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So ist das wohl

Es ist jetzt fast zwei Wochen her. Ein Tag voller Glück und Liebe, voller Pläne, ein warmer Frühsommerabend. Abenddämmerung. Wir sitzen draußen, trinken und schwätzen, Katz und Kater begeben sich, wie immer um diese Zeit, auf einen letzten abendlichen Rundgang. Das Kätzchen kommt nach einer Stunde zurück, das Katerle nicht. "Das hat er ja noch nie gemacht." "Wo treibt der sich denn noch rum?" Na ja, Sommer. Abenteuer. Wir rufen, suchen. Werden zunehmend unruhig. Sind besorgt. Gehen schlafen. Stehen wieder auf. Porius. Porius. Der Morgen graut. Schließlich doch ins Bett. Er wird noch kommen. Sicher. Er kam nicht.

Seit diesem Tag erlebe ich die Welt aus einem merkwürdigen Blickwinkel: Laufend und suchend. Hellwach und dabei müde wie ein Stein. Käseglocke. So viel zu tun, zu denken, zu fühlen. Arbeit. Zum Glück. Viel Arbeit. Wenig Schlaf. Wie werde ich mich in ein paar Monaten, Jahren an diese Tage erinnern? „Weißt du noch...?“

Die Eintracht. Eben noch Skibbe. Shootist. Europa. Daum. Eben noch brennende Kurve. Polizeihundertschaften auf dem Platz und der GründelHeinz mit Arm in der Schlinge. Abgestiegen. Und jetzt schon: Saisonvorbereitung. Oder das, was man gemeinhin so nennt. Matthias Lehmann. Thomas Kessler. Bruno Hübner. Armin Veh. Moppes Petz. Wenn diese Namen fallen, zucke ich derzeit noch leicht zusammen, die Synapsen im Hirn brauchen einen Moment bis sie die Information verarbeitet haben. Von was ist die Rede? Ach so, klar. Von der Eintracht.

Vielleicht von einem Hund erschreckt und geflüchtet, irgendwo aus Versehen eingesperrt, verletzt und verkrochen. Bin nicht bereit, diesen weiteren Verlust hinzunehmen. Wir haben keine tote Katze im Straßengraben gefunden – Katerle lebt. Basta. Handzettel. Aushänge. Suchanzeigen. "Auch nach Tagen oder Wochen gibt es Chancen, die vermisste Katze wieder zu finden." 46 von 100 Katzen tauchen erst nach einer Woche wieder auf. Nach zwei Wochen sind es immer noch 26. Nach drei Wochen 12. Letztlich ist es irgendwann Zufall, aber man kann den Zufall durch Hartnäckigkeit zwingen. Und so laufe ich weiter zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten wie eine wandelnde Klagemauer durchs Ort. Porius, Porius. Peinlich? Mir doch egal.

Anderswo ist Sommerpause, bei uns ist Trainingsauftakt im kleinen Kreis. Pfingsten. Familienfest am Riederwald. Mit Autogrammstunde der Frauen-Mannschaft. Wieder ein Laktattest. Caio als running gag (obwohl ja eigentlich genau das Gegenteil – „German soccer club Eintracht Frankfurt proudly presents – Caio - not running gag“ ). Marco Russ geht vielleicht nach Wolfsburg. Dafür kommt Helmes. Helmes? Ach was wollen wir denn mit dem. Wir holen Drei noch bessere. Gekas soll kann will gehen oder bleiben. Aber Schwegler, der bleibt geht. Definitiv. Auf jeden Fall. Nach Mainz. Werder will Jung. Er muss bleiben. Oder doch nicht. Man weiß es nicht.

Was ich bisher auch noch nicht wusste: In Australien gibt es Kamele. Wilde Kamele. So viele, dass sie – wie bei uns die Wildschweine – zur Plage werden. Dagegen muss etwas getan werden. Tötungen im großen Stil. Daraus lässt sich etwas machen. Kamele rülpsen und stoßen dabei böses, böses Methan aus. Wer ein Kamel erschießt, tut also etwas für den Klimaschutz und erhält deshalb ein Umweltzertifikat im Wert von 75 australischen Dollar. Im Dienst der guten Sache. Ekelhaft. Vielleicht sollte man jetzt schon damit anfangen, in Griechenland Kamele aus zu wildern? Eine Option auf die Zukunft.

Im fernen Kanada feiert einer meiner jungen Mit-Adler seinenihren 18. Geburtstag. Heute hier, morgen da. Erst kommt es mir absurd vor, und dann tue ich es doch. Backe, koche, rühre. Buttercremtorte. Wie jedes Jahr. So wie früher meine Oma jedes Jahr für mich eine gemacht hat. Sogar mit Gittermuster. Besonders schön. Nichts bleibt wie es war. I havent’t changed much. Man muss dagegen halten.

Garagen. Büsche. Einfahrten. Höfe. Gesprächsfetzen. Grillduft. Lachen. Hellerleuchtete Fenster. Flimmernde Fernsehgeräte. Stille. Ein letztes Auto. Rascheln. Mann mit Hund. Dunkelheit. Nichts. Katzen, viele Katzen: Miau. Getigerte, Getigerte mit weißen Pfötchen. Schwarz. Schwarz mit Tigerdecke. Rot. Schwarz und weiß. Struppig. Dick. Nur einer. Fehlt.

Marcos Alvarez kommt von den Bayern Amateuren zurück zur Eintracht. Vielleicht. Das freut mich. Stefan Bell ist ein begabter junger Innenverteidiger. Er kommt aus Mainz. Ausgeliehen. Sicher? Wahrscheinlich. Ist schon da. „Stefan Bell wird Eintrachtler.“ „Wohl.“ Verleihnix (zumindest nichts, was du nicht besitzt).

Und so geht alles weiter seinen Leogang. Weiter. Immer weiter. Bell, Alvarez und - huch - Shai Mamon fahren mit ins Eintracht-Trainingslager, wo der der Eintracht gleich am ersten Trainingstag Wind und Regen ins Gesicht weht, und auch ich werde bei meiner Wanderung duch die Nacht von einem Guss erwischt. Porius. Porius.

Am Ende ist ja ohnehin selber schuld, wer alles glaubt, was er liest. Vielleicht ist das hier gar kein Blog? Vielleicht bin auch ich ein digitales Gespenst und sitze nicht im Rheinhessischen, sondern auf dem Mond? Vielleicht ist die Eintracht gar nicht abgestiegen? Und wenn doch? Dann haben wir trotzdem keinen Grund uns zu beklagen, denn schließlich haben wir es vorher gewusst, haben „handfeste Kritik“ geübt und trotzdem „in voller Kenntnis alle eklatanten Schwächen“ den Dingen ihren Lauf gelassen.

Ich überlege derzeit ernsthaft, ob ich mich künftig - statt zu grübeln, zu hadern und zu kämpfen - lieber doch öfter mal an das „Institut für Zukunftsdeutung“ halte, das mich vorgestern bei einer nächtlich-schlaflosen Tasse Pfefferminztee in irgendeinem Privatsender erschreckt hat. Da sitzen Menschen wie Untote hinter einem Tisch, vor ihnen aufgebaut wahlweise eine Kugel, ein Kartenspiel oder ein Laptop. Man muss nur ein paar Stichworte sagen, ihnen eine Frage stellen, dann sagen sie – jeder auf seine unglaublich spirituelle Weise - die Zukunft voraus. Der Anruferin, die gerne schwanger werden will, versprechen zum Beispiel die Karten mit leicht österreichischem Akzent: „Tragen’s einen Mondstein am kleinen Finger. Links. Oder nehmen’s an Lapislazuli oder an Smaragd her. Rechts. Am Mittelfinger. Dös klappt dann schon.“ Oder wie steht es um die Zukunft von Fukushima. Dort, im fernen Japan, „wird alles immer noch viel schlimmer.“ Das kann gut sein und damit ist das Thema auch bereits erschöpfend behandelt und eine weitere Anruferin wird ins Studio durchgestellt. Auch sie hat eine Frage, auf die sie gerne eine Antwort hätte. Schade, dass nicht ich die Anruferin war, obwohl doch auch ich im Moment zwei Anliegen habe, die mir brennend auf der Seele liegen:

„Werden wir unser Katerle wieder finden?“ „Wie geht es weiter bei der Eintracht?“

Ich klau mir einfach die Antwort, die der Anruferin in der Sendung auf ihre Frage gegeben wurde.

IfZ: „Schon ab August sehe ich beste Aussichten. So gut wie seit 28 Jahren nicht mehr.“
Anruferin: „Super!“

Kommentare

  1. :-( Ich drücke Euch weiterhin ganz, ganz feste die Daumen, dass Euer Katerchen bald wieder auftaucht!

    Liebe Grüße, Christine

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  2. Au Backe. Habe nur die Stellen mit dem Kater gelesen. Suchen habe ich bereits hinter mir, der Blick in jeden Strassengraben. Zum Glück nur einmal einen Fund an der Straße. Der immerhin für Trauer und kurz darauf Neuanfang mit neuem Katzenkind Raum lässt. Denn sie gehören, nein sie sind Familie.

    Ich hoffe sehr, das sie heimkehrt. Oder dass du Gewissheit bekommst. Immerhin. Das habe ich gelernt. Egal wie kurz so ein Kazzeleben ist, ihr habt ihr alles gegeben. Mehr geht nicht.

    Liebe Grüsse
    Thomas

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  3. Ich drück Dir auch ganz fest die Daumen!

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  4. Ach, Kerstin, was macht mich dieser Eintrag traurig - auch wenn Thomas natürlich recht hat.

    Liebe Grüße
    Rüdiger

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  5. Liebe Kerstin,

    das tut mit Porius tut mir sehr, sehr leid. Bei meinem ersten Katerle, der mir in einer Heidelberger Studentenkneipe zugelaufen ist (ein Taxifahrer hat sie in seinem Taxi gefunden und wußte nicht wohin damit), habe ich das auch erlebt. Habe wochenlang gesucht, bin in fremde Gärten eingestiegen, habe das gesamte Dichterviertel in Frankfurt in und auswendig kennengelernt, bin sogar auf einen Esel gestoßen, nicht aber auf meinen Tonton. Das war auch um Pfingsten herum. Mein Kater war nicht kastriert, wahrscheinlich war er auf der Suche nach einer Katzendame verloren gegangen. Er ist nie mehr aufgetaucht. Und obwohl das schon fast 30 Jahre her ist, werde ich immer noch traurig, wenn ich daran denke.

    Meine zweite Katze, die uns wie ein Wunder ein halbes Jahr später zugelaufen war (sie saß laut miauend mitten im Winter im verschneiten Garten), ist nach einem Umzug verschwunden, tauchte dann 3 Wochen später plötzlich wieder auf. Das war mit der glücklichste Moment in meinem Leben.
    Ich wünsche dir sehr, dass du auch diesen Moment erleben wirst. Im Ungewissen zu bleiben ist sehr quälend.

    Liebe Grüße
    Frl.Adler

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  6. Das ist so fies mit Porius. Ich hatte dir ja schon mal von einer meiner Katzen geschrieben, die nach Wochen wieder auftauchte. Sie hatte es geschafft, verletzt, aber sie war wieder da.

    Schade, dass Katzen nicht reden können. Sonst würde euch die andere Katze vielleicht was sagen.

    Ich drücke die Daumen. Und unsere Eintracht ist eh momentan irgendwie zweitrangig. Ich suche da gerade auch sehr verzweifelt nach einem Zeichen...

    Liebe Grüße
    Nicole

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  7. Ich danke euch sehr fürs Mitfühlen und für die traurigen, anrührenden, aber auch Mut machenden Katzengeschichten. Wir suchen und hoffen weiter; das Weh ist nach nun zwei Wochen weniger wild, aber nicht weniger weh. Wenn er doch käme, der eine glückliche Moment. Wir werden sehen. So oder so - allein wird Fiebi dauerhaft nicht bleiben.

    Porius. Porius.

    Danke euch sehr, lgk

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