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So ein Glück

Zwei Wochen ist es jetzt her, seit dem die Eintracht diesen wunderbaren 4:0-Sieg in Hoppenheim eingefahren hat – und ein bisschen ist es so, als ob man sich nach einem – mehr oder weniger erholsamen – Schlaf räkelt und streckt, die Nase zum Fenster hinaus streckt, und merkt, dass es immer noch da ist, dieses Glück,  das da im Herz vor sich hin schnurrt.

Wenn es der Eintracht schlecht geht,  fällt ein Schatten auf alles andere, das trotzdem schön ist. Wenn es der Eintracht gut geht, ist alles, was schwierig ist, heller und leichter.  Das war bei mir schon immer so. wird wohl auch immer so sein und obwohl die letzten beiden Wochen für mich eher anstrengend und nicht ganz einfach waren, ging es mir trotzdem  (na ja, meistens) gut dabei – hey: Wir. Tabellenzweiter. Eurobbabogaalanwärter. Kommende-Nationalspieler-Hervorbringer. Konzept- und Vision-Haber.  Euphorie- und Trotzdem-Gelassenheit-Verbreiter. Feine Ironiker. Wir können gleichzeitig auf dem Boden stehen und auf einer Wolke schweben. Wir. Das muss uns erstmal einer nachmachen.  

Flashback

Als ich ein kleines Mädchen war und noch in die Grundschule ging, waren Poesiealben angesagt.  Jeder hatte eines, ich natürlich  auch (hab es sogar heute noch, es ist nicht besonders gut gefüllt - ich war da eher nachlässig, aber es hat einen - echt wahr! - rotundschwarzen Einband).  Die Alben waren quadratisch,  in etwa so groß wie ein Taschenbuch, manche waren schlicht, manche prächtig mit Schnallen und Glitzer und Blümchen. Jeder gab sein Album reihum und  jeder Mitschüler  - Mädchen, aber auch Jungs - schrieb  einen mehr oder weniger sinnvollen Spruch hinein, der (je nach Zuneigungsgrad) von den Mädchen mit kleinen, bunten Bildchen oder mit Klecksen (mehrheitlich von den Jungs) verziert wurde.  In der Regel nahm man das Album an einem Tag mit nach Hause und brachte es am nächsten Tag wieder mit, es konnte aber auch vorkommen, dass jemand tagelang über der Aufgabe brütete, einen geeigneten Spruch zu finden. Es war ja immer auch eine Art „Message“, die man dem anderen mitgeben konnte. Also: Wenn man wollte. Mag der/die mich? Manche Mädchen waren sehr etepetete mit ihrem Poesiealbum – wenn da jemand mal ein Wort durchgestrichen , oder geschmiert statt ordentlich geschrieben  hatte - du liebes bisschen. Tränen. Aufstand. Mitschüler Jürgen K.  schrieb  - Todsünde! - in jedes Album den gleichen Satz: „Lebe glücklich, lebe froh, wie der Mops im Haferstroh!“ Nicht gerade der klassische Poesiealbumsspruch, aber von heute aus besehen doch eigentlich sehr putzig und pragmatisch.

Mein Grundschullehrer hieß Herr Stockert.  Herr Stockert war cool. Er fuhr einen Sportwagen, trug Lederjacke und Sonnenbrille und manchmal spielte und sang er uns etwas auf der Gitarre vor.  Auch Herr Stockert hat sich in meinem Poesiealbum verewigt. Er schrieb einen Satz, den ich damals eher doof fand, der mir aber  seitdem immer mal wieder einfällt und inzwischen eine Allianz mit dem Mops von Jürgen K. eingegangen ist: „Denn wer sich kann im Kleinen freuen, der kann sich freuen oft und viel.“

Flashbackende

Ob Herr Stockert mir persönlich  mit diesem Spruch etwas mit auf den Weg geben wollte? Ich weiß es nicht, jedenfalls hat es gewirkt:  Ich lebe zwar nicht wie der Mops im Haferstroh, aber  ich kann mich an vielem und über vieles freuen. So richtig mopsartig.  Der Sommer war fast schon weg und – plopp – dann doch noch einmal da. Weiter Himmel. Zarte Farben. Duft nach Heu und Blättern.  Bei uns im Ort war Kerb mit Weinprobe in einem Weinberg, der Gottesacker heißt.  Das ganze Dorf war da. Adlergrüße aus der Ferne. Der Regen pratschelt.  Die Terrassentür steht weit offen. Die neue Dylan-CD ist da und klingt weh und weise durch die Nacht.  Das Buch von Edith Wharton auf meinem Nachttisch. Moon in my eyes. Die Katze fiepst.

Manchmal kann man auch Glücksmomente haben, einfach, weil  etwas so ist, wie es ist und nicht etwa so wie bei anderen (was ja auch sein könnte).  So geht es mir im Moment, wenn ich an den HSV denke (den ich eigentlich mag).  Mal ehrlich:  Wie dumm kann man eigentlich sein? Und: Wer würde schon den verlängerten Rode gegen einen mit geliehenen Millionen verpflichteten Raffi van der Vaart eintauschen?  „Nur der HSV.“  Hihi. (Hallo, Kid, hallo Pleitegeiger). „Besser die wie ich,“ pflegt ein Bekannter von mir in solchen Fällen zu sagen.  So ist es. Was für ein Glück.

Glück ist etwas, das  - wie der Mops im Haferstroh - nicht fassbar ist – obwohl immer wieder nach Wegen gesucht wird, es zu messen. In Bhutan zum Beispiel wird der jährliche Entwicklungsstand des Landes nicht  mit Hilfe eines Bruttosozialprodukts, sondern mit dem Bruttosozialglück  bzw. Bruttoglücksprodukt ausgewiesen.  Bhutan gilt (deshalb?) als glücklich, auch wenn es ihm – objektiv betrachtet – ziemlich scheiße geht.  Das ist dann wahrscheinlich so ähnlich wie einst bei den „Waltons“. Die hatten nix,  es gab ja nix  - „Net e mal e Handy“ (Zitat: Helmut „Sonny“ Sonneberg  als Gast im Eintracht-Museum) – und waren trotzdem glücklich. „Gute Nacht, Elizabeth!“.

Auch in Deutschland  werden Glück und Zufriedenheit  in so genannten „sozio-oekonomischenPanels“, in Umfragen und seit neuestem auch im Auftrag der Deutschen Post  in Prozentpunkten gemessen und bewertet. Im „Deutsche Post Glücksatlas 2012“  kann man die Ergebnisse der Studie schwarz auf weiß nachlesen, und deshalb wissen wir,  dass Städte, in denen die Menschen ihrem sozialen Umfeld (warum auch immer) überwiegend vertrauen, um 0,2 Punkte glücklicher sind als Städte, in denen Menschen dies nicht tun.  Auch Zufriedenheit in Ehe und Partnerschaft erhöht das Glücksgefühl (woraus wir dann also umgekehrt schließen können, dass das Glücksgefühl z.B. der Familie Wulff derzeit um exakt 0,3 Punkte unter dem der Stadt liegen dürfte, in der sie sich derzeit befindet).

Im Glücks- und Zufriedenheitsranking der Städte liegt Hamburg ganz vorn, Frankfurt dümpelt im Mittelfeld auf Platz 7. „Das Glück“ so war zu lesen „lebt in Norddeutschland.“ Die Auswirkungen von Sport auf das Glücksempfinden spielen dabei – gemäß Studie – nur eine sehr geringe Rolle und schlagen mit gerade einmal 0,1 Punkten zu Buche.  

Was soll ich da noch sagen? Ich hab da so ein Gefühl, als ob wir am Sonntag einfach antreten und das  Gegenteil beweisen. Das Glücksbarometer in Frankfurt wird in den frühen Abendstunden deutlich nach oben schnellen. Und zwar um exakt 3 Punkte.


PS: Liebe Deutsche Post AG, ich hab da einen Vorschlag. Wie wäre es, wenn ihr – statt eine Glücksstudie in Auftrag zu geben - , einfach ein paar Briefkästen mehr aufhängt und wieder ein paar zusätzliche Filialen eröffnet.  Zum Beispiel auf dem flachen Land. Mann, wären wir glücklich. 

Kommentare

  1. Der Herr Stockert liegt mit seiner Poesiealbumweisheit aber so was von richtig. Du aber besitzt dazu noch die Gabe, größere und kleinere Freuden immer wieder auf wundervolle Art mit uns zu teilen - danke dafür.

    Und was das sonntägliche Anheben des spezifisch Frankfurterischen Glücksbarometers betrifft: bin sehr dafür :=)

    LG, BB

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  2. Schöner Eintrag, der Lust auf mehr macht. Auf viel mehr. Und wenn ich wieder "dahoam" bin, hole ich mir als erstes die neue Dylan.

    Gruß vom Mann äh Kid aus den Bergen :-)

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  3. Vielleicht erinnert sich der Eine oder Andere noch an "Teddy's Trends" aus der guten alten Titanic. Da war irgendwann mal von einer Renaissance des Poesiealbums die Rede und der charmante Theodor Hecht hatte auch gleich seinen Standardspruch parat: "Von Tuten und Blasen immer viel Ahnung wünscht Dir Dein Teddy Hecht." Und den HSV hauen wir weg, C.

    PS: Klingt wirklich weh und weise durch die Nacht: "He dreamed the Titanic was sinking into the deep blue sea."

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  4. Um auch mal aus meinem alten Poesiealbum zu zitieren:
    In allen vier Ecken (des Tores) sollen Bälle drin stecken. Also, in Eurem natürlich ;-)

    Möge der Bessere gewinnen! Ich hoffe tatsächlich, daß das zur Abwechslung mal wieder mein HSV ist.
    Liebe Grüße in den Süden :-)

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  5. Glücksbarometer um 3 Punkte gestiegen. Von Tuten und Blasen jede Menge Ahnung. Und Tore haben auch in allen Ecken gesteckt :-)

    Hey liebe Nicole: Trotz Niederlage bin ich mir ziemlich sicher, dass das Spiel gestern eine Wendepunkt für den HSV war (und das meine ich ganz gewiss nicht gönnerhaft, weiß selbst zu genau, wie es sich anfühlt, wenn man da hinten hängt..)

    Danke für die bunten Kommentare!

    lgk

    PS: Ja, Kid, mach das!

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