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Eintracht Frankfurt international... |
Gestern schien die Sonne, heute ist es trüb und regnerisch.
Fast könnte man darin eine Symbolik sehen, aber nein, davon, dass der Himmel sich für die Eintracht
verdüstert, sind wir derzeit noch ein gutes Stück entfernt. Vor dem Spiel der
Eintracht gegen Nürnberg hatte ich mir ein wenig mehr Normalität und Alltag
gewünscht. Nach dem Spiel weiß ich wieder, wie sich der Alltag anfühlt. Räusper.
Was soll ich sagen? Soooo wörtlich hätte
man das auch nicht gleich nehmen müssen. Nach Abpfiff mache ich es wie Marko
Russ, Sebi Jung und Vaclav Kadlec auf dem Rasen: Ich bleibe erst einmal sitzen.
Konsterniert, ratlos, fast ein bisschen sprachlos. Einmal mehr fühlt sich
ein Unentschieden an wie eine Niederlage. Wieder in den letzten Minuten den
Ausgleich gefangen. Und wenn ich gegen den HSV und gegen Freiburg noch gehadert
habe – von wegen: Eigentlich hätten wir... -, kommt es mir heute so vor, als hätte ich zum ersten Mal der Realität ins Gesicht geschaut, bin einfach nur ernüchtert. Kann das sein, dass wir uns derzeit spielerisch rückentwickeln? Nein, das war kein blöder Zufall, dass wir wieder kurz vor Schluss
noch den Gegentreffer erhalten haben. Es war absehbar, mehr noch: Es war mit
Ansage. Den Nürnbergern hat man bis zur letzten Spielminute angemerkt, dass sie
hier etwas mitnehmen wollten. Aber hat man gemerkt, dass wir dieses Spiel unbedingt
und mit aller Kraft gewinnen, den Sack zu machen wollten? Eher nicht. Fast war
es, als ob wir den Ausgleich schon einkalkuliert hätten. Bloß nicht aus
Versehen noch ein zweites Tor machen. Nach dem Ausgleich haben die Nürnberger
begriffen, dass sie sogar gewinnen können. Die Unsicherheit war uns bei jedem
Pass anzumerken. Hilfe, bloß keinen Fehler mehr machen. Punkt gerettet.
Immerhin. 9 Spiele. 10 Punkte. Platz 11. Wenn das kein Alltag ist, dann weiß
ich auch nicht.
Bereits die Halbzeitpause besteht überwiegend aus Kopfschütteln.
Was ist da bloß los? Einfallslos.
Durchschaubar. Kein Drang zum Tor. Mehr Ballbesitz, sicher, aber ohne
Spielwitz, ohne Ideen. In den ersten zehn Minuten sah das (wie eigentlich immer
in den letzten Spielen) gut aus. Da hatte man den Eindruck, dass wir schnell
ein Tor machen wollen, zumindest bis an den Strafraum kombinieren, auch mal aus
der Distanz abziehen. Schäfer – das war erkennbar – ist nicht ganz sicher bei
scharf geschossenen Bällen, lässt öfter mal abprallen. Aber das frühe Tor wollte nicht fallen und wenn es dann nicht fällt, dann wirken wir schnell fast ein wenig beleidigt. Gefährliche Situationen vor dem Tor entstehen nur durch Einzelaktionen (boah, ist der Kadlec schnell!) Alex Meier merkt man
die Verletztungspause noch überdeutlich an. Rode wuselt merkwürdig in effektiv und weitgehend sinnfrei. Die
langen Seitenwechsel öffnen das Spiel – aber hey, da auf unserer rechten Seite,
da steht Pinola und der versteht keinen Spaß. Einfach mal bei Stefan Aigner und Sebi Jung nachfragen.
Trotzdem. Das wird schon. Die Nürnberger können, die
Nürnberger müssen wir backen, also packen. Der ebenfalls angeknockte HSV vor zwei Wochen wirkte
insgesamt stabiler, systematischer, konsequenter – die Nürnberger sind zwar wildentschlossen und kampfstark, sie
halten konsequent dagegen, schalten schnell um, aber von systematischem
Spielaufbau ist wenig zu sehen.
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Frisch beflockt ist (leider nur) halb gesonnen |
Der Rest der Halbzeit
nimmt den aus den letzten Spielen bereits sattsam bekannten Verlauf. Statt weiter Druck zu machen, nach
zu legen, stellen wir den Spielbetrieb mehr oder weniger ein.
Verlegenheitspässe. Hintenrum Gespiele. Halbherzig nach vorn getragene Angriffe. Die Auswechslung von Aigner ist
folgerichtig, dass für ihn Celozzi kmmt, jedoch mit Sicherheit das
falsche Signal. Aaargsgrmpfbrpf....Wir wollen den Vorsprung über die Zeit retten. Hey, das wird
nichts. So geht das nicht. Das wird nicht reichen. Hiiiilfe, gleich fällt das Gegentor – möchte ich rufen. Ich sehe es, jeder sieht es
und wir bibbern, dass es dieses Mal
anders sein wird. Ist es nicht. Das Tor
der Nürnberger fällt. Der Rest ist Schweigen – und zwar buchstäblich. Heute zum ersten Mal in dieser Saison keine
Gesänge, keine jubelnde Verabschiedung der Spieler. Gut so, auch das ist ja ein Stück Normalität.
Feiern, wenn es etwas zu feiern gibt – aber nicht um des Feierns willen. Vielleicht
auch normal, dass rundherum schon wieder Sundenböcke ausgemacht werden. Allen
voran Armin Veh, der wohl immer ein Trainer sein und
bleiben wird, dessen Eigenarten im Erfolg geliebt und ihm bei
Nicht-Erfolg übel genommen werden. Zu meinem Erstaunen hagelt es auch Kritik an
Kevin Trapp. Wie bitte? Warum? Weil
über ihn und seine Freundin ein bisschen viel Wirbel gemacht worden ist? Kann sein, dass ich mich täusche, aber mir
kommt es so vor, als stünde die Solidarität mit der Mannschaft auf reichlich
wackeligen Füßen. Keine innige
Herzensbindung an diese, genau diese Mannschaft und ihre Spieler, sondern eine Art Deal. Hey, Mannschaft, hey
Trainer – wir sind froh, dass ihr uns
nach Europa gebracht habt, aber jetzt seht auch zu, dass ihr die Euphorie
weiter befeuert.
Gedankenwirbel. So ein lauer, müder, kraftloser Kick. Liegt das doch am europäischen
Kräfteverschleiß? Nein, glaub ich nicht, aber natürlich hängt das mit Europa
zusammen, doch tut es. Mein Eindruck: Uns fehlt derzeit die richtige Einstellung,
der Rhythmus für den Alltag, ist uns verloren gegangen und vielleicht tun wir
auch zu wenig, um ihn zu finden? Und mit
„uns“ meine ich nicht nur die Mannschaft.
Jedes Spiel, jede Phase dieser Saison annehmen. Ob es z.B. so eine gute
Idee ist, in Länderspielpausen die ohnehin schwierige Trainingssituation durch
Sparflammentraining noch weiter zu depravieren? Ich weiß es nicht, ich weiß es
nicht.
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Mitgehangen, mitgefangen |
Wortkarg und muffelig stapfe ich durch die Abenddämmerung, vorbei an eingegitterten Clubfans, an aus Versehen ebenfalls eingegitterten Eintrachtlern, weiter in
Richtung Parkplatz. Blöd, doof, menno. Keine Lust auf Bratwurst, wirbele mit meinen Füßen durch
das nasse, bunte Laub. Mein Kopf ist leer, die Füße sind kalt, die Beine schwer. Abends in den Tagesthemen ein Bericht über den Parteitag der Grünen
(die – wie ich interessiert zur Kenntnis nehme – sich jetzt als Partei der bürgerlichen Mitte mit
ökologischem Schwerpunkt positioniert. Na dann: Herzlichen Glückwunsch!) Cem
Özdemir kann im Interview gar nicht oft
genug bekunden, wie es jetzt weitergeht:
„Das werden wir künftig besser machen!“
Alla. Jetzt einfach mal Kopf aufkrempeln und den Alltag
annehmen. Das tut nicht weh, sondern wird
uns vielleicht sogar gut tun. Auf alte
Stärken besinnen, mutig sein, Herz in die Hand nehmen. Nur wer fest auf dem
Boden steht, kann bald auch wieder
abheben. Tel Aviv ist schön und gut, aber im Moment nicht so wichtig. Europa
läuft schon irgendwie, zumindest jetzt noch, in der Gruppenphase. Erstmal weniger
„ ohoho, wir fahren nach Bordeaux, stattdessen “oho ohach, wir fahren nach
Gladbach.“ Mein Kampfgeist ist
jedenfalls wieder voll da. .
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Dieses Foto vor dem Spiel hätte ich vielleicht lieber nicht machen sollen. Ist aber vermutlich eh Wurst. |
Liebe Kerstin,
AntwortenLöschenwenn es Adlerfans wie dich gibt,können wir auch ein Ärgerunentschieden verkraften!
Dann gibt es die 3 Punkte halt beim Wolfsburgspiel!!
PS: Wo die Wurst herkommt ist völlig egal!
Alles Liebe
Paul und Thomas
Also,das Spiel hat mir schon sehr veh getan,äh weh natürlich(sorry für den Kalauer). Es wirkt noch bis heute nach,und meine Ratlosigkeit ebenfalls. Bezeichnend fand ich, dass die Fankurve Mitte der 2.Halbzeit "Eintracht Frankfurt international" angestimmt hat, wie eine Art letzte Fluchtmöglichkeit vor diesem grausamen Spiel mit vorhersehbarem Ende.
AntwortenLöschenWenn man seine bisherigen Siege fast ausnahmslos gegen zweitklassige Gegner eingefahren hat und es einem nun nicht einmal mehr gelingt, die Gegner zu schlagen, die im Tabellenkeller und mit dem Rücken zur Wand stehen, weiß man genau, wo man selbst steht.
AntwortenLöschenEs ist so, wie du es schreibst. Und wie es nach den Erfahrungen anderer mittelklassiger Klubs zu erwarten war: Der Europapokal tut uns - von der Kohle mal abgesehen - nicht gut. Nicht in den Knochen, nicht in der Kraft und nicht im Kopf. Und vor allem der scheint mir - in mancher Hinsicht - das Problem zu sein.
Gruß vom Kid
Ich war sowas von bedient am Samstag. Das passiert bei mir ja nur selten. Wie kann man nur diesen Sieg (schon wieder) aus der Hand geben? Das Fußballspiel einstellen und um den Ausgleich betteln? Gegen diese bestenfalls untermittelfeldmäßige Mannschaft?
AntwortenLöschenHat denen jemand gesagt, dass sie nach einem Tor Kraft sparen sollen für andere Aufgaben? Glaube ich nicht. Haben sie das trotzdem im Kopf? Das was uns noch letzte Saison ausgezeichnet hat, dass wir nämlich immer weiter nach vorn gespielt, auf das nächste Tor gespielt haben - das ist weg.
Tja. Ernüchternd, enttäuschend. Schade einfach. Vor allem wenn man bedenkt, wie entspannt die Situation in der Tabelle aussehen würde, wenn diese letzten 5 Minuten in den letzten 3 Spielen nicht gewesen wären.
Liebe Grüße
Nicole
Möge sich der ein oder andere Beteiligte dieses Realo-Text in den Spind hängen, dann sollte das Kopfproblem auch bald behobe sein. Denn realistischer als gegen Hamburg, Freiburg & Nürnberg kann man garnicht aufschlagen. Danke für die Worte, Kerstin. Danke!
AntwortenLöschenViele Grüße & weiterhin sichere Straßen, Fritsch.
@Paul und Thomas: Das gebe ich gern zurück - mit euch ist am Ende auch das dritte dabbische Unentschieden in Folge irgendwie auszuhalten. Aber lieber ist es mir, wenn wir zusammen einen Sieg bejubeln. Wie am nächsten Samstag!
AntwortenLöschen@Briegel: Ich veh-rzeihe dir ,-)... Ja, ein Hauch von Baunatal im Sinn, Kopf und Herz auf dem Platz statt in Bordeaux wäre vielleicht hilfreich. "Weit blicken, aber das Naheliegende im Auge behalten." Alte Fahrlehrer-Weisheit.
Anderer mittelklassiger Clubs? Oje, Kid. Noch hoffe ich, dass wir bloß ein Hallo-Wach benötigen, um die Kurve nach oben zu nehmen.
@Nicole: Das ist echt unglaublich, diese 86 Minuten-Tabelle. Hätte, hätte, Fahrradkette. In der letzten Saison haben wir unsere Spiele hinten raus gewonnen, umgebogen - jetzt sind wir halbherzig, unsicher, ideenlos. Können wir nicht? Wollen wir nicht? Das Gegentor fällt immer mit Ansage. Baaah.
@Fritsch: Ich bin sehr nervös und gespannt, wie realo das Spiel heute in Gladbach sich anfühlen wird. Vorher und insbesondere nachher.
Einträchtliche Grüße in alle Richtungen, K.