„Alle glücklichen Familien ähneln einander, jede
unglückliche ist auf ihre Art unglücklich.“ So beginnt bekanntermaßen Tolstois
Anna Karenina. Und ganz ähnlich ist es wohl mit den Gefühlen bei dem immer
wahrscheinlicheren Abstieg der Eintracht. „Ich bin gar nicht mal so verzweifelt
wie ich eigentlich sein müsste,“ whatsappt mir eine liebe Adler-Freundin nach
dem Spiel gegen Leverkusen. Ich dagegen bin am Boden zerschmettert. Sitze starr,
Tränen laufen. Kann es nicht fassen. Hadere. Bin wütend. Traurig. Erschöpft.
Das war eine unserer besten Saisonleistungen. Wir waren
taktisch fast schon perfekt auf die Leverkusener Spielweise eingestellt. Konzentriert,
wach, diszipliniert. Eine vorbildlich
gestaffelte Defensivordnung. Eine Spielidee nach vorn, die zunehmend greift. Bemerkenswert
wie viel Nico und Robert Kovac innerhalb kurzer Zeit bewirkt haben. Nach wie
vor kommt es mir so vor, als ob ich wie durch ein Vergrößerungsglas sehe, woran
gearbeitet wird. Die Zuordnung stimmt. Die Pässe werden präziser. Wir reagieren
flexibel auf Spielsituationen. Je nach Angriffssituation des Gegners rücken wir
kompakt auf oder überbrücken das Mittelfeld schnell – z. B. durch Seitenwechsel.
Wir müssten da nicht stehen, wo wir
stehen. Hätte, hätte Fahradkette. Nützt ja nix.
Zweifelsfrei kostet all das große Anstrengung. Der Aufwand,
der mit dieser neuen taktischen Disziplin verknüpft ist, ist jedem einzelnen
Spieler anzusehen. Was bei Leverkusen (auch in nicht optimaler
Verfassung) leicht und selbstverständlich aussieht, wirkt bei uns konzentriert
und eingeübt. Aber, hey, es funktioniert. Ich dachte, das können wir in der
zweiten Hälfte nicht durchhalten. Konnten wir aber. Dann kam Sonny – und mit
ihm der Moment, in dem das Spiel, vielleicht
sogar die ganze Saison in unsere Richtung hätte kippen können. Der „Am Ende
wird alles gut“-Moment. Tooor. Fast.
Als Kampl kam, hatte ich ein mulmiges Gefühl. „Der sieht wildentschlossen
aus. Der macht es,“ vermerkte mein Mit-Adler. Und da fiel auch schon das 1:0.
Am Ende: Tränen. Nichts mehr sehen und hören wollen. Handy
aus. Den Strom stoppen. In mir ein einziges ungerechtes und wehes: Hört auf.
Hört auf. Hört auf euch gegenseitig nieder
zu machen oder zu bestätigen, dass ihr
es sowieso schon immer gewusst habt. Selfies zu machen. Zu erklären. Schuld
zuzuweisen. Es besser zu wissen. Alles hundert Mal geschwätzt, gedacht,
geschrieben. Jajajaja. Ihr habt recht. Alle. Ist ja gut. Hört auf. Kommunikativer
Overkill.
Zusammenkrümmen. Decke über den Kopf ziehen. Ein paar Stunden später ist mein Kopf wieder
klarer. Regen. Keith. Bier. Das Handy rattert
wieder und über ein (S)Aufjetzt-Selfie kann ich sogar lachen.
Gerne würde ich wissen, wo wir stehen würden, wenn Nico
Kovac bereits im Winter geholt worden wäre. Gerne sehen, wo wir landen, wenn er uns über einen längeren Zeitraum trainiert.
Oder muss es heißen: Gern würde ich gesehen haben, wo wir landen könnten? Vielleicht
ist es wie in der Ballade von den Seeräubern. „Doch eines Abends im Aprile“ hat
der Fußballgott einfach genug von uns. Ihr habt es euch selbst zuzuschreiben,
denkt er sich. Wer seinen Verein
sehenden Auges so in die Scheiße laufen lässt, der hat es nicht verdient, dass er
am Ende doch noch seinen Hintern rettet. Vielleicht will er uns aber auch nur
fürchterlich erschrecken und lässt dann doch noch Gnade walten? Hey, Eintracht.
Bist ja eigentlich irgendwo ganz da in
dir drinnen ein cooler Haufen. Reiß dich
endlich mal am Riemchen. Hoffe, du hast deine Lektion gelernt.Und - wutsch - ist der nächste Volley von Sonny Kittel drin. Danke. Bitte.
Neun Punkte aus vier noch ausstehenden Spielen. Alles schon
mal da gewesen. Ob der fußballgöttliche Daumen eher nach oben oder nach unten
zeigt, können wir wahrscheinlich schon am nächsten Samstag sehen. Sollte Werder
auch in Hamburg gewinnen, dann ist unser Spiel gegen die 05er am Sonntag fast
schon Makulatur. Wenn es richtig dumm läuft, können wir in den nächsten vier
Spielen drei unserer Gegner live beim Feiern zuschauen: Die 05er feiern den Einzug in den Europacup,
Darmstadt den Klassenerhalt und Werder die Relegation.
Kreuz durchdrücken, anständig und aufrecht durch die kommenden vier Wochen gehen. Kämpfen solange noch etwas möglich ist. Es nehmen wie es kommt. Wenn
alles vorbei ist, wird es wieder leichter sein, nach vorne zu schauen und der
Situation etwas abzugewinnen. So oder so.
Dem ist NICHTS hinzuzufügen.
AntwortenLöschenPasst.
Klasse.
Danke.
Vielleicht fügt die Mannschaft noch etwas hinzu - Tore und Siege!
LöschenPS: HSV, HSV, HSV...
Danke, HSV. Baaaaah..Jetzt sind wir wieder im Spiel und müssen die Vorlage auch verwandeln.
LöschenIch gönne es den Mainzern und den Darmstädtern. Sie werden ernten, was sie gesät haben. Wie alle anderen auch.
AntwortenLöschenUnd Dir wünsche ich von ganzem Herzen, dass die Eintracht Dich bald wieder froh statt traurig macht!
Manchmal geht auch irgendwo wild ein Pflänzchen auf, kämpft sich durch, lässt sich einfach nicht unterkriegen und blüht.
LöschenDas wünsche ich dir auch, lieber Kid. Irgendwie wandeln wir als Eintrachtler immer auf diesem schmalen Grat, der jederzeit in die eine oder andere Richtung kippen kann.
Dummerweise haben wir wie es scheint keinen Sturm gesät.
LöschenVielleicht geht die Saat ja erst heute auf!
LöschenSo sieht es aus.
AntwortenLöschenUnd es fühlt sich gut an.
Strohhalm, reloaded.
Gut festhalten!
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