In der zurückliegenden Woche habe ich – einmal mehr – eine
putzige Notiz in unserer Lokalzeitung entdeckt. „Statisten gesucht“ war da zu lesen. Und für
was? Für die „Simulation der Evakuierungsmaßnahmen nach einem Reaktorunfall“. Damit die Situation
möglichst authentisch nachgestellt werden könne, seien auch Menschen mit Hund, Kinder und
Rollstuhlfahrer herzlich willkommen. Immerhin
wird in diesem Fall noch verkündet, dass es sich um ein Rollenspiel
handelt. Das ist in letzter Zeit in
vielen Bereichen nämlich gar nicht so einfach zu unterscheiden. Die Grenzen
zwischen Realität und Simulation sind zunehmend fließend. Manchmal kommt es mir so vor, als ob die
Welt immer mehr darauf ausgerichtet ist, so zu tun als ob. Kein Problem, Statisten für all das zu
bekommen – im Gegenteil: Wir scheinen uns um die Rollen zu reißen, können gar
nicht genug unterschiedliche Statistenrollen übernehmen, sind immer im
Casting-Modus.So bald irgendwo eine
Kulisse aufgebaut ist, strömen wir in Massen, um die Szenerie glaubwürdig zu
befüllen. Oktoberfest (= lustig
gekleideter Partygänger). Bio-Laden (=
aufgeklärter, kritischer Verbraucher). Dorf (=
ökologiebewusster Neubürger, der ländliche Folklore zu schätzen weiß). Stadt (= trendiger Weltbürger, der Bescheid weiß). Stadion (= beste Fans der Welt ,-)
Gestern ist mir auf dem Wochenmarkt in Mainz ein kleiner
Trupp Männer aufgefallen – acht oder neun werden es gewesen sein, junge, mittelalte, ältere. Offensichtlich
Touristen, sie fotografieren den Dom, machen sich gegenseitig auf dies oder
jenes aufmerksam. Nett, lustig, entspannt.
Einzelne Wörter und Sätze wehen zu mir herüber. Huch, was für eine Sprache
ist das denn? Und dann entdecke ich den Schal, den einer der Jungs umhängen
hat. Mensch, klar. Hebräisch. Maccabi. Die Jungs sind aus Tel Aviv. Und – menno – so ein Mist. Ausgerechnet heute habe ich keinen Eintracht-Schal
um den Hals, zu warm - auch die Eintracht-Regenjacke ist im Auto
geblieben. Egal, dann muss es so gehen. Ich spreche einen der Jungs an: Seit ihr…? Wart
ihr am Donnerstag im Waldstadion? Ja, klar. Erstaunen. Warum fragst du? Ach soooo. Lachen. Echt? Du bist
Eintrachtler? Hey. Cool. „Great atmosphere, great fans.“
Trotz übergroßem Europaglück, trotz Stolz und weit geöffnetem, wild
klopfenden Adlerherz habe ich in den vergangenen Tagen und Wochen oft damit
gehadert, dass nur noch von der „geilen Stimmung“ und den „geilsten Fans der
Welt“ die Rede ist und bei all dem Hype, dem sich gegenseitig auf die
Schulter Klopfen und feiern, der Fußball, die Eintracht zwar in aller Munde ist und trotzdem irgendwie immer weiter entgleitet. Jetzt, in diesem Moment, mitten zwischen Kraut und
Rüben auf dem Marktplatz in Mainz, im Gespräch mit den Fans unseres Euro-Gegners, fühlt sich alles richtig an. Mir läuft ein Schauer über den Rücken. Noch einer. Hey,
ja, danke.Genial. Muss, will das Kompliment zurückgeben. Also, die Maccabi Fans, die sind auch nicht schlecht. Sie freuen sich, erzählen. Ja, über 1000 Fans aus Israel waren nach
Frankfurt gekommen. „Will you come to Israel, too?“ Nein, leider, unfortunatly
no – aber zwei-, dreitausend von uns werden ganz sicher anreisen. Wir sind uns
einig: Maccabi und die Eintracht werden beide weiterkommen. „Good Luck!“
In Europa sind wir also, kein Zweifel, aus der Kulisse herausgetreten und haben
derzeit einen ganz großen Auftritt. Aber auch in der Bundesliga werden im Moment die Rollen vergeben. Das Stück heißt „Saison 2013/14“ – die Hauptrollen - 1. Sieger, 2. Sieger, 3. Sieger – scheinen
bereits vergeben. Die Statisten werden noch gesucht, aber es sind auch noch ein
paar spannende Nebenrollen zu vergeben. Die des jungen Wilden zum Beispiel. Oder
die des Überraschungshelden der letzten Saison, der sich von seinem Erfolg
nicht beirren lässt, und mutig und entschlossen dafür kämpft, seinen Ruf als
Held zu bewahren und auszubauen. Die der Mannschaft, die im richtigen Moment
zeigt, dass sie weiß, worauf es ankommt.
Die sich einig ist, dass sie keine Lust darauf hat, in Europa zu strahlen und sich in der Bundesliga mit der
Statistenrolle zu begnügen. Die der Mannschaft, die anscheinend nur Unentschieden kann, und dann doch und erst recht drei Punkte holt. Heute. In Gladbach.
Auswärtssieg!
Heute zeigen wir, dass wir auch in der Bundesliga noch gewinnen können!
AntwortenLöschenGanz bestimmt. Haben soeben meinen Tipp von Unentschieden auf Auswärtssieg geändert. So, wenn das kein Zeichen ist.
LG Nicole
Yep, Zeichen setzen. An dir, an euch wird es bestimmt nicht liegen :)
AntwortenLöschenViel Spaß in Gladbach. Auswärtssieg!
Donnerstags im Stadion sah das gut aus & fühlte sich gut an. Besser anfühlen wird es sich, wenn heute dann die "doch und erst Recht drei Punkte" geholt werden. In Gladbach. Danke für die klare Ansage & jetzt: Auswärtssieg! Sonst garnichts. Ich will ihn & ich weiß, die Mannschaft will ihn auch!
AntwortenLöschenViele Grüße & weiterhin sichere Straßen, Fritsch.
Aus dem Herz direkt in die Tasten. Großes Lob an die rotundschwarze Schwester vom Bruder im Geiste.
AntwortenLöschenKid
Und nach dem Spiel der Eintracht in Gladbach: Statisten gefunden.
AntwortenLöschenWas für ein Elend.
Besser kann man es nicht ausdrücken. Mir fehlen die Worte.
LöschenSie haben es sogar wörtlich genommen. Zwischen der 67. und der 72. Minute waren wir kein einziges Mal am Ball. Wollen wir hoffen, dass wir jetzt nicht fürs Casting in einer - speziell für diese Saison - neu geschaffenen tragenden Nebenrolle antreten... Ja, was für ein Elend, selbstverschuldetes.
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