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Je höher desto platsch.

Beim Pokalsieg gegen den HSV haben wir das Europalied hechelnd in den Stadiongängen mitgesungen und waren punktgenau mit dem Anpfiff im Stadion. Beim Zaubersieg gegen Wolfsburg standen wir beim Europalied oben auf der Treppe zum Block und konnten im Stadion mitsingen.

Heute, beim Spiel gegen die Nullpfümpfa (hallo L. :-), ist alles ganz anders. Wir sind trotz Stau, trotz Wetter und hungerbedingtem Verzehr einer Worscht früh dran und stehen bereits um 10 vor 3 in der Schlange vor dem Haupteingang. Und da stehen wir nun also. Und stehen. Eine fahle Sonne am grauen Himmel über uns, unter uns grauer Schneematsch. Wir stehen, eng an eng. Es tut sich. Nichts.

Drei Uhr. „Hey, ihr da vorne...hallo... das geht auch schneller.“ Null Bewegung. „Noch schneller.“

Zehn nach drei. Raumgewinn bisher: Ein Meter. Ich stehe mitten in einer Riesenpfütze, die Flüssigkeit sickert allmählich durchs offensichtlich nicht mehr ganz dichte Schuhwerk. Der Pulk wird unruhig, der Ton bärbeißiger. Galgenhumor. „Wir wollen rein. Wir wollen rein.“ „Hey – alle, die die nix dabei haben, schon mal die Hände heben, die können durchgehen.“ Die Welt könnte so einfach sein. „Frankfurter Jungs, Frankfurter Jungs.“ Links, ganz hinten in der Schlange, weht eine einsame 05er-Fahne. „Tor auf. Tor auf.“ Das wär doch mal eine Geschäftsidee: Eine Sky-Sportsbar direkt neben dem Eingang.

Zwanzig nach drei. Raumgewinn in der letzten halben Stunde: Zwei Meter. Vor mir steht ein kleiner, älterer Herr mit Bommelmütze. „Was isn des fer en Nikolos da vorne?“ Was? Ein Nikolov an der Eingangskontrolle? „Ei, kein Wunder, dass wir immer noch hier stehen – der Nikolov lässt keinen rein.“ Muhahaha. Trotzdem, so ganz allmählich isses nicht mehr lustig. Der bommelbemützte Herr erzählt inzwischen Schmönkes aus seinem Fan-Dasein. Damals, im letzten Winter gegen weiß-nicht-mehr-wen, da war seine Frau mit im Stadion und die hat den Jägermeister im Büstenhalter nach drinnen transportiert. Hat keiner gemerkt. Haben sie drinnen dann erstmal einen getrunken. „Nein. Quatsch. Keine Literflasche. Was denkst dann du? So kleine Fläschjer.“ „Haha. Flachmänner.“

Zwei vor halb. Jetzt endlich stehen wir an der Einlassschleuse. Der Security-Mensch ist gut gelaunt. Scherzt. Tuchelt (aha!) noch kurz irgendetwas mit seinem Kollegen, bevor er den nächsten Schwerbewaffneten von Kopf bis Fuß abtastet. Hat der sie noch alle? Hallo. Da drinnen wird Fußball gespielt.

Wir sind durch. Vor-dem-Spiel-Ritual und Anpfiff heute also ohne uns. Scheiße. Laufschritt. Hecheln. Hetzen. Hey. Ho. Haaaaallo. „Kerstin?“„Nicole?“ Nicht zu fassen. Nie schaffen wir es, uns leibhaftig zu treffen und jetzt rennen wir hier nebeneinander durch den Wald. Wilde Horden. Die rasenden Töchter Attilas. Zusammen mit der winzigen Rosa, die in ihren dicken Thermohosen nicht so schnell vorwärts kommt wie sie möchte. Sieg. Sieg. Und weiter. Schwacher Trost: Wir sind nicht allein. Im und ums Stadion überall hektisch rennende Eintrachtler. Im Vorbeiwitschen ein kurzer Blick durchs Tor unter der Haupttribüne aufs Spielfeld. Ah. Ama spielt. Weiter. Die Treppe nach oben. Achtung, glatt. Und dann endlich. Im Block. Uff. Fünf Minuten sind schon gespielt. "Eintracht. Eintracht."

Gut zweieinhalb Stunden später tappern wir wieder durch den Wald, deutlich gemächlicher und beschwingter. Meine Knie sind noch wackelig, mein Magen flau, aber mein Herz hüpft wie Gekas nach dem verwandelten Elfer. Ein klar überlegenes Spiel gezeigt. Gekämpft. Gespielt. Gewonnen. Gewonnen. War eng, aber hoch verdient. Sieg. Sieg. Sieg. Das hier war kein Derby. Schon klar. Jaja. Das unwichtigste Spiel des Jahres. Blabla. Mag sein, dass manche hier und da das so sehen. Ich nicht, denn für uns Eintrachtler, die wir in und um Mainz herum wohnen, haben die kommenden Wochen jetzt einen besonderen Glanz. Nicht, dass wir uns hier verstecken, wenn es bei der Eintracht mal nicht so läuft. Das ist nicht Adler-Art. Aber jetzt sind die Dinge sozusagen auch von offizieller Seite wieder gerade gerückt und wir können mit froher Erwartung – fast bin ich geneigt zu sagen: ein wenig schelmisch ,-) - all dem entgegenblicken, was da so auf uns zukommt: Weihnachtsfeiern und Gansessen. Liga- und Kappesitzungen. Abiturparties. Bezirksligaspiele. Weihnachtsmärkte. Silvesterfeten. Geschäftstermine. Schulkonzerte. Theaterbesuche.

Mein Herz glitzert und blinkt und blitzt wie die Westkurve in der zweiten Halbzeit.

Fein war’s. Danke.



Epilog beim Bier

„War es ein Elfer oder war es kein Elfer?“

„Sagen wir mal so: Was ist der Unterschied zwischen einem Krokodil?“„Je größer, desto schnapp.“

„Richtig! Und der Unterschied zwischen einem Sprungbrett?“ „Je höher, desto platsch.“

„So ist das. Und der Unterschied zwischen einem Sieg?“ Stille. „Je dreggischer, desto hüpf?“ "Genau!"

Irgendwie ist am Ende dann halt doch alles eine Frage des Timings.

Kommentare

  1. Der Sieg geht mehr als in Ordnung. Ein ziemlich wahrscheinlicher Elfer gegen eine nicht gebene rote, zumindest aber dann gelbrote Karte, wenig inspirierte Mainzer und eine kampfstarke und durchdacht spielende Eintracht - das passte doch. Nur die Verletzung von Oka hätte nicht sein müssen; hoffentlich kommt er wieder!

    Danke auch noch für die Erinnerung an Liam. Er ist einer von denen, ohne die die Welt sehr viel ärmer dran ist. C.

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  2. "Die rasenden Töchter Attilas."

    Hihi. Schön.

    Nicht schön sind die "Sicherheitskontrollen". Blendwerk. Gaukelei. Teuer obendrein. Kurz: Ärgerlich. Und es soll Leute geben, die ärgern sich so lange und so sehr, bis sie ihre Ankündigung wahr machen und zu Hause bleiben. Auch wenn's weh tut.

    Gruß vom Kid, der sich für den kurzweiligen und schönen Blogeintrag sehr bedankt

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  3. Das hast du wieder schön geschrieben, liebe Kerstin.

    Attilas Töchter rasen durch den Wald *gg*. Nachdem mein Tipp ja (zum Glück) nicht stimmte, wird Rosa das nächste Mal tippen, habe ich ihr versprochen.
    Winzig ist sie nicht, ein bisschen klein für ihr Alter ;-).

    Jetzt hast du ein paar Monate zum genießen bis zum Rückspiel.

    Grüße von Nicole

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  4. @ Celtix: Oka – und auch Franz – werden fehlen, das ist richtig. Aber so leid es mir für die beiden tut: Ich bin gespannt, ob und wie Fährmann die Verantwortung annimmt. Und das Vasi wieder da ist, ist einfach nur schön. Wg. Liam: Ooooooh, das freut mich sehr, dass du das gesehen und wahrgenommen hast! Ein ganz Großer. „Mighty fine balladeer.“ (BD)

    @Kid: Diese elenden Einlasskontrollen sind natürlich alles andere als posierlich – aber so is er halt der (hessische) Mensch, er geht irgendwie mit dieser Scheiße um und grantelt und brabbelt sich so durch. Geht aber auch nur, weil sich die Kontrollen im Waldstadion im Moment noch darauf beschränken, lästig, unangenehm und nervig zu sein. Die „Würde“, so weit in diesem Zusammenhang dieses Wort überhaupt noch einen Sinn hat, wird irgendwie noch gewahrt. Aber es ist wirklich (wie bei so vielem) die Frage, ob und wie lange man sich das noch antut bzw. antun darf, wenn man sich selbst gegenüber glaubwürdig bleiben will.

    @ Nicole: Oh nein, oh nein. Die winzige Rosa war natürlich nicht despektierlich gemeint, sondern lieb. Sie sah so putzig aus, eingemummelt und rundherum die wilden Horden. Ich korrigiere: „ … zusammen mit der kleinen Rosa, die in ihren dicken Thermohosen winzig und ein wenig verzweifelt wirkt, weil sie nicht so schnell vorwärts kommt wie sie möchte….“ Besser?? :-)

    Danke für euer nettes Feedback – freut mich sehr, weil: War ja eigentlich viel zu spät mit dem Eintrag und eigentlich alles schon gesagt. Lgk

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  5. Nein, es war nicht alles gesagt, wie man hier lesen kann. Und es war und ist auf keinen Fall zu spät. Für solche Einträge ist es nie zu spät! Schnell oder nie - es ist ein Diktat des Wesens des Internets, dem du dich bitte nie nicht unterwerfen solltest. :-) Manche Gedanken benötigen eben etwas Zeit - so wie jedes Wort seine Stunde hat, hätte meine Mutter nun noch hinzugefügt. Die schönsten Sachen wachsen oft still und heimlich im Verborgenen. Und auch diese kleinen Schätze sollten in einem Zeitalter, in dem das Tempo die Qualität zu oft zu verdrängen scheint, zu ihrem Recht kommen. Und wer sollte dafür Sorge tragen, wenn nicht wir Blogger, die nur abhängig sind von unseren Launen und kleinen Nöten, nicht aber von der Bezahlung durch Dritte. :-) Gruß vom Kid

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  6. Atillas Töchter rasen durch den Wald,*lächelt*-wunderbar,aber besser als fliegen bei dem Wetter.:-))).
    Schöne Nachbetrachtung und Kerstin,vielleicht weisst du jetzt,warum ich immer auf den letzten Drücker-ins Stadion gehe.
    Lieber laufe ich durch den Wald und gehe 10.Min vorher rein-ins Stadion,dass habe ich mir oft genug angetan-in der Menschenmenge,jetzt nicht mehr.
    LG
    (B).

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  7. Ich gehe auch schon um 14:00 rein,da geht es noch ruckzuck.Treffe mich dann immer vor dem Block 24 mit dem Harry aus Finthe und seiner Familie.Dann lassen wir zwei uns immer vor dem Spiel knipsen, soll Glück bringen.Meistens klappts.Ist halt immer schön in der Eintrachtfamilie.

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  8. Mmh – genau das sind die beiden Varianten, um diesem Einlass-Hickhack zu entgehen: Entweder besonders früh – wie du Happy-Adler - oder besonders spät – wie C-Willi - vor Ort sein. Leider ist das bei uns (…ähem: bei mir….) nicht immer so planbar.

    Attilas Töchter rasen und wenn sie auch zum Glück nicht (hin)fliegen: Vielleicht heben sie zum Ende der Saison einfach zusammen ab? Das wär’s doch :-))) – und spätestens dann müssen wir aber wirklich einen gemeinsamen Landeplatz ausmachen!!!

    Dir, lieber Kid, ganz herzlichen Dank für die freundlichen und klugen Worte – kamen irgendwie genau zum richtigen Zeitpunkt und haben mich froh gemacht. Man muss sich von Zeit zu Zeit immer wieder mal selbst daran erinnern: Nix „Klumberenne“ - Erzähl- und Denk-Raum. Deine Mutter war eine kluge Frau.

    Danke euch fürs Mitlesen und Kommentieren!

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  9. Je dreggischer, desto hüpf ... so soll es sein. Und jedes Wort hat eine Zeit, in der es aufegschrieben wird. Und eine Zeit in der es gelesen wird. Immer wieder. Vielen Dank für die schönen Worte & Sätze. Sie verzaubern.

    Viele Grüße & weiterhin sichere Straßen,
    Fritsch.

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  10. Schöne und so wahre Worte von Kid!

    Ansonsten bin ich auch gern früh im Stadion. Wir haben da eigentlicht einen genauen Zeitplan ;-). Bloß nicht "Im Herzen von Europa" verpassen, die bekannten Leute begrüßen und so... Die Rituale halt, wertvoll und wichtig.

    Ja, Attilas Töchter heben am Ende der Saison ab. Wir schaffen das!

    Liebe Grüße
    Nicole

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