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The night Bob Dylan came to town

„Look – he’s playing with a Band“, wundert sich hinter uns ein Herr, - ein paar Minuten, bevor Bob Dylan am Samstag in Mainz die Bühne im Volkspark betritt. („Zum letzten Mal ohne Band – das muss ungefähr 1965 gewesen sein“, grummelt mein Mit-Adler).

„Ich bin sehr musik-affin,“ sagt eine junge Frau zu den um sie herum stehenden (gut zehn, fünfzehn Jahre älteren) Menschen, mit denen gemeinsam sie offensichtlich zum Konzert gekommen ist. „Wenn auch eigentlich mehr bei neueren Sachen, Lady Gaga und so.“ Und sie fügt hinzu: „Obwohl ich zugeben muss, dass die Musikszene früher vielfältiger war.“ Auch ein Herr aus ihrer Begleitgruppe hat noch etwas zu sagen: „Ich war ja auch noch nie bei einem Dylan-Konzert“, sagt er „ich wollt ihn zumindest noch mal sehen bevor er stirbt.“

Da wussten wir, dass wir gut beraten sein würden, uns hier ganz schnell vom Acker zu machen und uns ein Stückchen weiter weg von der Gruppe zu platzieren. Halb schräg vor uns jetzt ein grauhaariges Paar, rechts neben uns zwei Youngster ganz in schwarz – er mit Brille und Rolli wie einst die Exis – wir mittendrin. Ein guter Platz. Wie überhaupt der Volkspark in Mainz am Samstag Abend ein guter Platz war, um zu sein.

Bereits um sieben Uhr sollte das Konzert regulär beginnen. Das hängt mit den Volkspark-Anwohnern zusammen, die alle Jahre wieder gegen die Konzertlärmbelästigung protestieren und irgendwann Recht bekommen haben. Nach zehn Uhr geht hier nichts mehr und obwohl Bob - ganz gegen seine Gewohnheit – erst eine Viertelstunde später auf die Bühne tänzelt, wird er rechtzeitig fertig werden..

Leonpard-Skin Pill box hat oder Gonna change my way of thinking waren bei der diesjährigen Tour bisher als Opener gesetzt. Minuten später wissen wir: Heute - keins von beidem, statt dessen – yep - Rainy Day women. Every body must get stoned. Bob grooved relaxt, aber sehr konzentriert. Noch drei weitere Titel werden wir heute hören, die auf dieser Tour zum ersten Mal auf der Setlist stehen. Girl from the North Country – zerbrechlich, einsam, wehrhaft - zum Heulen schön. Hattie Caroll – ein fast heiter, hingetupfter Walzer ist den Strophen hinterlegt, um so pointierter die bitterböse Anklage von Heuchelei und Dummheit. Now ain‘t no time for your tears. Das Lied verebbt. Fast schmerzlich. Noch einmal. Noch einmal. Leiser. Ganz leise. Aus. Ganz anders Desolation Row – tatsächlich, er spielt heute Desolation Row – dieser wunderbare Text, scheinbar surreal-hingetupft, und doch eigentlich ein Spiegelbild. Das Innen vom Außen. Sehr straight, fast sachlich, ein ziehender, gleichmäßiger Rock-Rhyhtmus, der Text fast gerappt, und am Ende dann lässt Bob sein Keyboard gegen den Strich aufjaulen. Wütend. Wie ein Aufbäumen.  Überhaupt: Die Mundharmonika und das Kinderklavier, das Bob bearbeitet. Beide nutzt er als Melodie- und Rhythmusinstrumente, aber fast noch mehr setzt er damit die dramaturgischen Effekte. Performing Artist. Weh. Wild. Fast schräg, inbrünstig, trotzig. So ähnlich muss das einsame Harmonium im Panhandle geklungen haben.

Zwischendurch lässt Bob es rocken - Summer Days, Highway 61, Thunder on the mountain - sehr bluesig, mit viel Drive, aber doch ein wenig gedämpft und verhalten. Ob das auch an den Lautsprecherdämmungsregelungen im Volkspark liegt, die vor ein paar Jahren bei einem Van Morrison zu einem Eklat geführt haben? (Der hatte irgendwann keine Lust mehr und ging nach einer Stunde).

Bereits zwei Titel vor dem Ende des regulären Sets dockt der Bob-Bus an die Bühne an, was nicht überall gut ankommt. Der Tagespresse war zuvor zu entnehmen, dass Dylan nach dem Konzert von einem Mainzer Restaurant gecatert würde, dass er 20 Stiche mit Mainz-Ansichten und ein Gutenberg-Buch in seinem Bus vorfindet. Nützt alles nix, Interviews geben oder gar dem Bürgermeister die Hand schütteln und ggf. einen Handkäs oder eine Flasche Wein in Emfpang nehmen – das wird er ganz sicher auch heute nicht. Ballad of a thin man zum Abschluss – wie zuvor schon Ballad of Hollis Brown fast wie ein kleines Theaterstück.  Archaisch. Überzeitlich. Bob steht in der Bühnenmitte, raunt, deklamiert, mehr denn je erinnert seine Gestik an die von Charlie Chaplin, die Mundharmonika jault. Bob. Bobbie. Klatschen. Jubel.

Die Zugabe – in diesem Jahr fast immer ein Dreier-Set – eine dem Original sehr affine (*g) Fassung  von Like a Rolling Stone – eine - im Vergleich mit dem apokalyptischen Donner der Vorjahre - dämonisch-hallende Version von All along the watchtower - Blowing in the Wind als fließender Blues. Das Konzert ist aus. Heute nicht einmal eine kurze Vorstellung der Band, nur ganz kurzes Verharren der nebeneinander aufgereihten Combo-Mitglieder an der Rampe. Bob nickt, sie gehen.

Auch nach dem Konzert wurde einiges gesagt. Zum Beispiel von der vierköpfigen – am Dialekt eindeutig als pfälzisch identifizierbaren - Familie am Bratwurststand. Mutter: "Wenn ich des gewusst hätt...“ Sohn: "E Unverschämtheit. Was e Gekrächz. Mer hat ja kein Wort verstanden.“ Tochter: „Und kein einzische Ton hat er gesagt. Net mal hallo...“ Vater: „Da hätte mer auch daheim bleibe könne und grille...“

Wir tappern noch ein wenig über das Gelände. Beobachten die Roadies beim Abbau des Equipments. Die Busse mit Bob und seiner Band sind bereits auf dem Weg nach Hamburg, während hier auf der Wiese noch nicht einmal die Dämmerung eingesetzt hat. Der Volkspark ist auch an Tagen, an denen nicht gerade Bob Dylan vorbeischaut, ein feiner Ort. Hier wird gepicknickt, Federball oder Fußball gespielt, gechillt, Musik gemacht. Heute Abend liegt trotz leicht verhangenem Himmel eine spielerische Sommerabendleichtigkeit über der weitläufigen Parkanlage. Decken. Fahrräder. Gesprächsgruppen. Thermoskannen. Bierbecher. Bratwurstduft. Multikulti Sprachgewirr. The night Bob Dylan came to town. Eben noch, jetzt nicht mehr. War er wirklich da? Im Biergarten stehen die Menschen Schlange, am Brunnen klimpert ein Alt-Freak auf der Gitarre, aus der Lautsprecheranlage des Getränkestands klingt Musik. Tatsächlich: Dylan. Was ist es? Ahh.. ja. Is your love in vain. Street Legal.

Mit zwei älteren Damen und einem ganz jungen Pärchen, die ebenfalls vom Bob-Konzert kommen, warten wir an der Bushaltestelle auf den Shuttle-Bus. Der junge Mann hat lange Haare und trägt einen Bob-Hut. Sie ist zierlich, hat die langen Haare hoch gesteckt, Ohrringe baumeln, ein weites Blümchenhemd, schwarzes Jackett. Sind aufgekratzt, still vergnügt, beseelt von dem Erlebten, wollen noch ein bisschen in die Altstadt. Wir erklären ihnen den Weg.

Es geht weiter. Immer weiter. Bob would have liked them.

PS: Bob and his Band. Auf dem Weg zum O.K Corral. In Peking. In Tucson. In Melbourne. In Cork. In Albuquerque. In Mainz. In Hamburg. Hier: In Mailand.

Vorher:


Nachher:

... CU, Bob!

Kommentare

  1. Ja, so war es. Gut geschildert; der Zutritt für das erste Hundert war dilletantisch geregelt. Die Vordersten bekamen frontal stehend die Befürchtung, von der Seite kämen ihnen einige zuvor, so wurde dann eine Absperrung niedergedrückt und die ersten kontrollierenden Ordner beiseite gefegt. Nach diesem Rush hat sich das dann gleich wieder gelegt, es war aber gefährlich - wie so oft. Dylans Stimme war viel stärker als gedacht. Mal sehen, ob der Herbst noch etwas bringt. Gruß und Danke.

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  2. Habe mir gleich nach dem Konzert vorgestellt, wie der Mainzer OB und ausgewählte Stadtväter, einen Geschenkkorb mit Weck, Worscht und Woi und einen Handkäs auf dem Silbertablet im Anschlag mit offenem Mund hinter den davon rollenden BEAT THE STREET Bussen herstarren. "Come on, this is Roch 'n' Roll and not the Opera" (Patti Smith neulich im Mousonturm). Und jetzt beginnt das Warten auf die European Fall Tour. C.

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  3. Where have you been, my darling young one..das muss ich mich wohl fragen haha..Ich habe an jenem abend, ganz bei euch, mir no direction home angeschaut..only one thing i did wrong stayed in canada a day too long?.. war schwer nicht zu bereuen nicht da zu sein. Desolation Row.. :)und fuer die live performance von girl from the northern country haette ich mein streit trikot gegeben haha ;)..Ich hoffe, dass mit euch nachholen zu duerfen, du,r. ich und bob und er mit uns- wenn ihr mich mal mitnehmt :) cant wait!

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  4. Sehr schön. Danke, rotundschwarz. Vielleicht hätte ich nach dem Van the man-Desaster doch mal wieder vorbei schauen sollen. Aber mir geht es zurzeit wie Rick Blaine in Casablanca, der auf die Frage, was er heute Abend machen würde, antwortet, dass er nie so weit in die Zukunft plane. :-)

    Gegen Grillen im Garten ist übrigens nichts einzuwenden. Ganz und gar nicht. Da hätten in dem von dir beschriebenen Fall alle was von gehabt. ;-)

    Gruß vom Kid

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  5. @owladler: Puh - das Gedränge ganz vorn haben wir gar nicht mitbekommen klingt nicht so gut. Weiter hinten war alles ganz relaxt, es war ja ausverkauft und rappelvoll, aber durch die Weitläufigkeit des Geländes stand man doch luftig - wichtig, weil: Sing and dance ,-))

    @Celtix: Handkäs auf dem Silbertablett, garniert mit einem 05er-Fähnchen... in Meenz ist alles möglich... going going gone...

    @Streit7: Wir haben auch an dich gedacht, am Samstagabend. So gesehen waren wir dann ja doch zusammen da :-) Echt? Das Streit-Trikot? Ich weiß, was dieser Satz für dich bedeutet... Ja. So Bob will, holen wir das nach im Herbst. Versprochen. Can't wait, too.

    @Kid: Hihi. Stimmt. Aber jetzt hat die Grill-Familie beim nächsten Grillen (heute?) zumindest zündenden Gesprächsstoff.

    Im Volkspark ist es so schön, dass man meint, es wäre ein idealer Veranstaltungsort. Ist es aber aus meiner Sicht nicht, ich hab da jedenfalls schon mehr schlechte als gute Konzerte erlebt. Vielleicht auch deshalb, weil es rund herum zu "chillig" ist. Auch Bob sehe/höre ich eigentlich lieber in einer Halle als im Freien - es passt irgendwie besser zu der Art wie er im Moment performt. Obwohl - stimmt eigentlich nicht, was ich da sage - vor vier Jahren in Gelsenkirchen auf einer Bühne direkt am Rhein-Ruht-Kanal - das war zum Abheben. Sagen wir so: Open Air - da muss alles passen. Am Samstag hat es gepasst.

    Hey - freu mich sehr über eure Kommentare zu diesem nicht sehr eintracht-affinen Eintrag ,-)) - lg in alle Richtungen!!

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  6. Kid hat recht, Van the man war wirklich ein Desaster; allerdings haben das wohl die Veranstalter verbockt, die aus lauter Angst vor den Nachbarn praktisch schon beim Soundcheck die Anlage zurückfahren wollten. Also weniger Van die Mimose als vielmehr ein Musiker, den man seine Arbeit nicht machen ließ. Hatte aber einen starken Abgang und ist gruß- und kommentarlos direkt nach Frankfurt zum Flughafen gefahren. Die größte Frechheit im Volkspark/Zitadelle waren 65 Minuten ZZ Top. Als man dachte: Jetzt haben sie sich warm gespielt, waren sie weg.

    Das mit der Zukunft ist nicht nur in Rick's Cafe eine vertrackte Angelegenheit, wobei wir irgendwie auch wieder bei Bob wären: If tomorrow wasn't such a long time... C.

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  7. Danke, Kerstin. Nicht dabei gewesen & doch ganz beseelt. Ob der Klänge, die ich Deinen Worten entnehmen kann, den grandiosen Liedern & Deinen wunderbaren Worten.

    Und Grillen, wenn der His Bobness in der Stadt weilt, geht ja garnicht. Das hätte man der Familie mal sagen sollen.

    Viele Grüße & weiterhin sichere Straßen,
    Fritsch.

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  8. Hey... danke, lieber Fritsch. Und die grillende Familie, die hat Bob sowieso nicht verdient - die sollen beim nächsten Mal gleich grillen. Und das werden sie auch ,-)))

    lgk

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