Ich weiß nicht, ob es euch auch schon mal aufgefallen
ist: Von allem gibt es in den letzten
Jahren immer mehr oder immer weniger. Es gibt mehr Talkshows, aber immer
weniger unterschiedliche Gäste. Es gibt mehr (nur noch?) Krimis im Fernsehen.
Mehr Kaffeesorten (ist da eigentlich noch jemand außer mir, der keinen Latte
Vanille, Milchkaffee (mit Zimt oder Schoko), Capuccino etc trinkt, sondern
einfach Kaffee?). Es gibt mehr
Sicherheitskontrollen, dafür weniger Sicherheiten. Mehr Ausbildungsberufe, aber
weniger Fakultäten und Fachbereiche an der Uni (ungelogen: Ich kenne eine Uni,
in der es im Zuge der Neuordnung und Modularisierung zwar noch Romanistik gibt, aber Französisch abgeschafft wurde). Es gibt mehr Gedöns über alles und jedes, aber
immer weniger unterschiedliche Meinungen. Immer mehr Dinge, die unglaublich wichtig
sind, und immer weniger, um das sich jemand kümmert. Immer mehr Geschichtsshows
und immer weniger Geschichte und Geschichten. Mehr Erdnuss-Sorten (geröstet, ungeröstet, geröstet
ungesalzen, geröstet pikant gewürzt, ungeröstet
pikant, ungeröstet gesalzen). Mehr Chips. Sogar Sidolin reinigt jetzt
streifenfrei für mehr als 25 Oberflächen - und da darf man sich schon mal fragen, wo die denn herkommen
sollen.
Einem geht es eindeutig an den Kragen und das ist der Neger.
Überall war es in den letzten Wochen und Tagen zu lesen, dass Ottfried
Preußlers kleine Hexe sprachlich überarbeitet wird und modernen Sprach- und
Denkgewohnheiten angepasst werden soll. Lokomotivführer Lukas raucht schon lange nicht mehr. Huckleberry Finn darf keinen Tabak mehr kauen.Und während Pipi Langstrumpf ihren Vater – den Negerkönig, der jetzt ein Südseekönig ist –
wenigstens behalten durfte, wird das Negerlein (und mit ihm vielleicht auch das
Türkenmädchen und der Chinese), von denen die kleine Hexe zu einem Kostümfest
begleitet wird, jetzt einfach gestrichen.
Mein Mit-Adler hat deshalb -
inspiriert von allerlei anderen Alltagserlebnissen und Beobachtungen – eine
kühne These aufgestellt: Was nicht (mehr) passt, wird nicht nur einfach anders oder weniger,
sondern es verschwindet und ist dann als wäre es nie da gewesen. Na, na, na.
Man muss ja nicht gleich übertreiben, dachte ich bis, ja bis in der vergangenen
Woche die Sternsinger bei uns im Ort unterwegs waren. Es klingelte, ich öffnete
und da standen sie und ich wollte meinen Augen nicht trauen. Kaspar, Melchior
und – kein Balthasar. Sie waren nur zu zweit. Und was fehlte, war ausgerechnet …
na ja. Hilfe. Darüber muss ich jetzt erst mal nachdenken.
man fragt sich schon, mit welchem chuzpe sich jemand erdreistet, in alten, von anderen geschriebenen, texten rumzupfuschen. fehlt nur noch, dass die alten ddr-lexika umgeschrieben werden. klare forderung: wir brauchen mehr weniger.
AntwortenLöschenAlte DDR Lexika? Da wäre eine Menge zu bearbeiten, z.B.: Klassenkampf, Arbeiterklasse, Marx Karl, Ausbeutung, Mehrwert und: zyklische Krisen des Kapitalismus sowie Anarchie der Produktion; DDR wird natürlich durch Stasi ersetzt.
LöschenGruß, C.
Da hast Du Dich aber getäuscht: das waren nicht Kaspar, Melchior und der fehlende Balthasar, sondern direkt aus der fortzuschreibenden Bibel in gerechter Sprache "das sozial engagierte Zweikönig".
AntwortenLöschenGruß, C.
Es gibt sogar einen Münchner Stadtrat,ich glaube von den Linken,der allen Ernstes den Begriff Schwarzfahrer aus den Anzeigen in öffentlichen Verkehrsmitteln verbannen lassen wollte.
AntwortenLöschenUnd zwischen Erdnüssen und Sidolin vermisse ich die Rechtschreibreform, diesen politischen Meistercoup.
AntwortenLöschenSei sicher, dass Türkenmädchen und Chinese demnächst durch KinderIngruppe mit Migrationshintergrund ersetzt werden. Aber solange wir uns mit immer mehr von immer weniger zufrieden geben, sind wir halt leichter zu manipulieren. Wenn ich mich so umschaue, hat es wohl keiner gemerkt, dass wir uns stetig 1984 annähern.
Ich geh jetzt mal Vorhängeschlösser an die Regale mit den alten Büchern anbringen, man muss ja mit allem rechnen heutzutage.
Sehr tröstlich, dass zumindest dieses Jahr bei mir in Frankfurt noch die ganzen kleinen Balthasare dabei waren.
Der Mainzer Kult-Fassenachter Ernst Neger und sein Enkel, der sangesfreudige Thomas, sollen demnächst auch umbenannt werden: Ernst und Thomas Schwarz. Yep - mehr weniger, das gefällt mir. Nur bei einem nicht: bei den Punkten für die Eintracht. Da können es gar nicht genug sein.
AntwortenLöschenAuswärtssieg!
Liebe rotundschwarz,
AntwortenLöschenwillst du dich denn nicht umbenennen in indianerundneger um ein Zeichen zu setzen gegen das Diktat der absoluten politischen Korektheit? ;-)
@Sarroise: Oooooh. Fass ohne Boden und hier nur getupft. 1984? Ich glaube, wir sind fast schon ein Stückchen weiter. Das Vorhängeschloss am Bücherregal ist eine gute Idee.
AntwortenLöschen@Mark: Ich habe vor ein paar Jahren aufgehört zu rauchen - seit dem Rauchverbot bin ich immer wieder fast davor, aus Prinzip wieder anzufangen. indianerundneger - das ist eine geniale Idee. Darüber muss ich ernsthaft nachdenken :)
PS: Apropos geniale Idee - deine Idee von wegen konsoldierte Hinrunden-Auswertung des SdS ist NICHT verloren gegangen - irgendwie hab ich in den letzten Wochen nicht alles geschafft, was ich vorhatte. Jetzt hab ich die Auswertung gemacht - ich denke, ich packe sie mit in die erste SdS-Auswertung im neuen Jahr!!!
Danke, dass du dir die Mühe machst, mir ist klar, wieviel Arbeit in so einer Auswertung steckt.
LöschenVielleicht sollte ich mich in Euro umbenennen.
Hab jetzt schon mal den SdS eingestellt - Hinrundenauswertung folgt im Laufe des Tages!
LöschenUmbenennung in Euro? Das träfe mich in Euro und Bein :)
Dein Mit-Adler ist ein kluger Kopf, Kerstin. Ihr passt zusammen. :-)
AntwortenLöschenDa stimme ich dir zu, Beve. Das ist dreist.
Richtung 1984 twittert und simst man sich selbst, ganz zwanglos ohne Ministerium und Großem Bruder, Sarroise. ;-) Wir kriegen das bisschen Sprache schon noch alleine klein.
Danke schön, lieber Kid :)
AntwortenLöschenNachtrag zur Verhärtung der Mit-Adler-These: Nigger Jim im Huck Finn ist ja schon seit geraumer Zeit kein Nigger mehr - wie ich jetzt gelesen habe, gibt es in den USA jetzt sogar Bestrebungen, dass er künftig auch kein Sklave mehr sein darf. Dafür muss man dann allerdings noch ein ganzes Stück heftiger in den Text eingreifen. Und die Sklaverei hat es dann eben einfach nicht gegeben. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
Gut gefällt mir auch, dass Befürworter der Neger-aus-Büchern-Eliminierung das Wort Neger jetzt nicht einmal mehr in den Mund nehmen - das heißt jetzt "N-Wort". O, Balthasar!