Erinnerungsflash. Sommer 2006. Ja, genau – der WM-Sommer. Deutschland feiert sich selbst, Sönke Wortmann dreht einen Film darüber und wir machen uns am 2. Juli auf den Weg Richtung Gelsenkirchen – der ersten Station unserer diesjährigen Dylan-Tour, von dort aus geht es dann weiter nach Lille. Gelsenkirchen ist WM-Austragungsort. Aus den Fenstern der Wohnblocks, an denen wir vorbeifahren, hängen entweder deutsche oder türkische Fahnen – daneben jedoch fast immer auch eine blau-weiße. Gestern haben hier die Engländer im Viertelfinale gegen Portugal gespielt und sind ausgeschieden.
Vor dem Amphitheater hat sich eine lange serpentinenförmige Schlange gebildet. Hier hat gestern auch das Public Viewing stattgefunden, für die, die keine Karte fürs Stadion mehr bekommen haben. Hoch oben in einem Baum hängt eine Perücke, auf der ein Hut in England-Farbe steckt. Bleibt zu hoffen, dass der arme Kerl, dem die Perücke mal gehört hat, gestern abend nicht ebenfalls dort oben gelandet ist.
Es ist immer noch hell. Die Sonne glitzert auf dem Wasser. Die Menschen am gegenüberliegenden Ufer winken. Ab und zu tuckert ein Frachtdampfer vorbei.
Wir erleben ein schwebendes, federleicht hingetupftes Konzert (morgen in Lille erwartet uns dann das Kontrastprogramm). Aber jetzt ist heute, und es rollt und rockt. Einfach nur Musik und Luft und Himmel. Into the great wide open. Die flockige Stimmung überträgt sich auf den schwarzgekleideten Herrn, der da am Seitenrand der Bühne sein Keyboard bearbeitet. Auf dem Fluss nähern sich Menschen in Paddelbooten von hinten an die Bühne, Bob winkt mit seiner Harp. Something is happening and you don’t no what it is. Es wird dunkel und um uns her bleibt es trotzdem hell. Zum Schluss tanzt und hüpft das ganze Amphitheater. Neben mir ein ungefähr zwei Zentner schwerer englischer Hard Rocker mit nacktem Oberkörper von oben bis unten tätowiert. „This place dont’t make sense to me no more.“ Fast kann er über diese Worte aus des Meisters Mund schon wieder lachen. Vor mir swingen zwei nicht mehr ganz junge Ladies im Sommerkleidchen mit hochhackigen Schuhen. Links ein cooler Oldie (schätzungsweise 70) mit Sonnenhut. Schräg hinter uns ein Pulk megacooler Youngster im Bobbie-Look (Wer ist Bob Dylan? Immer der mit dem Hut!). With Bob on our side, wird die TAZ morgen texten.
Stopp. Eigentlich wollte ich ja an dieser Stelle ein paar Gedanken zum bevorstehenden Spiel der Eintracht gegen Schalke zu Papier bringen. Aber vielleicht kam der Schwenk nicht von ungefähr, denn – ganz ehrlich - mir ist flau, wenn ich an das Spiel morgen denke. Ein einziger, deprimierender Nachmittag gegen den VFB hat gereicht, dass die bereits bröckelnde leise Euphorie, die uns durch die ersten Wochen dieser Saison noch bis zum Pokalspiel gegen Aachen getragen hat, verpufft ist. Smokerings of my mind. Summer days are gone. Die Zeiten ändern sich. Aber vielleicht ist ja gerade Gelsenkirchen der richtige Ort für einen New Morning. Denn so viel ist sicher: Den gibt es immer. Und besonders schön ist er meistens dann, wenn man es am wenigsten erwartet.
Nachtrag: Einen richtigen Vorbericht auf das Spiel gibt es wie immer hier. Sehr informativ und sehr witzig - auch wie immer! Aber das wisst ihr sicher selbst :-)
Ein schöner Morgen war das heute. Mit der Eintracht hatte er nur leider nichts zu tun.
AntwortenLöschenSchöner Eintrag, Kerstin. "With bob on your side." :-)
Gruß vom Kid
Ja, das stimmt. Der Morgen war wunderschön. Trotz gestern. Und weil er so schön war, hat er mir dabei geholfen, die leise hereinbrechende Eintracht-Depriphase abzufedern. Ich hoffe, das Gefühl hält noch eine Weile vor. Nach den Ergebnisse des heutigen BuLi-Spieltags und einem vorsichtigen Blick ins Eintracht-Forum wird das nicht einfach...
AntwortenLöschenDanke fürs Lesen und Kommentieren :-)
New Morning in G.: Das einzige was die Engländer in den Regalem gelassen haben, waren alkoholfreies Bier und Stilles Wasser; ein paar Prinzipien hat man halt immer noch! Das Konzert war großartig, bei dem venue aber auch so surreal wie Bobs unnatürlich gute Laune.
AntwortenLöschenKeep on keeping on!
@Celtix: Ach, wie nett, dass du dich auch mal zu Wort meldest. Da musste erst Bob kommen **gg
AntwortenLöschenUnd, ja: Ich keepe :-) Danke!