Direkt zum Hauptbereich

Rotundschwarze WM-Randgänge: Bildstörung

Es war auf dem Weg zur U17 nach Langenselbold als uns zum ersten Mal der Gedanke kam: Vielleicht ist diese Weltmeisterschaft in Südafrika gar nicht echt, sondern sie ist einfach ein gigantisches Fantasy-Spiel. Es würde so vieles erklären. Z.B. diese merkwürdigen Bilder von Fußballspielen, die wir täglich im Fernsehen zu sehen bekommen. Wie bei FIFA oder Pro Evolution Soccer. Vollkommen steril und leblos. Im Hintergrund des Spielfelds die Stadionkulisse – immer nur bis zu einer bestimmten Höhe des Unterrangs zu sehen, merkwürdig einheitlich, die Köpfe verschwommen. Ab und zu winkt ein einzelnes Fähnchen – fast könnte ich wetten, dass es immer an der gleichen Stelle ist. Die immer gleiche Einstellung auf das ganze Feld. Die manchmal heran gebeamten Gesichter oder Figuren der Spieler, bei denen im Hintergrund die Kulisse immer weiter verschwimmt. Und am allermerkwürdigsten: die ab und zu eingeblendeten Fangruppen. Da stehen sie. Meistens komplett maskiert, springend oder hüpfend. Beim Spiel der Mexikaner sind sie alle in grün gekleidet und haben Sombreros oder Masken oder Püschel auf dem Kopf. Wenn Algerien spielt erscheinen sie in rot und weißen Trikots. Die Nordkoreaner sitzen in roten Jacken ordentlich aufgereiht. Die Griechen sind blau und weiß und sehen griechisch aus, alle. Die Italiener sind grünrotweiß und Italienisch. Kurzer Schwenk auf den immer gleich großen Ausschnitt. Jubel, aha – Mexikaner.

„Die sind zumindest gecastet,“ meint einer meiner Mit-Adler. „Das sind doch immer die gleichen“, meint ein anderer. Eine dritte Stimme: „Ich könnte wetten, dass da neulich, bei den Dänen, Kalkofe mitten drin rum gesprungen ist.“ Muhahaha. Stimmt. Man kann es sich genau vorstellen: In irgendeinem Fernsehstudio ist ein Trupp von Menschen passend zum jeweiligen Spiel eingekleidet worden. Steht bereit. Stadionkulisse. Sitzbänke. Schwätzt, popelt noch in der Nase, lümmelt herum. Noch letze Regieanweisungen.„Hey du da - Grüner – raus. Mexikaner sind erst morgen wieder dran.“ *grummel* Ok. Das Spiel läuft. Im Regiebuch steht: „Fangruppe“. Schwenk ins Studio. Achtung – jetzt: Jubel, Jubel, gröhl. Und wieder zurück aufs Spielfeld.

Und dann die Sache mit den Vuvuzelas. Wo kommt das Geräusch eigentlich her? Das müssen doch Massen sein, die da gleichzeitig tröten. Hat die schon mal einer gesehen? Schwarze, die tröten? Warum sieht man die nicht? In der gecasteten Fangruppe – ja, stimmt – da ist meistens einer, der eine Tröte in der Hand hält, passender- und folkloristischer Weise in der Farbe seiner Nationalmannschaft. Ich glaube meistens steht er am linken Bildrand. Und die Südafrikaner? Tröten die vielleicht vor den Stadion, weil sie nicht reindürfen? Sind die Vuvus vielleicht gar kein Support, sondern – wie ja von Fankulturforschern bereits recherchiert – doch eine Kampfansage?

Überhaupt: Außerhalb des Stadions. Von da gibt es keine Bilder zu sehen. Menschen verschiedener Nationen, die sich auf Straßen oder durch Städte bewegen. Singen. Fahnen schwenken. Einheimische. Wo sind die? Vielleicht findet die WM unter einer riesigen Glasglocke statt, die vielleicht ja tatsächlich in Südafrika steht. Vielleicht bekommt sogar jede der teilnehmenden Nationen, die Spiele in einer eigenen Version übertragen. In der deutschen Version haben die Deutschen gegen Australien gewonnen. In der Schweizer Version die Schweizer gegen die Spanier. Und in der spanischen...

Zum Glück sind wir kurz vor Langenselbold als einer meiner Mit-Adler sich in diese dann doch allzu absurde Weltverschwörungsidee verstrickt. Ein kleiner Zweifel blieb jedoch. Bis gestern. Da hat die deutsche Nationalmannschaft nämlich gegen Serbien verloren – und das wäre bei einer speziell deutschen WM-Version doch sicher nicht passiert. Wo wir grade so schön in Feierlaune sind. Uff, was für ein Glück. Dann ist ja doch alles echt! Danke für die Bildstörung!

Kommentare

  1. Bildstörung hin oder her,Kerstin-drücke für mich am Samstag die Daumen mit-für unsere Jungs.
    Schade,dass das Spiel nicht am Sonntag stattfindet,da wäre ich mittendrin-statt nur dabei(Text).
    LG
    (B).

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Die nächste Strophe vom alten Reisbrei

Am Samstagabend höre ich im ZDF Sportstudio die Vorankündigung für das Spiel am Sonntag im Waldstadion. „Hannover kann morgen auf den zweiten Tabellenplatz vorstoßen“, verkündet Katrin Müller-Hohenstein. Tatsächlich? Was Sie nicht sagen. Und die Eintracht? Hey – hallo, das ist unser Heimspiel, und wir werden es gewinnen, weil nämlich dann wir es sein werden, die zu Hannover und zur Spitzengruppe aufschließen. Capisce? Und tatsächlich. So machen wir es. Impressionen vom Spiel: Patrick Ochs, der in der ersten halben Stunde auf der rechten Seite herum mannövert als habe er tatsächlich vor, was er vorher verkündet hatte: Sich festbeißen – und von dem in der zweiten Halbzeit nichts mehr zu sehen ist. Halil Altintop, der (auch in seinem eigenen Sinn) zur Halbzeit hätte ausgewechselt werden müssen, und von seinem Trainer, der voll hinter ihm steht, eine viertel Stunde vor dem Ende zum Abschuss freigegeben und – sichtlich um Fassung bemüht – regelrecht vom Platz gepfiffen wird. (Ja,...

Kleines Fußball-ABC - Heute "U" wie "Unterschiedsspieler"

Unterschiedsspieler, der (pl. (selten die); fußballneudeutsch für einen Spieler, der – wie der Name schon sagt – den Unterschied machen und ein Spiel entscheiden kann. Bsp .    → Rebic, Ante (Eintracht Frankfurt) , der in der ersten Runde des DFB-Pokals 2019/20 “ den aufmüpfigen Drittligisten Waldhof Mannheim quasi alleine in die Knie zwang. “ In der Regel ist der → Unterschiedsspieler ein Offensivspieler, aber auch Defensivspieler „mit einer starken Technik und einem guten Gespür für Räume imOffensivspiel“  können Unterschiedsspieler sein  -   Bsp.   → Baumgartner, Christoph TSG Hoffenhei m) , → Kimmich, Joshua (FC Bayern München) oder  →Kostic, Filip (Eintracht Frankfurt), der für seinen Trainer →Adi Hütter derzeit „der absoluteUnterschiedsspieler“ ist. Auch Torhüter  können den Unterschied machen ( Bsp. Neuer, Manuel, FC Bayern München ), was als Beleg dafür gelten kann, dass auch Spieler, die nicht der Mannsc...

Die neue Leichtigkeit des Eintracht-Seins

Eigentlich war es viel zu heiß.  Schwimmen. Im Schatten sitzen und lesen. Yep.  Zwei Stunden in der prallen Sonne im Stadion stehen? Nicht wirklich verlockend.  So ist das manchmal - wenn man am wenigsten damit rechnet, passieren die schönsten Dinge. Jedenfalls: Gut, dass ich mich nicht habe abschrecken lassen,  an diesem 31. August 2024 beim Spiel der Eintracbt gegen Hoffenheim. Gut, dass ich da war! Um der gestopft vollen S-Bahn zu entgehen, fahre ich - ganz gegen meine Gewohnheit - früher los, sitze eine dreiviertel Stunde vor Anpfiff mit einer Bratwurst im Schatten hinter der Haupttribüne und freu mich. Hier ein Hallo, da ein Gude und im Block dann herzliche Begrüßung mit den langjährigen Mitstreiter*innen. Es war für einige von uns kein so ganz einfacher Sommer - Abschiede, Trennungen -, aber da sind wir wieder - immer noch, immer noch da. Die Erwartungen sind positiv ("Klar, dass wir heute gewinnen..."), aber nicht überschwänglich euphorisch. Die Neuen? Theate ...