Direkt zum Hauptbereich

Heute kein Pudding!

Flashback. Klassenfahrt nach Tirol. Schullandheim. Unser Begleitlehrer, Herr Rentsch, war damals schon das, was man heute als „old school“ bezeichnen würde. Er hielt sehr viel von Disziplin und von Bewegung in der frischen Luft und so verbrachten wir den überwiegenden Teil unserer Klassenfahrt damit, von a nach b und wieder zurück zu trotten. Wir wandern, wir wandern. Das fanden wir manchmal ganz lustig, meistens aber einfach nur stinkefad.

Als besondere Auszeichnung empfand Herr Rentsch es, wenn er mitunter die Führung der Wanderungen einer Gruppe von Schülern überließ. Heute waren meine Freundin Steffi und ich zu dieser Ehre gekommen und sollten jetzt also – bewaffnet mit einer Wegekarte – die Vorhut bilden, um dem Rest der Truppe die Marschroute zu einem vorgegebenen Ziel zu weisen. „Muss das sein?“ „Warum denn wir?“ „Ok, ok. Wir machen ja schon...“ Und so zottelten Steffi und ich also - voll motiviert, versteht sich ,-) - vorneweg. Wir waren gerade einmal drei Minuten von unserem Ausgangspunkt entfernt, als wir an einer Weggabelung landeten. Links oder rechts? Steffi schaute in die Karte – "Kuck...ah ja, hier ist unser Standort, hier sind die beiden Wege." Zwei Dumme, ein Gedanke. Wir grinsten uns an. Klare Sache: Links. Wir bogen ab, der Rest der Gruppe folgte uns willig und wir landeten – wie aus der Karte unzweifelhaft ersichtlich – vor einer Felswand: Wir hatten die Wanderer in eine Sackgasse geführt. Allgemeines Gickeln, Lachen, Grinsen. Alle fanden das sehr komisch. Alle – bis auf einen – und das war Herr Rentsch. Der war – ja was eigentlich? Enttäuscht? Gekränkt? Jedenfalls richtig, also richtig wütend. Was würde er mit uns anstellen? Er stürmte auf uns zu, riss mir die Karte aus der Hand, schnappte nach Luft, rang sichtlich nach Worten. „Heute kein Pudding!“ zischte er schließlich hervor.

Kein Pudding! Ich weiß jetzt noch genau wie ich mich in diesem Moment fühlte. Alles hatte ich nach seinem Blick erwartet: Strafarbeiten, Weggehverbote, weiß der Geier und jetzt das: „Heute kein Pudding!“ Das war ebenso rührend wie lächerlich und hilflos. Ich musste schwer an mich halten, um vor Lachen nicht laut heraus zu platzen. Und ein ganz kleines bisschen schäbig fühlte ich mich auch.

So verdanke ich Herrn Rentsch mancherlei: Ganz ordentliche mathematische Kenntnisse, viel Bewegung in der frischen Luft, vor allem aber die bei maximal möglicher Wirkung ultimativ sinnloseste Drohung in allen Lebenslagen: Heute kein Pudding!

Zurück in die Zukunft. Zurück zum Spiel der Eintracht gestern in Hannover. Auch da standen ein paar Herren an einer Weggabelung und haben definitiv die falsche Richtung eingeschlagen. Arrrrrrrrrrrggggggh. Bevor ich mich also in meiner Wut darüber verheddere oder unnötig weiter ereifere, folgt die schrecklichste aller Strafen jetzt und hier auf dem Fuß: Heute kein Pudding!

Und zwar für...

...Selim Teber, damit er das nächste Mal seine Reflexe besser unter Kontrolle hat.

...Maik Franz, der ein netter Kerl ist, aber lernen muss, dass auch auf dem Platz "iron" nicht immer und ausschließlich die richtige Lösung ist.

...Patrick Ochs – der zwar gerne weiter auf dem Spielfeld seine Energie ausleben, aber ab und zu einfach auch mal seinen Mund halten sollte.

...den Schiedsrichter Gagelmann, damit er beim nächsten Spiel, das er pfeift, seinen Blindenhund nicht vergisst.

...Alex Meier, der vielleicht nicht der Lieblingsschüler von Friedhelm Funkel war, aber einer meiner Lieblingsspieler ist und den ich deshalb herzlich darum bitten möchte, seinem Phlegma einen Tritt in den Hintern zu geben.

... Halil Altintop, dem noch einmal verdeutlicht werden soll, dass er nicht als brot- und bindungslos links und rechts herumdribbelnder Galerist, sondern als Torjäger verpflichtet worden ist.

... Benny Köhler, damit er merkt, dass eine Saison nicht nur 3 oder 4, sondern 34 Spiele hat.

Und für Michael Skibbe, dem der Pudding-Entzug vielleicht verdeutlicht, dass es nicht reicht, ständig etwas anzukündigen, wenn man es dann doch nicht umsetzt. Der darüber nachdenken sollte, dass man besser nicht die Schuld bei anderen sucht, wenn es genügend Dinge gibt, über die man selbst mal nachdenken sollte. Vielleicht, vielleicht nutzt er die puddingfreie Gelegenheit ja sogar, um eine plausible Erklärung für die gestrige Aufstellung und die weitgehend sinnfreien Ein-, Aus- bzw. Nicht-Auswechslungen in der Defensive zu finden. Lieber Michael, damit wir uns richtig verstehen: Jammern nützt in diesem Fall gar nichts. Das Beklagen fehlender Qualität und die Forderung nach Verstärkung wird in den kommenden Tagen mit weiterem Pudding-Entzug nicht unter zwei Wochen bestraft.

Hugh, ich habe gesprochen. Diskussion zwecklos. Wollen wir doch mal sehen, welche Richtung wir dann am nächsten Samstag einschlagen!

Nachtrag:
Es ist also noch jede Menge Pudding übrig an diesem Wochenende. Den verteile ich – als kleines Trostpflaster - an Nicole und Rosa, an Ingo, Alex und Isa, an Frank und Sanne und an ,-) owladler, von denen ich weiß, dass sie gestern in Hannover waren. Die größte Portion – sogar mit Extra-Schokoladenstreuseln - erhält jedoch einer meiner Mit-Adler. Der hat nämlich in den letzten Wochen sein Abitur bestanden und gestern feierlich sein Abiturzeugnis überreicht bekommen. Möge es in deinem Leben immer die richtigen Wege und im Zweifelsfall auch genügend Pudding geben. Da du wohl doch kein Profi-Fußballer bei Eintracht Frankfurt werden wirst, besteht gute Hoffnung ,-)


Kommentare

  1. Möge der Pudding-Entzug zur entschlossenen Aufarbeitung dieses blöden Gekickes beitragen! Bei Gagelmann allerdings ist Hopfen und Malz verloren.

    Ansonsten: Eine schöne, humane Schulgeschichte in Tagen, in denen der Eindruck entstehen könnte, dass nur noch lehrende Monster umgehem. Und zum Wandern: Uns hatte es dereinst nach Malente verschlagen - ja, da war damals auch immer die dt. Nationalmannschaft kasserniert - und am ersten Tag stand natürlich eine Wanderung um den dortigen See auf dem Programm. Lehrerschaft und die üblichen Streber und lieben Mädchen vorneweg, der müde Rest hinterher. Nach ein paar hundert Metern tauchte ein Schild auf, das zum Seeufer zeigte und verkündete: Cafe Boller, Eisgekühltr Getränke und Bootsverleih. Ein paar kurze Blicke genügten und das Gros schwenkte stumm, aber entschlossen nach rechts. Für die nächsten zwei Wochen hatten wir unser Plätzchen gefunden und einen kleinen Beitrag zur großen Verweigerung geleistet: I'm just sittin' on a fence.

    Schlagt die Bayern und nach dem Pudding gibt's Holsten und Doppelkorn!

    AntwortenLöschen
  2. Och, menno, ich will aber auch Pudding! Ich hab' doch gar nix gemacht ... ;-)

    Sehr schön, Kerstin. Ich würde sie aber alle auf Pudding-Entzug setzen. Ohne Ausnahme. Und mir dann anschauen, ob es sich gegen die Bayern schon leichter aufspielen lässt.

    Gruß vom Kid

    AntwortenLöschen
  3. Der Herr Rentsch... Kein Pudding! Ich stelle mir das so bildlich vor... Köstlich möchte ich sagen und das passt dann auch ;-).

    Ich nehme den Pudding, Rosa sicher auch, die schläft aber schon lange. Tränen musste ich wieder reichlich trocknen. Menno, die Kleine ist 7 Jahre, die kennt alle Lieder und singt und schreit mit (gerade auswärts könnte sich der ein oder andere Erwachsene mal was von abschauen). Aber da muss sie durch, das packt sie auch.

    Alle, die bei dir keinen Pudding bekommen, ja die haben keinen verdient. Und der Gagelmann bekommt lebenslänglich Puddingentzug, jawoll!

    Das Steinhuder Meer hat mir vorher schon gesagt, dass es ein bisschen stürmisch und wechselhaft wird. Das sagte es auch heute noch, aber irgendwie war es auch sehr friedlich, so im Regen...

    Gute Nacht erstmal!

    Nicole

    AntwortenLöschen
  4. Hihi, was für ein wunderbarer Blogbeitrag. Damoklesschwert Puddingentzug, das wird noch manche Pleite erträglicher machen. Merci dafür, ich werde schon am kommenden Samstag um 17.19 Uhr dran denken - weil Sebastian Jung dann per Fallrückzieher den Pudding für alle gerettet haben wird.

    AntwortenLöschen
  5. Danke, Kerstin. Ein wahrlich grandioser Beitrag, der mich sprachlos zurücklässt. Ich aber brauche keine Worte, denn Du hast gesprochen. Du hast sie ausgesprochen. Brilliant!

    Viele Grüße & weiterhin sichere Straßen,
    Fritsch.

    AntwortenLöschen
  6. Och menno-wieso bekomme ich kein Pudding?*lächelt*-ich weiss warum.
    Dachte ich doch allen Ernstes die Mannschaft würde was reissen-aber die hatten anscheinend den Pudding(Wackelpudding)-in der Halbzeitpause verkonsumiert-die Beine wurden schwer und wackelig und überhaupt-was die zweite Halbzeit anbelangt-so kann-darf man sich nicht präsentieren.
    Die gesamte Mannschaft-einschliesslich Trainer bekommen Puddingverbot und ich esse bis am Samstag-jeden Tag einen Pudding-vielleicht klappt es dann mit dem Nachbar*hüstel*3.Punkte gegen die Bayern.*lächelt*
    Trotdem tippe ich nicht für sie-sondern für die Münchener Weisswürste.
    Vielleicht klappt es ja dann mit dem Sieg-mindestens ein unentschieden-und am Samstah heisst es,
    *The Show most go on.*Wirst sehen.
    LG
    (B).

    AntwortenLöschen
  7. Also zuerst Mal: Pudding MIT Schokostreuseln für euch alle :-)

    @Celtix: Diese Schulgeschichte ist aber mindestens genauso schön. Danke dafür und: Café Boller 4ever!

    @Kid: Ob die Jungs sich die Sache mit dem Pudding wirklich zu Herzen nehmen? Ich weiß net, ich weiß net… aber wir werden es sehen. Und WENN wir am Samstag…also wenn wir tatsächlich… dann wisse mer ja woran’s gelegen hat:-)

    @Nicole: O ja… Regen, Wasser, Wind… einfach nur schön…. Wasser im Stadion eigentlich nicht ,-) Aber hast recht – da muss Rosa durch und da wird sie durchkommen, is ja schließlich ein Adler. Bei uns im Block ist ein kleiner Junge, Paul, der wird ungefähr so alt sein wie Rosa, der ist jetzt seit ca. einem Jahr regelmäßig dabei– die komplette Rückrunde letztes Jahr, kein Sieg – der hat so lange tapfer gewartet, Schal hoch, gesungen, ausgerechnet beim Heimsieg gegen Hannover war er dann nicht mit, aber dann bei seinem ersten Sieg - der war einfach nur sprachlos vor Glück. Wär das schön, wenn Rosa am Samstag…

    Hallo Nachbar :-) - Die Idee gefällt mir :-) – Jung – Fallrückzieher – Toooor und Pudding ohne Ende. ( - **gg … „wird noch manche Pleite erträglicher machen…“ - ist bei mir auch eine bewährte Geheimwaffe, um Doof- und Blödheiten des Alltags wieder grade zu rücken - „Heute kein Pudding.“ Hat etwas ungeheuer Entkrampfendes **gg)

    @Fritsch: Ganz herzlichen Dank!

    @C-Willi: Der erste Puddingschub war für die genervten Auswärtsfahrer ,-) – aber für dich und alle anderen (s.o.) is auf jeden Fall auch noch genug da. Weiß noch nicht, wie ich tippe… ich spüre noch keine eindeutigen Vipes **gg. Weitergehen wird es, das stimmt. Geht’s ja immer…

    Danke für das nette Feedback und die bunten Kommentare, natürlich auch im Namen von Herrn Rentsch ,-)

    AntwortenLöschen
  8. Kann leider net den Pudding essen,...hab mir n Backenzahn rausgebrochen + muß bis moje aahmd warten...

    Aber dann !!! ;-)

    Dankeschön , Kerstin ! :-)

    AntwortenLöschen
  9. Nachdem ich genug Puddings gegessen habe-bin ich gestärkt und habe ein Sieg unserer Eintracht getippt.
    Pudding-macht mutig und stark-*lächelt.*
    LG
    (B)

    AntwortenLöschen
  10. Einer der besten Blogbeiträge, die ich je gelesen habe!
    "Heute kein Pudding!" Ich habe mich köstlich amüsiert :)
    Der Puddingentzug ist wahrlich die richtige Strafe für unsere Kicker. Und verdeutlicht ganz wunderbar, dass wir es momentan tatsächlich eher nicht mit Fußball, sondern nur mit Rumgehampel zu tun haben. Und was kann eine schlimmere Strafe für einen Kindergarten sein als ein konsequentes Puddingverbot.
    Bleibt jetzt zu hoffen, dass die Jungs daraus lernen.

    AntwortenLöschen
  11. @ Weserbembel: Rausgebrochener Backenzahn? Autsch. Das ist elend und in der Tat kein Fall für Pudding. Aber heut abend dann darfst du dir das Hannover-Trostpflaster abholen...:-)

    @ Barbara: Pudding macht mutig und stark? **ggggg Dann wirkt Pudding bei dir, wie bei Popeye der Spinat - und wie bei Popeye zahlt Mut sich am Ende aus und wird belohnt.

    @Flüge: Hab mich sehr über dein Feedback gefreut - danke schön :-) Ja, wenn der Puddingentzug nicht wirkt - dann weiß ich auch nicht. Vielleicht könnten wir dann ja mal unseren echten "Kindergarten" (Titsch-Riveiro, Alvarez, Tosun, Juhvel) ausprobieren...?

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Die nächste Strophe vom alten Reisbrei

Am Samstagabend höre ich im ZDF Sportstudio die Vorankündigung für das Spiel am Sonntag im Waldstadion. „Hannover kann morgen auf den zweiten Tabellenplatz vorstoßen“, verkündet Katrin Müller-Hohenstein. Tatsächlich? Was Sie nicht sagen. Und die Eintracht? Hey – hallo, das ist unser Heimspiel, und wir werden es gewinnen, weil nämlich dann wir es sein werden, die zu Hannover und zur Spitzengruppe aufschließen. Capisce? Und tatsächlich. So machen wir es. Impressionen vom Spiel: Patrick Ochs, der in der ersten halben Stunde auf der rechten Seite herum mannövert als habe er tatsächlich vor, was er vorher verkündet hatte: Sich festbeißen – und von dem in der zweiten Halbzeit nichts mehr zu sehen ist. Halil Altintop, der (auch in seinem eigenen Sinn) zur Halbzeit hätte ausgewechselt werden müssen, und von seinem Trainer, der voll hinter ihm steht, eine viertel Stunde vor dem Ende zum Abschuss freigegeben und – sichtlich um Fassung bemüht – regelrecht vom Platz gepfiffen wird. (Ja, ja.

Kleines Fußball-ABC - Heute "U" wie "Unterschiedsspieler"

Unterschiedsspieler, der (pl. (selten die); fußballneudeutsch für einen Spieler, der – wie der Name schon sagt – den Unterschied machen und ein Spiel entscheiden kann. Bsp .    → Rebic, Ante (Eintracht Frankfurt) , der in der ersten Runde des DFB-Pokals 2019/20 “ den aufmüpfigen Drittligisten Waldhof Mannheim quasi alleine in die Knie zwang. “ In der Regel ist der → Unterschiedsspieler ein Offensivspieler, aber auch Defensivspieler „mit einer starken Technik und einem guten Gespür für Räume imOffensivspiel“  können Unterschiedsspieler sein  -   Bsp.   → Baumgartner, Christoph TSG Hoffenhei m) , → Kimmich, Joshua (FC Bayern München) oder  →Kostic, Filip (Eintracht Frankfurt), der für seinen Trainer →Adi Hütter derzeit „der absoluteUnterschiedsspieler“ ist. Auch Torhüter  können den Unterschied machen ( Bsp. Neuer, Manuel, FC Bayern München ), was als Beleg dafür gelten kann, dass auch Spieler, die nicht der Mannschaft von →Eintracht Frankfurt angehören, →Unterschiedsspieler sein kö

Hans-Dieter "Fips" Wacker - ein Fußballerleben

Es ist ein paar Monate her, dass ich für diesen Blog im „Kleinen Fußball-ABC“ einen eher satirisch gefärbten Beitrag zum Thema  Nachwuchstalente verfasst habe. Es war Kid Klappergass, der das Thema in einem Kommentar in ernsthaftere Bahnen führte: Es gebe nicht viele große Eintracht-Talente, denen er nachtrauere, aber eines davon sei ganz gewiss Fips Wacker. Fips Wacker? Diesen Namen hatte ich noch nie gehört und machte mich auf die Suche nach ein paar Informationen. Es war nicht viel, was ich im Netz aufstöbern konnte – aber was ich fand, machte mich neugierig. Die „Spur“ führte zum Heimatverein von Fips Wacker, der SKV Büttelborn und wie es der Zufall so will: Einige Wochen später sollte in Büttelborn ein Spiel der Alten Herren – der  Old Boys   gegen die Eintracht-Traditionsmannschaft ausgetragen werden. Wenn für Hans-Dieter Wacker alles so gelaufen wäre, wie es hätte laufen können, hätte er in diesem Spiel vielleicht eine Halbzeit lang für die Eintracht und eine für den SKV auf de