Mittwoch, 16. Juni. Bei der WM in Südafrika laufen heute die letzten Spiele der ersten Vorrundenetappe, im Hanauischen gibt es heute bereits ein Halbfinale zu sehen – die U17 der Eintracht spielt gegen Hertha um den Einzug ins Meisterschaftsfinale der B-Junioren. Den Termin habe ich mir schon lange vorgemerkt, die Tickets liegen seit Tagen auf meinem Schreibtisch und dann, im letzten Moment, sieht es dann doch so aus, als könnten wir nicht fahren. Bei uns tobt im Moment arbeitsmäßig der Bär, wir wussten, dass es eng werden würde mit dem Fahren. Aber jetzt. Um drei. Um vier. Um fünf. Als hätten alle sich verschworen. Das muss unbedingt noch raus. Frau M.wartet auf Feedback, Frau F. braucht noch Input, Herr S. will anfangen zu drucken. Wir kommen nicht weg, Halbfinale ohne uns. Kacke. Menno. Gibt’s doch nicht. Wut. Ich will, ich will. Noch ein Mail. Schluss jetzt. Basta. Egal - wir fahren.
Schnell noch zwei Mit-Adler abholen, um zwanzig vor sechs sitzen wir zu viert im Auto Richtung Frankfurt. Im Radio laufen die letzten Minuten der WM-Partie Spanien gegen Schweiz. Nicht zu fassen. Tatsächlich. Die Schweizer. Ohne unseren Pirmin, aber mit unserem Benni. Hammer. Auf der Autobahn staut sich der Feierabendverkehr, hinter Babenhausen drehen wir eine unfreiwillige Runde durch die Schönheiten der Landschaft („Bruchköbel? Stimmt – als wir letztens bei einem Spiel der Eintracht nach Bruchköbel wollten, waren wir da nicht zuerst in Langenselbold…“ Ha, ha.) Als wir dann endlich am Leistungszentrum in Langenselbold landen ist es kurz nach sieben. Vielleicht fängt das Spiel ja doch erst um halb acht an? Nein, sie spielen schon. Aber es gibt außer uns noch andere Nachzügler, die von allen Seiten heranströmen. Na ja, sie strömen nicht gerade, sie tröpfeln.
Das neue Sportzentrum der Spielvereinigung Langenselbold liegt am Ortsrand und ist ein weitflächiges Gelände mit mehreren Rasen- und Kunstrasenplätzen, einer Tartanbahn, Sand- und Sprunggruben – an den Fahnenmasten neben dem Eingang sind die Eintracht- und die Hertha-Flaggen gehisst. Alles sehr nett, aber eigentlich hatte ich mir das alles ein bisschen stadionmäßiger und offizieller vorgestellt – hey: Wir sind Eintracht Frankfurt. Das hier ist das Halbfinale um eine Deutsche Meisterschaft. Die Bande auf der Gegengeraden sind gut gefüllt - das denn doch - wir suchen uns ein Plätzchen in der Sonne hinter dem Tor, nehmen auf dem Weg dorthin (Hunger!) noch für jeden eine Bratwurst mit. Sie ist kross gebraten und schmeckt, ist aber leider kalt. Macht nix.
Ich habe die U17, diesen „goldenen Jahrgang“ bisher noch nicht spielen sehen, und bin sehr gespannt. Ob es am Druck oder an der Nervosität liegt - in der ersten Halbzeit ist von der Mannschaft, die so souverän die Südwest-Meisterschaft gewonnen hat, wenig zu sehen. Das Spiel ist insgesamt eher schwach, aber die Hertha dominiert das Geschehen und die Eintracht überzeugt vor allem durch gute Defensivarbeit – sehr aufmerksam, technisch stark, hohe Laufbereitschaft. Auffallend, dass kaum gegrätscht wird –die Bälle werden abgelaufen, auch kritische Situationen an der eigenen Torlinie werden versucht, auf spielerische Weise zu lösen. Ich suche nach Julian Dudda und Erik Wille, die ich neulich im Museum kennen gelernt habe. Dudda spielt eine sehr starke Partie in der Innenverteidigung, Kapitän Wille versucht vor der Abwehr (als 6er?) nach vorne aufzubauen, was in der ersten Halbzeit nur bedingt gelingt. Nach vorne läuft wenig, kaum ein Pass, der seinen Mann findet. Zudem markieren die Herthaner unsere Spitzen sehr eng, Sonny Kittel hängt in der Luft, bekommt kaum Bälle, holt sie sich auch nicht (wie ich hinterher erfahre: Er ist angeschlagen, spielt unter Schmerzen). Aber wie gesagt: Hinten stehen die Jungs gut – und das ist auch nötig, denn Hertha, die in unsere Richtung spielt, wird stärker, arbeitet sich immer mehr Chancen heraus. Ein Herthaner rutscht fünf Meter vor dem Tor einschussbereit am Ball vorbei. Boah, das war knapp. Angriff über links, der Herthaner ist schon im Strafraum – vertändelt den Ball, schießt doch noch, ein zwei Eintrachtler dazwischen. Uaah… geklärt. Halbzeitpfiff. Wenn die Hertha mit ein oder zwei Toren führen würde, dürften wir uns nicht beschweren.
Im Stadion leider keine Spur von Halbfinalstimmung, stattdessen Feierabend-Athmosphäre. Blauer Himmel, ein paar Wölkchen, Sonne, kühler Wind, Bratwurstduft, hier ein Schöppsche, dort ein Bier. Kein Support, vereinzelt ein paar Fahnen und Rufe. Rund ums Spielfeld sind in kurzen Abständen kleine Jungs als Balljungen aufgestellt. Aus der Entfernung sehen sie aus wie kleine rote Punkte und nehmen ihren Job sehr ernst („Du musst deine Position halten.“) Der Stadionsprecher (Ist das Beve? Er ist’s, er ist’s) verkündet die offizielle Zuschauerzahl - 900 - und hofft auf lautstarke Unterstützung für unsere Jungs in der zweiten Halbzeit.
Im Stadion leider keine Spur von Halbfinalstimmung, stattdessen Feierabend-Athmosphäre. Blauer Himmel, ein paar Wölkchen, Sonne, kühler Wind, Bratwurstduft, hier ein Schöppsche, dort ein Bier. Kein Support, vereinzelt ein paar Fahnen und Rufe. Rund ums Spielfeld sind in kurzen Abständen kleine Jungs als Balljungen aufgestellt. Aus der Entfernung sehen sie aus wie kleine rote Punkte und nehmen ihren Job sehr ernst („Du musst deine Position halten.“) Der Stadionsprecher (Ist das Beve? Er ist’s, er ist’s) verkündet die offizielle Zuschauerzahl - 900 - und hofft auf lautstarke Unterstützung für unsere Jungs in der zweiten Halbzeit.
Die Mannschaften kommen wieder aufs Feld und beide haben sich erkennbar etwas vorgenommen – Alex Schur scheint einige Umstellungen in der Mannschaft vorgenommen zu haben. Sonny Kittel, der bisher als – sehr weit vorne – hängende Spitze agierte, rückt weiter nach links und wird jetzt immer öfter mit langen Flankenwechseln aus dem Halbfeld bedient. Überhaupt: Immer wieder lange Bälle, Seitenwechsel, die Abwehr der Hertha ist gezwungen, ihre Ordnung aufzulösen – allerdings steht auch die Eintracht-Defensive nicht mehr so sattelfest wie in der ersten Halbzeit. Das Spiel wird immer laufintensiver - das, was man einen offenen Schlagabtausch nennt. Auch am Spielfeldrand kommen die Vibes an, Rufe, vereinzelt wird „Eintracht, Eintracht“ intoniert. Rasseln. Fahnen. Tröt. Huch – da wird doch nicht jemand – doch ,-)
Jetzt zeigt auch die Eintracht-Offensive, was sie drauf hat. Uns fällt vor allem der 9er – der, wie ich jetzt weiß, Lukas Ehlert heißt - auf. Er setzt sich immer wieder auf der rechten Seite durch, auch im Spiel Mann gegen Mann gegen die körperlich sehr robusten Herthaner durch. Der Elfer – Okan Derici – zeigt ebenfalls ein starkes Spiel. Und auch Sonny Kittel kommt mit zunehmender Spieldauer immer besser ins Rollen – spielt seine Schnelligkeit aus, schafft Räume, ist Dreh- und Angelpunkt für Konter, geht selbst (schöner Alleingang gleich zu Beginn der zweiten Halbzeit) setzt seine Mitspieler ein, vertändelt aber auch viele Bälle – noch ein Übersteiger, noch ein Zidane-Dreher.
Ungefähr in der 60. Minute muss Lukas Ehlert leider vom Platz. (Verdacht auf Handbruch wie ich später lese). Für ihn kommt Gianluca Asta („Boah, ist der klein.“) In der Tat wirkt der Junge auf dem Platz – insbesondere wenn er neben einem baumlangen Herthaner hertrabt, sehr schmächtig (also: Benny Köhler vs. Alex Meier ist nix dagegen) – aber er ist sehr wendig und wuselig, fast übereifrig, bietet sich an, geht in die Spitze – kein Zufall, dass er es ist, der schließlich das 1:0 für die Eintracht macht. Sonny Kittel ist auf links durch, wird abgedrängt, müsstekönnte selbst schießen, fast ist die Chance vorbei, da sieht er Asta heranspritzen, schiebt den Ball in die Mitte. Tor. Tor. Tor. Die Jungs kriegen sich kaum ein vor Glück. Gianluca reißt sich das Trikot vom Leib und kassiert prompt die gelbe Karte. Jubelknäuel. Wiederanpfiff. In den nächsten Minuten dreht die Eintracht auf. Jetzt läuft der Ball – mit langen Bällen wird die Hertha-Abwehr ein ums andere Mal ausgekontert. Nur fünf Minuten später fällt das 2:0. Derici. Bärenstark. Das hat er sich verdient.
Fast sieht es jetzt nach einem Kantersieg der Eintracht aus, aber dann mmh… irgendwie ist die Luft raus. Die Konter werden nicht mehr ausgespielt, die Abwehr wackelt, das Spiel wird unkontrollierter, die Jungs sind platt. Hertha wirkt physisch stärker, prompt fällt aus einem Getümmel vor dem Eintracht-Tor aus kurzer Distanz der Anschlusstreffer (die Strafraumbeherrschung unseres Torwarts hat, wie mir scheint, Optimierungsspielräume *g). Noch zwei Auswechslungen in der 77. und 79. Minute, Nachspielzeit. Jetzt bloß nicht noch der Ausgleich. Ok. Abpfiff. Die rotundschwarzen, aber auch die blauen Jungs sacken auf dem Spielfeld zusammen. Platt.
"Mein Herz schlägt schwarz, mein Herz schlägt rot und das auch noch gestreift" klingt es aus dem Lautsprecher, ein frohes Kribbeln durchauert mich. Hey. Wahnsinn. Cool. Unsere Jungs. Fast im Finale. Ich schlendere um den Platz herum, vorbei am Hertha-Bus, der hinter der Tribüne geparkt ist, schaue, ob ich bekannte Gesichter entdecke, winke hier, schwätze da. Heribert Bruchhagen war da, bekomme ich erzählt. Peter Fischer sowieso. Auch Michael Skibbe sei gesichtet worden. Ob das 2:1 reichen wird? Schwer zu sagen - das Rückspiel ist bereits in drei Tagen. Einige Spieler sind angeschlagen. Jedenfalls zählen auswärts geschossene Tore nicht doppelt. Bei 2:1-Gleichstand geht es direkt ins Elfmeterschießen. Wollen wir hoffen, dass das nicht nötig sein wird. Hey – Jungs – ihr packt das! IHR PACKT DAS! „Tschö – bis zum Endspiel am Bornheimer Hang.“
Am Ausgang rollt ein Offizieller gerade die Hertha-Fahne ein - huch – mussten die Herthaner ihre Flagge selbst auf- und wieder abhängen? In der Abenddämmerung machen wir uns auf den Heimweg, vor dem Hintergrund einer aberwitzig schönen Himmelskulisse. Die untergehende Sonne begleitet uns, zunächst als roter Ball, dann versinkt sie in rotlilaorangen Streifen am Horizont. „Das Spiel der Südafrikaner gegen Uruguay ist das bisher schlechteste Spiel dieser WM“, verkündet der Sprecher aus dem Radio. Ach, noch eins? Jedenfalls führen die Urus. Na dann!
Oops - sorry - dummer Fehler. "Leistungszentrum Youngster" ist natürlich der Oberbegriff für den Jugendbereich der Eintracht und nicht der Stadions in Langenselbold - das ist einfach das "Sportzentrum". Ich korrigier das jetzt... ok... erledischt :-)
AntwortenLöschenSehr schöner Bericht von dunserer U17.Hoffe sie packen es ins Endspiel.
AntwortenLöschenDanke Kerstin-war kurz da-bin wieder weg.
LG
(B).
er wars, der beve :-)
AntwortenLöschenschöner bericht, danke dafür und
viele grüße
beve
Ich habe es nicht nach Langenselbold gepackt, obwohl ich bis zum Schluss darauf gehofft hatte. Doppelt schön also für mich, hier über das Spiel lesen zu dürfen. Danke! Gruß vom Kid
AntwortenLöschenIch hoffe mal, dass ich am nächsten Samstag einen noch viiiiiiiiiiiiel schöneren Bericht schreiben kann :-)
AntwortenLöschenDanke und Grüße in alle Richtungen!