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Tschüss!

Sonntag, 18. April, 16 Uhr. Auf dem Weg zum Stadion fahren wir hinter einem LKW her, auf dem ein überdimensionales gezeichnetes Häschen zu sehen ist. Daneben steht auch was. Aha: „Möhren-Erzeuger und Verpackungsbetrieb“. Wie werden Möhren denn erzeugt? Ich dachte, die wachsen. Aber vielleicht werden sie in diesem besonderen Fall ja geschnitzt. Schon sind wir vorbei. Am Flughafen steigt gerade ein Flieger in den blauen Himmel – huch!

Die Schlange vor den Eingangstoren ist wieder einmal lang. Die Sonne steht direkt über uns. Ja, doch, sie brennt schon ganz schön. Hätt man halt doch die Kapp aufsetzen sollen. Gedrängel. Leiser Unmut. „Frauen und Kinder zuerst.“ Gejohle. Nix da. „Da müsse die doch später anpfeifen…“ Müssen sie nicht. „Ohne uns fange die net an…“ Doch, doch, das werden sie.

Fange gerade an darüber nachzudenken, was zuerst war: Der Rucksack oder der Mensch. Und: Was um des Himmels willen, ist da alles drin, in diesen Rucksäcken, die die Menschen mit ins Stadion tragen. Nimmt man einen Rucksack deshalb mit, weil man so viel zu transportieren hat? Oder ist es umgekehrt: Füllt man den Rucksack, weil man ihn hat? Diese Frage bleibt fürs erste ungeklärt, denn jetzt sind wir drin im Stadion. Eintracht, wir kommen.

Wir sind da – ob unsere Mannschaft es auch ist, bleibt fürs erste unklar. Das Stadion liegt im Sonnenlicht. Zum ersten Mal in dieser Saison spielen wir zunächst in Richtung Westkurve. Ein Gefühl, als sähe man das Spiel seitenverkehrt. Ob es daran liegt, dass alles so merkwürdig uneigentlich ist? Hey – es geht um was. Für uns. Für die Hertha.

Denen merkt man das zumindest ein bisschen an. Sie sind aggressiver, wacher als wir – wobei in diesem Fall wieder einmal klar wird: Der Komparativ setzt die Grundform nicht unbedingt voraus. Raffael rennt. Geckas ackert. Aber das wirkt alles ein bisschen pro forma. „Baggeuffblase“ pflegt ein Freund dieses mehr oder weniger sinnfreie schaut-her-ich-kämpfe Gewusel zu nennen.

Trotzdem fällt das 1: 0 für die Hertha. Geplänkel im Mittelfeld, noch in der Hälfte der Herthaner. Mehrfach haben wir den Ball scheinbar unter Kontrolle – Gewühle, Gestochere – wieder weg. Alex Meier hakt nach. Schwegler versucht sich. Wieder weg. Ein langer Ball nach links, hohe Flanke in den Strafraum, Kopfball–Ping-Pong über Oka hinweg und – jubel jubel jubel im Hertha-Block und für uns die erfreuliche Erkenntnis, dass wir heute immerhin die ersten fünfzehn Minuten ohne Gegentor überstanden haben. „Ihr seid alles Offenbacher Jungs!“ intonieren die Herthaner in ihrem Blog. Aber das kratzt keinen. Irgendwie ist es, als ob sie eine Pflichtaufgabe erledigen. Schulterzucken. Ach, lasst sie doch. Es wird ein Weilchen dauern, bis sie diesen Ruf das nächste Mal anstimmen können.

Auf dem Platz wird unterdessen weiter Fußball gespielt. Bei uns läuft heute nicht viel zusammen. Schlaff. Müd. Ohne Spannung. Kein Nachrücken. Keine Bewegung im Spiel. Die rechte Seite lahmt, die linke auch. Und in der Mitte fällt das Fehlen von T-Bär kaum ins Gewicht – Fehlpass kann bei uns heute jeder. Die Statistik, die auf dem Videowürfel eingeblendet wird, versetzt mich einmal mehr in Erstaunen: Die Eintracht hat 54% der Zweikämpfe gewonnen. Ach so.

Ümit Korkmaz scheint einer der wenigen, der nicht verstanden hat, dass das Spiel heute nicht so wichtig ist. Er nimmt den Kopf zwischen die Schultern und wuselt und wirbelt, manchmal steht Halil Altintop ihm auf der Außenbahn im Weg, deswegen sucht er selbst den Weg durch die Mitte und – richtig – erzielt den Ausgleich. Für ein paar Minuten ist Leben auf dem Platz und im Stadion. Hallo wach. Die Wende. Caio im Strafraum. Elfer. Das war ein Elfer. Er gibt ihn. Schwegler läuft an. Yeah. Der Platz ist nicht breit aber hoch. Schneller Konter der Herthaner. Das 2:1. Doof.

Halbzeitpause. Treffe hinter dem Block auf eine nette Forums-Adlerin, die ich schon länger nicht mehr gesehen hatte. Kurzer Austausch. Ja. Mmh. Na gut. „Mal sehen, was noch geht“, verabschiedet sie sich – und es ist als ob dieser Satz das Motto für die zweite Halbzeit wäre. Die Antwort ist jedenfalls schnell gefunden: Nicht viel.

Um kurz nach halb sieben ist die Sonne ums Stadion herum gewandert und steht jetzt genau über dem Gäste-Block. Ob das Symbol-Charakter hat? Auf die Hertha scheint doch noch die Sonne? Nix da. Marco Russ erzielt per Kopf den Ausgleich. Vielleicht ja doch noch….? Nein, das wird heute nichts mehr, für beide nicht.

Eine Viertelstunde vor Schluss rege ich mich dann doch noch einmal auf. Was für ein uninspirierter, lustloser Grottenkick. Wieder einer dieser sinnlosen langen Bälle ins Nichts. Wieder ein Pass über drei Meter, der nicht ankommt. Ein bei der Ballannahme vertändelter Ball. Ein Ball, der sich fünf Meter vorgelegt wird. Ein Ball, der bei der Ballannahme fünf Meter vom Fuß abspringt. Kein Aufrücken. Kein Nachsetzen. Schlaff. Ausgepowert. Menno. Ja, ja, ja. Wir haben in den letzten Wochen verdammt feine Spiele gesehen, aber kann das sein, dass jetzt die Luft so vollkommen raus ist?

Der Stadionsprecher verkündet, dass die Herthaner nach dem Spiel noch im Block bleiben müssen, auch die, die mit Bussen gekommen sind. Sie werden dann von der Polizei zur Autobahn „transportiert“, tschuldigung, sie werden natürlich „geleitet“. Abpfiff. Also, wenn ich Herthaner wäre, würde ich mich in den Hintern beißen - das Spiel hätten sie heute nicht verlieren müssen.


Unsere Jungs laufen in die Kurve. Ohne Caio. Der erscheint stattdessen in Großaufnahme auf dem Videowürfel – dick am Oberschenkel bandagiert lehnt er vollkommen zusammengesunken auf der Ersatzbank. Ach je.

Die Sonne ist jetzt aus dem Stadion verschwunden und nach draußen gewandert. Genau wie wir. Vorbei am Gästeblock, hinter dem – auf dem Rasenhügel, hinter Gittern – merkwürdig entspannt und gut gelaunt die Herthaner sitzen, umzingelt von Uniformierten. Winken da nicht sogar einige den vorbei schlendernden Eintrachtlern zu? Tschüss, Hertha! Und: Gute Nacht Europa, wo immer du auch bist.

Kommentare

  1. Europa scheint für die Eintracht auf einem anderen Kontinent zu liegen. Kurzzeitig hatte ich Hoffnung, weil die Flugzeuge ja während des Spiels trotz Aschewolke starten durften - aber sie flogen wohl in die falsche Richtung.

    An dieses Spiel werde ich mich über die Saison hinaus wohl kaum erinnern. Uninspiriert, wie du schreibst, das trifft es.

    Danke und Gruß vom Kid

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  2. Ooops. Jetzt hoffe, ich mal, dass du das "uninspiriert" auf meine Beschreibung des Spiels beziehst und nicht auf das, was/wieich schreibe ,-)

    Ja, wenigstens abgehoben haben wir in dieser Saison das ein oder andere mal - mal sehen, wann und wo wir landen. lgz!

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  3. War zu erwarten und ich bin froh,dass die Mannschaft noch dass unentschieden holte.
    Hab es ganz alleine vor der Klotze genossen,was man so geniessen nennt.
    Schöne Aufnahmen aus den Katakomben-des Waldstadions-als sich Michael Skibbe und F.F. vor dem Spiel umarmten und Small-Talk-hielten.
    Ja.dass Spiel hätte Hertha gewinnen können,aber verschiesst Pirmin nicht den Elfmeter-geht dass Spiel anders aus.
    Unsre Mannschaft konnte und wollte nicht und Hertha-schaffte es nicht.
    Stimmung im Stadion muss schrecklich gewesen sein,der Reporter äusserte sich,dass die Frankfurter Fans-sehr ruhig wären,man nur die Berliner hören konnte.
    Einmal hörte ich die Fans von uns mit dem Lied-
    Hey was geht ab-die Hertha steigt endlich ab.
    Ist ganz gut so,dass es nicht ausartete.
    Was ich noch sehr bemerkenswert fand war,dass J.B.Kerner und auch der Reporter zu Michael Preez sagten,warum sie nicht den F.F. behalten wollen,dass wäre einer für die zweite Liga um sie wieder hoch zu bringen.
    2:2,kann man und muss man mit leben-Hoffenheim holt uns nicht mehr und vor Mainz bleiben wir auch.
    LG
    (B).

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  4. Ich nehme mal an, dass im Mainzspiel einfach noch einmal mehr Spannung sein wird: Die Mainzer wollen an uns vorbei und wir werden zumindest in Rhein-Main vorne bleiben wollen. Also geht es um was. Gestern war zu spüren, dass beide Mannschaften nicht so dabei waren, als würden sie noch an die ganz große Chance glauben. Und dann gurkt man halt so ein Spiel über die Zeit.

    Da ich am Samstag meinen Bruchweg-Boykott durchbrechen werde, finde ich außerdem, dass die Jungs mir persönlich was schuldig sind. Sieg!

    PS zu den Schnipseln: Yoko Ono ist einem doch schon seit je ganz zu recht sowas von auf den Zeiger gegangen. Wer schützt die Künsler vor ihren Erben?

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  5. Natürlich nur auf das Spiel, Kerstin!

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  6. Ich fand's irgendwie immer komisch, den Friedhelm da auf der anderen Seite rumhampeln zu sehen...

    War eine komische Atmosphäre auch gestern. Teilweise sehr still im Stadion. Dann wieder nur diese Anti Hertha und sogar noch Anti Karlsruhe und Mainz oder was weiß ich. Das hat mich genervt.

    Was mich persönlich noch betroffen gemacht hat war, dass ich meine Worscht und den "Sauer" nicht von der üblichen Hand bekommen konnte bei Bratwurst Walter. Die Kollegin erzählte mir, dass sie eine OP hatte (und was nicht harmloses). Menno, ich habe ihr Gute Besserung ausgerichtet, aber wir kennen uns nicht mal mit Namen. Das beschäftigt mich heute noch. All die Jahre hole ich meine Wurst bei ihr, das gehört einfach dazu, kurzer Smalltalk, man kennt sich halt...


    Liebe Grüße
    Nicole

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  7. Danke fürs Geschnetzelte...

    UND:

    Jetzt kenne ich ENDlich ne Floskel , die
    die Spielweise von ÜÜÜÜÜ-mit und Halil
    auf den Punkt bringt...

    *Baggeuffblase*! :-/


    LG aus HB...

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  8. @C-Willi: Da hast du mit deiner Entscheidung – entweder Leverkusen oder Hertha live im Stadion aber goldrichtig gelegen. Sicher kann man mit dem 2:2 leben, aber – naja – es hätt auch ein bisschen mehr sein können.

    @Celtix: Das hoffe ich doch auch sehr, dass gegen die 05er der Spannungsbogen noch mal nach oben zeigt. Nein, nein, nein – ich will nicht gegen die verlieren. Ich will nicht hinter denen in der Tabelle stehen. Und es reicht, wenn wir uns am Samstag das Täterä vor dem Spiel anhören müssen, das muss ich danach net auch noch haben. O no ,-) Ich wünsch dir, dass du das Durchbrechen deines Bruchweg-Boykotts nicht bereuen musst. Wird schon schiefgehen. Die Jungs wissen, was Sache ist. Hoffe ich mal.

    @Nicole: Oje, oje. Das sind so die Geschichten am Rand, die gar nicht am Rand sondern mittendrin sind. Ist bei uns auch so – eine Station weiter bei Black & White – immer dieselbe Frau am Grill, keine Ahnung wie sie heißt und trotzdem wie eine liebe, alte Bekannte – krieg immer einen Schreck, wenn sie mal nicht da ist – hat sich bisher aber immer als Urlaub oder so was rausgestellt. Zum Glück. Hoffe sehr, dass die Frau bei Bratwurst Walter bald wieder auf den Beinen ist! (Hab übrigens beim – sehr späten – Vorbeilaufen nach euch ausgespäht, aber euch nicht entdeckt).

    Friedhelm auf der anderen Seite war merkwürdig, wirklich merkwürdig. Aber zum Glück gab es keine FF-Aktionen drumrum – weder positiv noch negativ und das war vielleicht das beste so.

    @Weserbembel: Altintops Spielweise so auf den Punkt gebracht? Mmh… vielleicht. Aber Ümit: Naaaain, der doch net. Der zerrobbt sich wirklich.

    Danke schön für eure Geschichten und Kommentare und Grüße in alle Richtungen :-)

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