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Rotundschwarze Eintracht-Schnipsel 19.November - 2.Dezember

19. November
Meine Besuche bei Eintracht-Veranstaltungen standen in diesem Jahr unter keinem besonders guten Stern. Ich habe mich verfahren, kam gar nicht an, war zu spät, musste in letzter Minute absagen. Aber heute klappt es: Charly Körbel ist zu Gast im Eintracht-Museum und ich bin dabei. Hallo hier, hallo da. Aaaah da ist ja auch… Das Museum ist gut gefüllt. Leider finde ich im Gewirr nur einen Teil der Forums-Mitadler, die ich heute hier treffen wollte. Schnell noch etwas zum Trinken holen. Würstchen werden über den Tresen gereicht. Stimmengewirr. Stühle scharen. Die Reihen sind schnell besetzt, wir bleiben im Hintergrund stehen. Und da ist er auch schon: Charly Körbel, der zur Eintracht gehört wie die Musik zum Handkäs. Der schon immer da war und (hoffentlich) sein wird. Beve sagt in einer seiner Zwischenmoderationen: „Ich hatte immer das Gefühl – so lange Charly Körbel bei der Eintracht spielt, kann nichts schiefgehen.“ Genau so ist es.

Der Abend selbst ist eine merkwürdige Erfahrung aus Nähe und Ferne. Ich kenne Charly Körbel nur als Fußballer – und trotzdem ist es ein Gefühl, als ob da vorne ein naher Verwandter sitzt und Geschichten erzählt. So vertraut, so sehr auch mit den eigenen Erinnerungen verknüpft. Manche Anekdote hat man schon öfter gehört. Einiges ist verblüffend und neu. Noch anderes weiß man zwar irgendwie, hört es aber zum ersten Mal live und aus Charlys Mund.

Charly spricht und erzählt und holt aus – und bis in die Wortwahl ist alles genau so wie früher bei seinen Interviews nach dem Spiel: „Das ist die Qualität, wo eben…“ Bin gerührt, lächele, freue mich. Einem Blumenstrauß für Mama Körbel ist es zu verdanken, dass der junge Charly sich damals schlussendlich für die Eintracht entschieden hat. Erich Ribbeck trug auf seinen Kontrollgängen einen langen schwarzen Mantel. Bum Kun Cha wurde deutsche Kultur in Form einer Schweinshaxe verabreicht und als der evangelische Charly seine (katholische) Verlobte heiratete, gab es nur eine Lösung: Eine „ökonomische“ Hochzeit. Kommentar eines neben mir stehenden Adler-Freundes: „Aha - da gab’s nur Käsbrote.“ Wir gickeln wie die Teenies. (Sollt mer net, ich weiß. Aber es war halt auch ein sehr putziger Versprecher *g)

Mit viel Applaus wird Charly Körbel nach gut 90 Minuten verabschiedet und hat in der Nachspielzeit noch jede Menge Trikots, Bücher und Autogramme zu signieren. Ich schlendere noch ein wenig auf dem nachtdunklen Stadiongelände herum, genieße die frische Luft, atme die Stadionatmosphäre. Schön war’s. Ich komme bestimmt wieder. Pünktlich, versteht sich.

20. November
Arbeit. Arbeit. Arbeit. Bin damit beschäftigt, die wichtigsten Inhalte einer Präsentation aufzubereiten. Überschrift auf der ersten Seite: „Motiviert, aber orientierungslos.“ Um was geht es hier? Um die Eintracht?

Zwischendurch schnell zum Einkaufen in die Stadt. Woran merkt man in M1, dass die Fastnachtssaison wieder begonnen hat. Klar - Klaus, der Zuuuchplakettscheverkäufer ist wieder in der Innenstadt unterwegs und sammelt für die Finanzierung des Rosenmontagszugs. Momentemal momentemal – schon wieder ein Spruch, den man nahtlos auf die Eintracht übertragen kann: „Jedes Jahr die selbe Leier – das Geld ist rar, die Spieler deier.“ Bumbaaf. Bumbaaf. Bumbaaf.

Am Blumenstand ein altes Ehepaar. Er bemerkt, dass ihr Blick an den Mistelzweigen hängen bleibt. „Kauf dir doch einen.“ Sie, fast schüchtern: „Soll ich wirklich…?“ Er: „Ja, natürlich.“ Sie wählt einen aus, lächelt. Er: „Freust du dich.“ „Ich freu mich sehr,“ sagt sie und strahltstrahtlstrahlt ihn an. So einfach kann Glück manchmal sein. Ich wünsche beiden eine frohe Vorweihnachtszeit und hüpfe nach Hause.



21. November
Heute spielt die Eintracht gegen Gladbach. Über Norddeutschland ist in den letzten Tagen das Sturmtief Jürgen hinweggefegt - der Trümmerhaufen ist heute aber leider in Frankfurt. Auch die Anwesenheit des Städels im Stadion kann hier keine künstlerisch wertvolle Aufbauarbeit leisten. Vor dem Spiel gibt es eine Schweigeminute – für Robert Enke und für die in der Nacht verstorbene Ute Hering, die ich persönlich leider nicht kannte und die für viele ein Herzstück der Eintracht war. Stille, traurige Momente.


30 Minuten nach Anpfiff ertappe ich mich bei etwas, dass mir im Waldstadion noch nie passiert ist: ich starre aufs Spielfeld und frage mich, was das, was sich da vorne abspielt, eigentlich mit mir zu tun hat. Planlos. Uninspiriert. Überfordert. Bin zunächst sprachlos. Komme dann doch mit dem netten Dauerkartennachbar rechts von mir ins „Dischbediere“. Hadere mit Michael Skibbe. Alle und alles doof.

Dietrich Weise wird heute 75 Jahre alt und auch mein lieber Mit-Adler hat heute Geburtstag. Wir fahren nach Hause, sperren die Welt nach draußen und sitzen und trinken und reden und trinken und hören Musik. Die Sterne blinken und die Katze maunzt. May you stay.

22. November
Im Eintracht-Forum wird ein altes
Interview mit Heribert Bruchhagen aus der FAZ wieder heraus gekramt. Dort spricht er z,.B. über die Veränderungen im Profi-Fußball von früher bis heute. „Damals wurde über Frauen und Skat gesprochen, heute hören die Spieler (im Mannschaftsbus) Musik und verfolgen die Börsennachrichten, sie haben feste Freundinnen und ernähren sich alle vernünftig.“

Möglicherweise ist genau das das Problem?

23. November
HR-Heimspiel. Vor dem Spiel gegen Hertha – ein Interview mit Friedhelm Funkel. Der kennt die Eintracht aus dem FF. Wie auch sonst?


24. November
Mc Donalds wechselt die Farbe und ist künftig grün statt rot. Das ist dann also grade umgekehrt wie bei den Trikots von Hannover 96.


25. November
Marschroute für das Spiel in Berlin: Möglichst lange das 0:0 halten. Ach so.

26. November
Heute steht in der Zeitung, was einige andere und ich schon lange wissen:
Alex Meier ist für die Eintracht unersetzlich.

27. November
Wir lassen Forum, Eintracht und Arbeit hinter uns und fahren zu einem lange geplanten und immer wieder verschobenen Familienbesuch ins Schwäbische. Die letzten Tage waren anstrengend und zäh. Nichts bleibt wie es war. Alles ändert sich. Vorbei. Vorbei. Am Himmel türmen sich graue Wolken. Beim Zwischenstopp an einer Autobahnraststätte merke ich, wie die Melancholie allmählich aus meinem Körper weicht. Hey. Die Welt. Da ist sie. Garstig. Flüchtig. Laut. Aber immerhin: Lebendig. Der Kaffee ist heiß. Das Käsebrötchen pappig. Nach Überwinden des vollautomatisierten Technoparcours zum Betreten der Toilette vernehme ich zarte Geräusche aus den Lautsprechern: Vogelzwitschern. Yep.


„Das Schöne schwindet, scheidet, flieht.
Fast tut es weh, wenn man es sieht.
Dich will ich loben Häßliches.
Du hast so was Verlässliches.“

(Robert Gernhardt, „Nachdem er durch Metzingen gegangen war“)

Hallo Welt!

28. November
Verbringe die Nacht frierend mit einer nur dünnen Decke und einem Eintracht-Schal um den Hals auf einer bockelharten Bettcouch. Erst gegen Morgen schlafe ich ein. Vielleicht liegt es daran, dass sich auch mit dem Näherrücken des Anpfiffs in Berlin nicht der gewohnt gnadenlose Vor-dem-Spiel-Optimismus einstellen will. Die Eintracht gewinnt trotzdem. Nicht nur das – sie spielt sogar Fußball. Auf diesen Verein ist eben niemals Verlass. Zum Glück.

Wir erleben das Spiel auf der Autobahn am Radio bzw. in der Raststätte per - dankedankedanke - SMS Live-Ticker mit. In dem Moment, in dem wir an der an die Autobahn geklebten „SAP-Arena“ vorbeifahren, vermeldet der Reporter im Radio den Ausgleich der Hoppenheimer. Ich lasse die Scheibe des Autos herunter und höre die Lautsprecherdurchsage gleichzeitig im Radio und aus dem Stadion. Strange.

29. November
Die neue Bundesregierung möchte schnellstmöglich das Wachstumsbeschleunigungsgesetz weiter auf den Weg bringen. Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Kann man sich so ein Wort ausdenken, ohne das einem unmittelbar danach der Kopf abfällt? Erinnere mich an ein Gespräch mit einem alteingesessenen Mainzer Buchhändler, von dem mir mein Mit-Adler erzählt hat: „Wissen Sie“, sagte der mittlerweile recht betagte feinsinnige, alte Herr, „Wissen Sie: Während meiner Buchhändler-Lehre haben wir über Orwell gelacht. Und jetzt ist alles viel schlimmer gekommen.“

Heute feiern wir den ersten Advent. In einer Volksabstimmung entscheidet sich die Mehrheit der Schweizer „Stimmbürger“ dafür, den Bau neuer Minarette künftig zu verbieten. Im Mainzer Staatstheater steht in dieser Saison „Andorra“ von Max Frisch auf dem Spielplan.

30. November
Hauptversammlung der Eintracht. Erstmals ist auch der Trainer der Profi-Mannschaft anwesend. Zunächst hält Heribert Bruchhagen
eine emotionale Rede und fordert Solidarität. Dann erhält Michael Skibbe für seine Vision viel Applaus. Solidarische Visionen. Visionäre Solidarität. Schon wär's.

Eine schwere Zeit hat er hinter sich. Wirkt Bescheiden. Zurückhaltend. Witzig. Seine Augen funkeln. Der Bub ist „knitz“, würde man im Schwäbischen sagen: Ümit Korkmaz ist heute zu Gast im HR-Heimspiel. Wär das genial, wenn er sich bei der Eintracht doch noch durchsetzen würde! Wir werden sehen - vorerst sitzt er jedenfalls hier auf der Heimspiel-Interview-Couch. Und das ist so spannend, dass er seine Zeit dazu nutzt, um SMSe mit Andreas Ivanschitz auszutauschen.

1. Dezember
Zur Einstimmung auf das Spiel am Samstag verbringen wir den Abend mit Henni Nachtsheim im Mainzer Unterhaus. Wie’s war? Aaaaalso… (mehr dazu schon bald hier in diesem Theater ,-)

2. Dezember
Der Friedensnobelpreisträger Barack Obama verkündet, dass die USA
30.000 zusätzliche Soldaten nach Afghanistan schicken wird und erklärt in der gleichen Rede den Krieg quasi für beendet. „The beat goes on."

Am vergangenen Sonntag hat Christoph Preuß im Spiel der U23 beim SSV Ulm zum ersten Mal nach seiner Verletzung wieder 90 Minuten auf dem Platz gestanden. Am nächsten Sonntag wird er wahrscheinlich beim Heimspiel gegen Großasbach am Bornheimer Hang auflaufen. Es geht immer weiter. Kick it!

**to be continued**

Kommentare

  1. "Es geht immer weiter." Auch mit den "Schnipseln". "Verläßlich", aber alles andere als "häßlich". :-) Danke!

    Gruß vom Kid

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  2. Immer weiter...tja, so ist das wohl...wg. Schnipsel kann ich's jedenfalls selbst kaum glauben, aber ich hab tatsächlich vom 1. Januar an bis heute (fast) jeden einzelnen Tag des Jahres verschnipselt. Zeit, um an ein Schnipsel-Jahrbuch zu denken **gg

    Vielen Dank zurück in die Klappergass!

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  3. Charly hat immer große Interviews gegeben. Zu meinen Lieblingen gehört ein Halbzeitgespräch aus der Zeit des jungen Michael Sternkopf, der heute Marketingchef oder so was in Offenbach ist.
    Repoter: Michael Sternkopf junges Talen blabla, große Karriere vor sich blabla, was rät Charly Körbel? Charly: "Isch meine, wenn er vernünftig bleibt im Kopf, wird er seinen Weg machen." Reporter: "Wird er in der 2. Halbzeit gegen Sie ein Tor machen?" Charly: "Mit Sischerheit nischt." Natürlich hat die Föhnfrisur auch keins gemacht. Charly war einer wo eben Verlaß drauf war.

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