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Rotundschwarze Eintracht-Schnipsel (Jahresabschluss-Edition) - Teil 2: Von Köln über Dortmund und Aachen bis Weihnachten

Teil 1? Klick!

Sonntag, 12. Dezember
Bruno Labbadia wird neuer Trainer beim VFB Stuttgart. Mein Mit-Adler, der zwar hauptamtlich Adler ist, aber von wegen schwäbischer Wurzeln auch Sympathien für den VFB Stuttgart hegt, ist schwer erschüttert.
Was hat der Sky-Reporter gestern noch gleich über den VFL Wolfsburg gesagt: „Mit dem Probleme lösen haben die Wolfsburger so ihre Probleme.“ Da sind sie offensichtlich nicht die einzigen

Montag, 13. Dezember
Die Eintracht hat am Samstag in Köln verloren. Ein guter Zeitpunkt, um endlich mal zu sagen, dass man es sowieso gewusst hat und die Punkte zur Sprache zu bringen, an denen es hängt. Kann ja gar nichts werden mit der Eintracht in dieser Saison. Fehlt überall. Hinten und vorne. Immer nur Gekas. Dürfen wir uns nix vormachen.

Merke: Nach überraschenden Siegen gegen Große unken und auf Schwachstellen aufmerksam machen, das kann jeder. Aber nach einer überflüssigen Scheiß-Niederlage bei einem potenziellen Absteiger den Teufel an die Wand malen und den nahenden Untergang erahnen – den Mut muss man erstmal haben.  Dazu gehört Sachverstand und Unerschrockenheit. Vor allem: Unabhängigkeit vom Main-Stream.

Wie? Was? Umgekehrt wird ein Schuh draus? Na gut. Auch recht ,-)

Dienstag, 14. Dezember
In Italien wird Silvio Berlusconi wieder gewählt. Die TAZ titelt: „Italien ist berechenbar.“ Das wäre ja grad noch zu verkraften.

Das Buch ist als Weihnachtsgeschenk nach wie vor sehr beliebt. Aus unserer Tageszeitung fällt mir ein Prospekt entgegen, auf dem eine vermutlich als gutaussehend geltende Grinsebacke in die Kamera guckt und ein farblich zur Headline passendes Buch auf eine Art in der Hand hält, dass man sofort sieht: Es ist das erste Mal. Oben drüber steht: „Ich lese!“ Glaub ich nicht, glaub ich nicht.

Mittwoch, 15. Dezember
Slaven Skeledzic, der bisherige Trainer der A-Jugend der Eintracht, verlässt nach 11 Jahren den Verein, Alex Schur übernimmt seinen Job - und damit auch wieder einen Großteil der Jungs, mit denen er letztes Jahr Deutscher Meister geworden ist. Jetzt, in der höheren Altersklasse, steht die Mannschaft derzeit nur 3 Punkte von einem Abstiegsplatz entfernt. Schuis Nachfolger bei der B-Jugend wird Uwe Bindewald.

„Da hammers widder mir Zwei.“ Den Abend verbringen wir aber nicht mit Zico 24, sondern mit Henni Nachtsheim und Gerd Knebel in der Phönixhalle in Mainz.

Donnerstag, 16. Dezember
Die Hartz IV-Reform (wir erinnern uns: 5 Euro mehr plus Bildungs-Chipkarte für Kinder) scheitert im Bundesrat an den Stimmen der SPD-regierten Länder. Mir ist nicht ganz ersichtlich, warum (6 statt 5 Euro?) – aber sei’s drum. Frau von der Leyen ist jedenfalls wild entschlossen auch über Weihnachten nicht zu rasten und zu ruhen und tüchtig für die gute Sache weiter zu verhandeln. Weil: „ Die Kinder warten darauf.“ Echt, mich schüttelt's bei diesem falschen Pathos. Was sie da wohl vor Augen hat? Heerscharen von bedürftigen Kindern, die „Bildung für mich statt Bier für Papa“ rufen und sich auf den dringend notwendigen Besuch im Porzellan-Museum freuen? Schau an - der Elefant war schon da.

Letztes Jahr ist die Weihnachtsfeier unserer Rheinhessenliga ausgefallen, der Schnee hatte uns ein Schnippchen geschlagen. Dieses Jahr nicht noch einmal. Nicht mit uns. Dieses Jahr trotzen wir Schnee und Wind und Wetter, rutschen noch ein Stückchen weiter ins rheinhessische Hinterland und verbringen einen Abend mit lieben Freunden. Essen. Trinken. Schwätzen. Das zurückliegene Jahr. Der Fußball. Die Lage der Liga. Die Welt an sich. Schön.

Freitag, 17. Dezember
Nicht "Sarrazin-Gen", nicht "Femitainment" auch nicht "Stuttgart 21" - Wutbürger ist das "Wort des Jahres". Also, ich weiß natürlich was gemeint ist – aber – mal ehrlich - das Wort hatte ich vorher noch nie gehört. Klingt aber gut: „Jetzt bei McDO – Wutburger-Wochen“

Samstag, 18. Dezember
Auf dem Weg nach Frankfurt tanken wir noch schnell und entdecken an der Tankstelle einen Lieferwagen mit Adler in der Heckscheibe. Im und ums Waldstadion versinken wir in Schnee und Schneematsch. Die Treppen zum Stadion sind glatt und rutschig und werden von Männern in gelb (nein, keine Dortmunder) bewacht. Also: bewacht (und nicht etwa geräumt). Das ist praktisch: Wenn nämlich einer fällt, ist gleich einer da, der ihm dabei zukuckt.

Morgens hatte ich in unserem „Ortsanzeiger“ gelesen, dass heute um 17 Uhr am Weihnachtsbaum in der Ortsmitte ein weihnachtliches Treffen mit Tanz und Gesang stattfindet. Keine Ahnung, ob um diese Zeit bei uns im Ort tatsächlich jemand singt und tanzt – im Waldstadion wird gehüpft und gesungen. Bäume und Weihachtsmützjer gibt es auch.Was für ein genialer, großartiger, atemloser und dann auch noch verdienter, tatsächlich verdienter Sieg gegen den künftigen Deutschen Meister. 60 Sekunden zwischen Niederlage und Sieg.Durchgefroren, mit nassen Füßen, aber laut singend brausen wir durch die Winterlandschaft nach Hause. Siebter. Wir sind Siebter. Jetzt noch am Mittwoch im Pokal in Aachen gewinnen und Weihnachten kann kommen.

Als Eintrachtler habe ich heut wenig zu kritisieren. Anders die Wutbürger. Ihnen gefällt nicht, dass Wutbürger zum Wort des Jahres gekürt worden ist. Sie sind keine Wutbürger, sondern machen konstruktive Vorschläge. "Scho recht." Und wie zum Beweis hat Onkel Heiner auch gleich einen konstruktiven Kompromissvorschlag ausgearbeitet. Nicht Wut-Bürger, Mut-Bürger muss es heißen. Oder doch vielleicht Gut-Bürger? Wie auch immer. Seufz.

Sonntag, 19. Dezember
Hajo Rauschenbach ist in dieser Woche verstorben und - Mann, Mann, was hab ich diese Woche eigentlich gemacht? - erst in Kids Blog bekomme ich es mit. Erinnerungen an versunkene Fernsehzeiten. Hajo Rauschenbachs Markenzeichen waren seine blumenreiche Sprache, sein Toupet, seine Metaphern, die nicht immer charmant, und oft knapp daneben waren und manchmal genau deshalb ins Schwarze trafen. Früher war alles besser? Weiß ich nicht, glaub ich nicht. Aber das Alltägliche war liebenswerter und harmloser. Schnaps war Schnaps. Darauf einen Dujardin.

Schaffner sein, das war einmal was. Das gilt wohl auch für den Sportreporter. Und für das Wetter. Ok. Es schneit. Ok. Es ist wilder, wilder Winter. Aber ist das eigentlich normal, dass jetzt alles zusammen bricht? Je vernetzter, desto crash. Graaaaaaade jetzt, wo jeder unbedingt noch irgendwo hin will, wo er gar nicht hin muss. Die Autos können nicht fahren. Die Bahn kann nicht rollen. Die Flieger können nicht fliegen. Unser Rat: Bleiben Sie mit Ihrem Arsch einfach zu Hause.

Abends tobt ein Sturm ums Haus, es tropft und plitscht vom Dach, der Schnee schmilzt.

Montag, 20. Dezember
Doch nicht. Schneeschmelze war gestern. Heute ist: Schnee. Um zehn Uhr fängt es an und dann wirbeln und fallen die Flocken. Dicht und weich. Unser lieber alter Kater verschläft die Tage auf dem Kaminbänkchen.

Dienstag, 21. Dezember
Ich weiß gar nicht, was immer alle haben. Wenn ich mir die Stapel mit den Bestsellern in der Buchhandlung anschaue – kein Zweifel, wir leben in einer pluralistischen Gesellschaft. Links: Josef Ratzinger „Licht der Welt“, rechts: Thilo Sarrazin: „Deutschland schafft sich ab“. Und in der Mitte: Keith Richards „Life“.

Mittwoch , 22. Dezember
Das Elfmeterschießen in Aachen verfolgte ich mit dem Kopf unter einem Kissen nur anhand der „Tonspur“ im Nebenzimmer. Ich weiß, dass Martin Fenin als erster schießen wird. Ein kurzes „Jaaa!“ von nebenan. Ok. Drin. Verrauschtes Jubeln. Ok. Der zweite Aachener hat auch getroffen. Jetzt kommt Alex Meier. Bitte, denke ich, bitte, bitte. Wenn es denn wirklich sein muss, dass einer von uns verschießt, dann bitte nicht er. Stille. Aufstöhnen. „Oooooo Maaaaaaaan..." Caio – trifft. Ama – trifft. Nützt alles nichts, Wenn jetzt der letzte Aachener („Wer?“„Auer!“) trifft, dann ist alles vorbei. Ziehe mir mein Kissen fester über die Ohren. Von ganz fern - verrauschte Stimmen, Stadionkulisse, pfeifen. Dann Stille (Auer läuft an). Dann: „Ok, das war’s.“ Und wieder Stille. Einer meiner Mit-Adler hat den Fernseher ausgeschaltet.

Donnerstag, 23. Dezember
Bin immer noch gedetscht, aber irgendwie auch stolz und aufgewühlt. So ist Fußball. Alles gegeben, gekämpft. Am Ende doch verloren. Und dabei hätte doch eigentlich alles ganz anders ausgehen können. Müssen. Hätte. Wenn nur. Wenn nur nicht. Eigentlich. Trotzdem. Es ist vorbei. Kleiner Trost: Wir können jetzt sicher sein, dass auch unser Trainer weiß, warum Martin Fenin bei uns bleiben sollte. Gell?

Die Zeit erklärt das Jahr 2010 zum Jahr der Charismatiker – Barack Obama, Julian Assange, Theodor zu Guttenberg. Ach du Scheiße.

Apropos Assange, Apropos WikiLeaks: Ist der Anspruch, alles wissen zu wollen, im Namen der Freiheit so sehr verschieden vom Anspruch, alles wissen zu wollen, im Namen der Sicherheit? Und entbirgt am Ende nicht beides vor allem eins: Unfreiheit. Mein ja nur.

Freitag, 24. Dezember
In der Nacht von Donnerstag und Freitag hat in Mainz ein Erdbeben stattgefunden. Das Epizentrum lag, wie es heißt, genau am Standort der Coface Arena. Die Stärke des Bebens lag bei 3,5 auf der nach oben offenen Richterskala. Pah. Wetten, dass wir das nächstes Jahr besser hinkriegen?

Aber jetzt erst mal: Weihnachten. Letzte Einkäufe. Die Buden auf dem Weihnachtsmarkt werden schon abgebaut. Einzelne Marktstände kauern sich verfroren in den engen Straßen der Altstadt. Hier ein Gruß, ein Nicken. Frohes Fest. Die Stadt wird still. Wir essen noch eine Kleinigkeit und fahren dann auf dem Nachhauseweg noch eine Kurve nach Rüsselsheim, zum Friedhof. Oma. Opa. Papa. Dicker Schnee auf Gräbern und Bäumen. Graues Licht, fühle mich traurig und froh, dankbar und wehmütig. Hey alle. Schon wieder ein Jahr vorbei. Schnee rieselt. Lichter blinken. Wir fahren heim.



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Kommentare

  1. Ich glaube auch nicht, dass er liest. Sonst würde er es ja tun und nicht beliebig in die Gegend grinsen und das Buch wie einen frisch gefüllte Windel halten.

    Schön aber, dass ich jetzt weiß, für was die Ordner im Stadion da sind - um mir beim Fallen zuzusehen.

    Bei Wutbürger lese ich übrigens immer Wutbrüger und weiß nicht warum. Sinn ergibt das nicht, aber das tun die anderen Wortkreationen - prämiert oder unprämiert - ja auch nicht.

    "Bleiben Sie mit Ihrem Arsch einfach zu Hause", ist ein verständlicher und nützlicher Rat. Darauf nehme ich den Dujardin gerne.

    Keith als Sandwich zwischen den Herren Ratzinger und Sarrazin - das hat er nicht verdient. Keith hat seine Schwächen, aber immerhin etwas zu erzählen. Kann nicht jeder von sich behaupten. Du allerdings schon. Und deswegen komme ich immer wieder gerne her.

    Gruß vom Kid

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  2. Was für ein schön geschnipselter, hingetupfter Kommentar :-) Hihi. Frisch gefüllte Windel. Und Wutbrüger? Mmh. Wenn ich von Frankfurt nach Mainz fahre und am Rüsselsheimer Dreieck beim Abzweig Richtung Heidelberg vorbeikomme, lese ich - schon seit vielen Jahren - ebenso konsequent wie unsinnig und mit immer gleicher Überzeugung: Heidelbeere. Ich glaube: Wutbrüger und Heidelbeere sind ein Baustein auf dem Weg zum Ballastabwurf :-))

    Keith hat das Eingeklemmtsein zwischen Skylla und Charibdis wirklich nicht verdient. Aber um den müssen wir uns keine Gedanken machen ,-)der ist schon mit anderem fertig geworden *g (Grad der vordere Teil des Buches, die Kindheitserinnerungen – sehr atmosphärisch, sehr viel Zeitkolorit. Ich mag besonders Onkel Gus. – Trotzdem erstaunlich, dass das Buch so viele Leser findet. Hätt ich nicht gedacht – weil: Ich glaub, das Interesse gilt in diesem Fall tatsächlich vorrangig Keith Richards und nicht den Stones...)

    Ich freu mich, dass du gerne her kommst. Sehr!

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