war ich mir, ob mir diese Mannschaft gefällt, ob ich mich mit ihr anfreunden können würde.  Mancher Transfer schien mir nicht nachvollziehbar, an manchen Ecken war mir der Umbruch zu krass, in Armin Veh argwöhnte ich eine Form von Skibbe. Ich hatte mich geirrt – die Mannschaft hat mich mitgerissen und für sich gewonnen. Mehr noch: Sie hat in mir – und nicht nur in mir – den Glauben an eine neue glorreiche Zukunft der Eintracht geweckt und gefestigt. Kein Zufall, das alles, sondern Resultat fußballerischen Könnens.  Mut. Witz. Technische Feinheiten.  Begabte, zum Teil hochbegabte junge Fußballer, die ihr Potenzial noch längst nicht ausgeschöpft haben. Ältere, erfahrene Spieler, die in einem neuen, kreativen Umfeld immer noch besser werden. Die  Spielstärke- und Spiellust der Mannschaft, der Kampfesmut, die aberwitzigen Spielverläufe, der Mix aus Alt und Neu, die Entwicklungsfähigkeit der Mannschaft und – nicht zuletzt: Der Trainer mit seiner konzentrierten Leichtigkeit, seinem Charme und seiner Ironie.

Und jetzt? Alles weggewischt? Nichts mehr wie es war?  Bereits am Dienstag begann die Harmonie- und Euphoriefront im  Stadion zu bröckeln. Die Neuzugänge – gestern noch von uns entdeckte Zweitligaperlen, seit Dienstag vollkommen überschätzte und überforderte Hinterbänkler. Der Japs. Der Aigner, wenn ich den schon seh. Der Occean – ab zurück nach Offenbach.  Talente, die vollkommen überschätzt sind, wenn’s drauf ankommt, abtauchen und sowieso nicht bei der Eintracht bleiben, wenn die internationale Perspektive fehlt. Der Trainer ein Sturkopp, der – wie einst Friedhelm – an den immer gleichen Spielern festhält, egal wie sie spielen. Der – wahlweise – junge Talente verheizt oder ihnen keine Chance gibt. Spieler aussortiert und kein Mensch weiß warum. Neuverpflichtungen provoziert. Absichtlich.

Kein Zweifel, jetzt ist er da, der Einbruch. Und wie das so ist mit Tiefs, mit Krisen und Rissen: Auch wenn man weiß, dass sie irgendwann kommen, fühlen sie sich, wenn sie da sind, anders an. Realer. Grundsätzlicher. Ekelhafter.Warum gerade gegen Mainz? Und dann auch noch Düsseldorf...

Der erste Gegenwind, die ersten Erschütterungen und – plong – alles, was eben noch gut und richtig war, ist Makulatur? Das darf und kann nicht sein. Auch mir sitzt die Angst im Nacken. Die Abstiegssaison, die Tasmanenrückrunde, die steckt in den Knochen, im Hirn, im Herz. Nicht noch einmal so enttäuscht werden. Aber ich will und werde auch nicht vergessen, was ich in dieser Saison und mit dieser Mannschaft bereits erlebt, was ich gesehen, gehört und gefühlt habe.

Für mich sind die beiden kommenden Eintracht-Wochen so etwas wie ein Crash- und Charaktertest  - nicht nur  und für Mannschaft und Trainer, sondern vor allem auch für uns, die wir uns Eintrachtler nennen.  13 Mal ist das „Modell Zukunft“ elegant und ohne groß zu ruckeln durch die mit Schikanen gepflasterte Teststrecke gekurvt, wir haben uns einen schönen Vorsprung herausgefahren  – bei den letzten beiden Fahrten sind Mängel offensichtlich geworden. Jetzt hängt ein  Kotflügel locker, rechts und links hat der Wagen ein paar Dellen und Lackschäden. Aber der Motor brummt weiter. Jetzt ein Zwischenstopp an den Boxen, auftanken, neue Reifen aufziehen und weiter gehts.

Ich will mit mindestens 27 Punkten in die Winterpause gehen, lieber noch mit 28, am liebsten mit 30. Wir werden nicht wie geprügelte Hunde in die Winterpause schleichen,  sondern aufrecht und mit einer vielversprechenden Perspektive für die Rückrunde. 

Meinen persönlichen Crashtest habe ich bereits bestanden: Still going strong. 

Kommentare

  1. Hier fühle ich mich verstanden. :-) Ja, das Trauma des letzten Abstiegs tragen viele verständlicherweise immer nich in sich. Doch diese neue Mannschaft ist eine Einheit und hat mit dem Trümmerhaufen, den Skibbe angerichtet und hinterlassen hat, nichts mehr zu tun.
    Und die Perspektive ist und bleibt trotz aller Probleme, die nicht wegzudiskutieren sind, da: Ob mit 24 oder wie viel auch immer Punkten. :-)

    Gruß vom Kid

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  2. Stimme ich zu - Niederlagen sind kein Problem - eigentlich - wären es doch nur nicht diese beiden Faschingsvereine ... wobei - mit Mainz und Düdo verbindet mich nix - es geht ja eher anders herum - so wie die Wölfe, die den Mond anheulen - kümmert es den Mond? eben - die Meenzer Neidhammel können mich und Düdo ist bald wieder weg...

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  3. Es geht mir wie Kid. Hier fühle ich mich verstanden. Kein Wunder, fühlte ich doch in Kids Blog auch immer so wie hier.

    Danke dir Kerstin, für die immer richtigen Worte.

    LG Nicole

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  4. Danke für die richtigen Worte und Kommentare.

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  5. Bin doch sauer wegen Ddorf. Aber davon geht die Welt nicht unter. So viel Spaß und guten Fußball wie in dieser Hinrunde hatte ich seit Ewigkeiten nicht mehr. Wenn die Mannschaft dieses Tief übersteht, wird etwas Großes aus Ihr. Also aufstehn wenn Ihr Adler seid.

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  6. Natürlich sind wir traumatisiert,das Spiel am Freitag hat mir dennoch die Sprache verschlagen.Wahrscheinlich kommen sie jetzt wieder aus Ihren Löchern, die das seit Wochen ja schon vorhersehen.Dennoch muß es erlaubt sein auch ein paar kritische Worte zu finden, denn mit solchen Leistungen wird es schwer auch nur in die Nähe von Punkten zu kommen.Das Alibi wurde dem Team ja schon vorgegeben, mit diesen vielen Verletzten und Gesperrten.Das glich schon fast einer Vorführung, vor allem bei den Toren vermisste ich die Gegenwehr, das ist viel zu einfach gewesen.Der Gegner war übrigens auch ersatzgeschwächt.
    Bitte findet halbwegs zurück in die Spur, den Tasmanen Fußball hatte ich eigentlich schon beerdigt.So genug, versuche mir für die restlichen beiden Spiele Deinen Optimismus anzueignen,Kerstin.
    Schönen Sonntag
    LG Schötzi

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  7. Die Niederlage gegen Düsseldorf war einfach absolute Scheiße, insbesonders da es die höchste Niederlage des Spieltags war und das auch noch in Düdo! Trotzdem ist nicht alles Mist, die Mannschaft hat bislang einen so überragenden Fußball geboten, wie ich ihn lange nicht bei meiner Eintracht gesehen habe und auch erwartet sondern höchstens erhofft hatte.

    Wenn es nicht diesmal die Rubrik "Steht auf, wenn ihr Adler seid!" nicht gäbe, würde ich mich zum ersten Mal seit langem nicht an der Abstimmung beteiligen.

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  8. Niederlagen werden ein wenig erträglicher, wenn man sie teilen kann & wenn man vorher so verwöhnt wurde.

    Niederlagen sind ertragbar, wenn die Perspektive stimmt. Und diese Perspektive ist trotz aller Traumata & Gegentore zumindest bei mir noch sichtbar. Und das ist gut so!

    Viele Grüße & weiterhin sichere Straßen, Fritsch.

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  9. Es gibt gute Gründe, warum diese beiden Niederlagen hintereinander sich so elend anfühlen und warum so eine leise Panik in einem hoch kriecht, je nach Gemüt vielleicht auch einfach nur eine gewisse Skepsis. Es geht auch ganz gewiss nicht darum, dass man nicht kritisieren dürfte – darf man, muss man. Man darf sich beschissen fühlen, enttäuscht sein, hadern, knoddern, alles. Aber ich könnte kotzen, wirklich kotzen, über den Mangel an Rückgrat, der anscheinend bei vielen im Moment zum guten Ton gehört. Sich wechselseitig Überbieten im Unken und Mit-dem-Finger-zeigen und Das-war-ja-klar und Hab-ichs-doch-gewusst und Ha-ha-ich bin –so-abgebrüht-mir-macht-keiner-was-vor. Ich höre da so wenig Eintrachtherz und ehrliche Besorgnis, sondern vor allem „Ich, ich, ich“. Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, wie man das vor sich selbst auf die Reihe bekommt – eben noch geflasht davon, was die Mannschaft zu leisten im Stande ist, abgedreht vor Glück, solche Spiele, solche Tore, solchen Siegeswillen zu sehen bekommen – und sich jetzt überbieten in negativen Prognosen.

    Die Welt und die Menschen sind schlecht, Geld regiert die Welt, der Fußball ist nicht mehr wie er war. Ja, so ist das. Und damit ist das Thema abgehakt. Und mir muss mal jemand erklären, warum z.B. zwei verlorene Spiele die Perspektiven dieser Mannschaft grundsätzlich verändern und die Vertragsverlängerung von Rode und Jung sich damit praktisch erledigt hat.

    Ich plädiere, wie neulich schon mal irgendwo vorgeschlagen, ernsthaft dafür, dass wir einen VEWEX (= Verweilindex), einen ALEX (= Meierindex), einen VEX (= Vehindex), MAPROX (= Mannschaftsprognoseindex) und ggf. bedarfsweise weitere Indexe zu etablieren, und uns dann - voll im Trend - selbst überholen und Tag für Tag – analog zum DAX und Wirtschaftsindex etc – Prognosen abgeben wie die Welt sich dreht: In Peking fällt ein Sack Reis um = der DAX fällt ins Jahrestief, in Griechenland wird ein Zitronenbäumchen gepflanzt = das Wirtschaftsklima verfestigt sich positiv, Herr Huber plant, an Weihnachten ein iPad zu verschenken = das Konsumklima geht steil nach oben. Über die VEWEX-, ALEX-, VEX und MAPROX-Parameter mache ich mir dann schon mal ein paar Gedanken.

    Bin sehr, sehr gerne hier in meinem Blog – und das liegt vor allem auch daran, dass ihr auch da seid. Danke für den Austausch, für eure Kommentare, Meinungen, Ergänzungen!!

    Gegen Mainz war deprimierend, gegen Düsseldorf fast schon erschütternd (obwohl ich wirklich davon überzeugt bin, dass ohne den Platzverweis… aber lassen wir das)– und - als i-Tüpfelchen und wie uns zum Bosse gewinnen die 05er dann auch noch zu Zehnt gegen Hannover. Maaaaaaaaan. Am Samstag gegen Werder – neues Spiel, neue Chance, neues Glück. Wie vatmier sagt: Nach diesen Rückschlägen, trotz aufkommender Zweifel und Panik – jetzt, genau jetzt, noch vor der Winterpause die Dinge wieder grade rücken - DAS wär's! So könnte die Mannschaft uns, aber vor allem auch sich selbst beweisen, dass sie nicht nur kann, solange die Sonne scheint, dass nicht nur Großes in ihr steckt, sondern dass sie auch jetzt schon groß sein kann. Und will!

    Steht auf, wenn ihr Adler seid!

    lgk

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