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Walk the Line

Samstag, 17. 17 Uhr.  Abpfiff in Bremen.  Grüne Fahnen werden geschwenkt, Bremer Spieler hüpfen auf dem Rasen, Kevin de Bruyne zieht sich ein rotundschwarzes Trikot verkehrt herum über den Kopf.  Zehn Minuten vor Schluss bin ich seit langem einmal wieder draußen um die Tanne gekreist. Schweigend im Regen. Wollte das Tor herbeilaufen. Eintracht. Eintracht. Hat nix genützt. Es ist beim 1:1 geblieben. Bremen – es sei ihnen gegönnt - hat den Klassenerhalt geschafft  und jetzt ich sitze auf meinem Stuhl , starre auf den Bildschirm und weiß nicht wie ich mich fühlen soll.

1:1 in Bremen, denke ich, ist doch ok. Eigentlich.  Fühle aber weder Erleichterung, noch Freude, sondern einfach nur:  Nichts.  So sicher war ich mir vor dem Spiel. So sicher. Nicht unbedingt, dass wir dieses Spiel in Bremen gewinnen. Aber sicher, dass wir Europa heute eintüten würden.  Wie Werder  gegen uns würde sich auch Hoffenheim (baaaah, Hoffenheim) gegen den HSV reinhängen.  Keineswegs würde der HSV in Sinsheim gewinnen. Und wenn wir dann mindestens einen Punkt  in Bremen holen, dann ist alles klar. Dachte ich.  Ganz sicher. 1000 Prozent. Saß praktisch schon im FuFa-Bomber nach Ashkarat. Eigentlich war an dieser Stelle großes Glück, Hüpfen, Kreischen, Überschwang eingeplant.  Und jetzt sitze ich also, starr und stumm. Die Vorfreude der letzten Tage. Das Kribbeln. Träume.  Hoffnungen. Xylofone. Alles weg. Dabei ist doch gar nichts passiert. Denke ich. Alles noch drin. Europa dann halt eine Woche später.  

Stefan Aigner wird interviewt – und sieht genauso aus wie ich mich fühle. „Wir werden alles versuchen unser letztes Heimspiel zu gewinnen,“ sagt er seltsam tonlos und mit leerem Blick, als ob nach einer großen Anspannung alles vorbei ist. Ein Luftballon, aus dem die Luft heraus gelassen worden ist. Wie wenn du auf einen großen und wichtigen Termin hinarbeitest, dich vorbereitest bis ins Detail, voller Vorfreude und Anspannung bist – und dann merkst, dass du das Datum verwechselt hast. Wie? Das war noch gar nicht heute?  Erst in einer Woche. Ach so. Mmh. Und auf einmal merkst du wie erschöpft du bist. Wie anstrengend die letzten Woche und Tage waren. Wie sehr du auf diesen Tag heute hin gefiebert hast. Und jetzt: Ätsch. Bätsch. Weitergeht’s. Wie? Alles wieder zurück auf Null. Spannung noch mal neu aufbauen.  Alle Kraft scheint aus den Knochen zu weichen.  

Zappe mich kurz durchs Netz...

***Wir - :"die" - haben es doch nicht richtig gewollt.*** Die Bremer waren doch platt.*** Wir haben die Championsleague verspielt. *** Da fehlt die Leidenschaft. ***Nur ein Punkt mehr. Menno.*** Gegen die Bayern.  Zuhause gegen den VFB. Sieg in Mainz.*** Aber nein, mit angezogener Handbremse.*** Kann man ja auch mal ein Tor machen. ***Warum ausgerechnet Matmour. Der Taka. Der Oczipka. Arrgs.*** Jetzt geht es wie immer bei der Eintracht.*** Na ja, war doch trotzdem eine gute Saison. ***Am Ende werden wir Siebter.*** Ein Punkt wird uns nicht reichen. Der HSV gewinnt auf jeden Fall zu Hause gegen Leverkusen. Die ziehen noch an uns vorbei.***  

... mir ist flau. Merke, wie die Panik in mir hoch kriecht. Was, wenn...? Und das ist dann der Moment, an dem ich mich aufrichte. Nein, so nicht. Nur das nicht. Kleinmütig. Ängstlich. Mausig. Nur jetzt nicht in die selbstausgelegte Falle tappen..

Schluss damit.  Championsleague-Gedöns. Enttäuschung.  Hätte, hätte Fahrradkette.  Abhaken, einfach abhaken.  Verdammt, wer sind wir denn, dass wir unsere Träume ohne Not einfach so hergeben. Wir wollen nach Europa? Dann müssen wir es uns holen. Wir alle – auf dem Platz und wir draußen – wir werden uns jetzt einfach noch mal zusammenreißen, haben einen Punkt in Bremen geholt. Das ist doch was.  Und jetzt volle Konzentration auf das letzte Heimspiel gegen Wolfsburg. Mutig. Selbstbewusst. Aufrecht. Wovor sollten wir uns fürchten? Wir spielen nicht ums Überleben, sondern für ein großen Ziel. Endlich wieder einmal. Wir wollen das. Wir packen das. Walk the Line.


Kommentare

  1. Walk the line. Sehr schön, Kerstin! Das machen wir.

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  2. Ich war gar nicht so sehr enttäuscht, muss ich gestehen.

    Und ich freue mich wie selten auf Samstag, auf den letzten Spieltag, der noch mal richtig Spannung bringt. Positive Spannung. Noch einmal diese Saison alles geben, Gänsehaut-/Aufbruchstimmung im Waldstadion. Finale quasi.

    Klar packen wir das. Und dann wird gefeiert!

    LG Nicole
    PS: Das bedeutet natürlich, dass wir beide nicht nachlassen. Der übliche Treffpunkt VOR dem Spiel! Da gab es doch bisher nur Siege :)

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  3. So & nicht anders wird daraus ein Schuh. Eine Ansage. Machen wollen. Machen. Und fertig. Danke!

    Viele Grüße & weiterhin sichere Straßen, Fritsch.

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  4. Im Stadion gabs keine Tanne, um die ich hätte kreisen können. Ungefähr zur selben Zeit, als Du eine kreisförmige Figur unter die Tanne getrampelt hast, hat es mich allerdings auch aus dem Gästeblock getrieben, an einer Schar bedröppelt dreinschauender Eintracht Ordner vorbei, ins klamm-kalte Treppenhaus, mit der fast kindlich trotzigen Idee, wenn ich nicht da bin, kommt es endlich, das Tor zum Dreier. Je nun, Kinderspiel, hat bekanntermaßen nicht geklappt.

    Hab nur wenig in diesem Zwischennetz gelesen, nur dort, wo ich auf ein bisschen Humor hoffen darf, auf Generosität und eine gewisse Milde und Fairness in der Betrachtung und vor allem auf den einzig möglichen header:
    Walk the line. Danke dafür. Mutmacher.
    Werde da sein, angespannt zwar :-), aber nicht unleidlich.
    LG von der Sarroise

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