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"Back mer's!" Oder: Die Geschichte von den Adlern, die auszogen, das Glück beim Schopf zu packen

Draußen herrschte Winter und die Tage waren kurz und die Nächte kalt und dunkel. Trotzdem war es noch nicht einmal sieben Tage her, dass vor den Toren der großen Stadt Frankfurt im hellerleuchteten Stadion im Walde ein großes Fest gefeiert worden war. Die heimischen Fußballhelden mit dem Adler auf der Brust hatten gegen die eigentlich favorisierte Mannschaft aus dem hohen Norden den Sieg davon getragen. Abertausende waren gekommen, um ihr Team, um ihre Adler anzufeuern und zu bestaunen und sie wurden nicht enttäuscht. Gar munter und geschwind lief der Ball durch die eigenen Reihen, gar heftig wogten die Angriffswellen in die eine und in die andere Richtung. So mitreißend und leidenschaftlich waren die Kampfeslust und der Siegeswille der Spieler, dass die Menschen auf den Rängen vergaßen wie kalt und nass und grau die Welt war und sich singend und lachend in den Armen lagen. Scheinbar geschwächt und dezimiert waren sie in die Rückrunde gegangen, vor allzu viel Euphorie war gewarnt worden. O weh, o weh - man dürfe sich nicht von den Erfolgen der Vorrunde blenden lassen, gar schnell könne das Blatt sich wieder wenden, wenn nicht rasch für eine Verstärkung der Mannschaft gesorgt werden würde. Umso größer war jetzt das Jubeln und Frohlocken.

Ganz anders im fernen Frankenland, wo die Adler am jetzt bevorstehenden Wochenende antreten würden. Dort herrschte Angst und Schrecken, denn gar wenig aussichtsreich standen die Mannen aus Nürnberg fast am Ende der Tabelle und fürchteten, auch in diesem Jahr wieder einmal den Gang in die Zweitklassigkeit antreten zu müssen. Zwar hatten die Männer aus der Dürer-Stadt in der größten Hallenfußball-Arena des Ruhrgebiets in der Vorwoche durchaus ansehnlich gespielt. Gegen die Mannschaft, die von Goldvorräten aus dem großen Reich im Osten genährt wurde und an deren Spitze der allgewaltige und furchteinflößende Felix stand, hatten sie am Ende nur knapp mit 0:1 verloren und gar deutlich gezeigt, dass sie nicht gewillt waren, sich kampflos in ihr trauriges Schicksal zu fügen. Mit aller Macht wollten sie sich dagegen stemmen, den Gang in die Niederungen der zweiten Liga anzutreten. Deswegen hatten sie kürzlich sogar den Junker Michael geopfert, der vor noch nicht allzu langer Zeit als große Hoffnung unter den Fußballehrern gepriesen wurde und angetreten war den Mannen, die rauh und volkstümlich Glubberer genannt wurden, neues und junges Leben einzuhauchen. Stattdessen leitete jetzt der erfahrene Kämpe Dieter die Geschicke der Mannschaft und beschwor mit rauhen und markigen Worten die große Tradition des Vereins.


Im heiteren und sprachgewandten Hessenland („Ei, un – wie geht‘s?“ „Ei, wie werds gehe, wenn die Eintracht gewinnt? Gut!“) herrschte derweil immer noch eitel Sonnenschein. So sehr waren die Mannschaft und ihre Anhänger in den vergangenen Monaten gebeutelt worden, dass sie nur allzu gerne bereit waren, den Moment zu genießen und sich des neu gewonnenen Glücks zu erfreuen. Unfrieden hatte geherrscht in den Wäldern, Netzen und an den Ufern des Maines. Uneins war man sich über den Kurs, den der Adler nehmen sollte und welche Mittel es seien, die den glückverheißenden Weg ebnen könnten. Jetzt stand man, vermeintlich gefestigt in der Mitte der Liga und erfreute sich seines Daseins. Wie vom Übungsleiter der Adler, dem visionären Michael, gewünscht, war im Laufe der Woche nach dem großen Sieg gegen die Hanseaten tatsächlich ein weiterer Kämpfer aus einem Land jenseits des Ozeans zu den Adlern gestoßen. Nein, kein Stürmer, ein Defensivmann war es. Wild und unbeherrscht sei er, was von bewegten Bildern bestätigt wurde, aber auch von großer Kampfeskraft. Das Staunen war groß. Mit Ah und Oh wurde die Mitteilung aufgenommen. War nicht von der händeringenden Suche nach einem Stürmer die Rede gewesen? Aber wohlan – so war es denn und so sollte es sein. Galt doch die eiserne Regel: Was im Adler-Olymp beschlossen wird, ist wohlgetan. Und wer im Wald die Fußballschuhe für die Adler schnürte, war herzlich willkommen und würde sicher schon bald sein Scherflein zum Erfolg der Adler beitragen.


Unterdessen waren die Vorbereitung für das große Match im Frankenland bereits weit gediehen. Trainer und Mannschaft hatten in den vergangenen Wochen lernen müssen, auch ohne wichtige Stützen auszukommen, die in den vergangenen Jahren nicht wenig zu Ruhm und Ehre der Adler beigetragen hatten: Der starke und heldenhafte Grieche Ioannis, der immer noch an den im Kampf erlittenen Blessuren laborierte, der Haken schlagende, jungenhafte Martin, dem immer wieder neu zu überstehende Operationen schwer auf dem Gemüt lasteten – aber auch der hoch veranlagte Zlatan, der immer wieder durch Verletzungen zurückgeworfen wurde. Immerhin war der wieselflinke Ümit im Laufe der Woche wieder zur Mannschaft zurückgekehrt. Sorgen bereitete, dass die Mannschaft im fernen Frankenland auf eine weitere Stütze würde verzichten müssen, die noch in der letzten Woche einen überaus wichtigen Beitrag zum Sieg gegen die Bremer geleistet hatte:Der überragende, spielintelligente und geschmeidige Chris, das Herzstück der Adler-Defensive, hatte einmal zu häufig den Wortwechsel mit dem großen Meister der Pfeife gesucht und musste deshalb pausieren. Auch der federleicht-tänzerische, dabei schussgewaltige Pirmin, der erst in dieser Saison zur Mannschaft gestoßen war, hatte sich im Training eine heftige Schramme zugezogen und würde den Weg nach Nürnberg nicht mit antreten können.


Wie glücklich war die Mannschaft zu preisen, dass andere, ähnlich gut gerüstete Mannen bereits in den Startlöchern standen, um das Adlertrikot überzustreifen und ihre Mannschaft zu verstärken. Der tapfere Christoph, der nie aufsteckte, hatte nach langer und schwerer Verletzung durch unermüdlichen Fleiß und Disziplin wieder den Weg zurück zur Mannschaft gefunden und konnte bereits fast wieder an alte Stärke anknüpfen. Auch die Nachwuchs-Adler, die bisher ihre Kräfte in den Spielen der unteren Klassen, hatten ausprobieren dürfen, brannten darauf ihr Können und ihre Kampfeskraft auch auf der großen Bühne unter Beweis zu stellen: Der schnelle, unerschrockene Sebastian, der technisch beschlagene und bewegliche Marcel, der ungestüme und torgefährliche Marcos, der körperlich robuste Juhvel – sie alle standen bereit.

Und dann waren da natürlich auch noch all die, die in den vergangen Wochen bereits gezeigt hatten, dass künftig mit Ihnen überall in den Arenen des Landes zu rechnen sein würde, und die das hessische Herz stolz und weit machten: Allen voran der zuverlässige und reaktionsschnelle Oka, der nicht von ungefähr der "ewige" geheißen wurde, und ein nicht wegzudenkender Rückhalt der Mannschaft war. Dann der kraftvolle, einsatzfreudige Patrick, der seit kurzem von seiner angestammten Position auf der rechten Außenbahn ins Mittelfeld gewechselt war und von dort noch mehr Dynamik und Spielfreude ausstrahlte. Der hochgewachsene, unermüdliche Alex, der sich – allen Widrigkeiten zum Trotz - auch unter dem neuen Übungsleiter durchgesetzt hatte und jetzt mit dem Instinkt und dem Ballgefühl des großen Fußballers auch seine Kritiker zu überzeugen wusste. Wuschu, der Kapitän der Mannschaft, der, obwohl mitunter ob seines Schweizerseins belächelt, unermüdlich und fleißig auf der linken Seite für Ordnung sorgte. Der wilde Maik, der sich draußen im Land den Ruf eines Rauhbeins erworben hatte und doch mit seinem fußballerischen Können, aber auch mit seinem heiteren Wesen die Herzen der Adler-Fans im Handumdrehen erobert hatte. In Nürnberg neben ihm in der Innenverteidigung: Der schlaksige, ballsichere, aber mitunter etwas leichtsinnig Marco, ein Frankfurter Eigengewächs, das seinen Weg gehen würde. In der Spitze: Nikos, ein erfahrener Kämpe, der wohl im Laufe der Jahre an Schnelligkeit und Treffsicherheit eingebüßt, aber an Klugheit und Cleverness hinzugewonnen hatte und gar trefflich die Kunst beherrschte, den Ball vor dem gegnerischen Tor zu halten und Zeit zu gewinnen – dabei unterstütz von Selim, dem mitunter etwas schwerfällig wirkenden Mittelfeldmann, der in den letzten Spielen immer besser zu gefallen wusste und in der Offensive Akzente zu setzen vermochte. Fraglich war, wen der Übungsleiter zur weiteren Verstärkung der Offensivbemühungen aufbieten würde: Den wuseligen, taktisch klugen Benni oder den etwas trägen, dafür ballgewandten und schusssicheren Caio, dem es in den vergangenen Jahren unter vielen Wirren zwar nicht gelungen war, den erträumten Zauberfußball zu zelebrieren, aber dennoch seinen Platz in der Mannschaft gefunden hatte.


Wer auch immer für die Adler im Stadion zu Nürnberg auflaufen würde – er würde alles für die Mannschaft geben. Von nah und fern wurden Adler-Anhänger erwartet. Mit Bussen, in Zügen und Autos strömten sie heran, um ihre Mannschaft zu unterstützen. Fast schwindelig werden konnte einem beim Gedanken an das Herannahende. Bei einem Sieg würden die Adlerträger 30 Punkte auf ihrem Konto versammeln. 30 Punkte, mit denen – allen Unkenrufen zum Trotz – zumindest für den Moment das Tor nach oben einen Spalt breit aufgestoßen würde. War es vermessen an so viel Fortune, an eine so glückliche Wendung des Fußballschicksals zu glauben? Was würde obsiegen: Der Überlebenswille der Nürnberger, die sich am Rande des Abgrundes wähnten? Oder die Adler, die mit endlich wieder weitgespannten Flügeln bereit waren, dem Regenbogen entgegen zu fliegen?

Ähem. **räusper** Was ich eigentlich sagen wollte: Sieg!

Kommentare

  1. Remis! :-)

    Gruß vom Kid, der immer noch nicht weiß, ob er zufrieden sein soll oder nicht.

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  2. Wie immer-sehr schön geschrieben-Kerstin.
    Dafür ein dickes*Danke*

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  3. Ja, ja. Es wär mehr drin gewesen. Und warum wechselt "er" partout keinen Stürmer ein, wenn sie schon alle auf der Bank sitzen? Das alles kann man sich fragen. Unterm Strich bin ich irgendwie trotzdem mit dem Punkt zufrieden. Vielleicht musste das so sein, damit wir nicht abheben. Und der Regenbogen ist ja immer noch in Sichtweite,-)

    Danke für eure Kommentare!

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  4. Ja,es wäre mehr drinn gewesen,aber ich bin auch mit dem Punkt zufrieden.
    Warum mal nicht ein Nachwuchstalent(Sturm)versuchen darf,verstehe ich auch nicht.
    Aber ich habe mich riesig über die Einwechslung von Christoph Preuss gefreut.
    Ein Lichtblick.
    LG
    Wie oben schon gesagt-sehr schön geschrieben.

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