WM-Schnipsel (6): Von Weltmeistern - solchen, die es sind, anderen die es werden wollen und wieder anderen, die es nicht mehr werden können
Es ist nicht ganz gefahrfrei, durchs Internet zu zappen. Immer mehr Pop-ups
machen einem das Leben schwer und erinnern daran, dass jeder Klick Folgen hat und dich wieder
einholt. Parfüm, Katzenkrankheiten, Lieder, Kleider, Bücher, Hotels, Filme – was immer du liest, likest, anklickst,
ergoogelst – es holt dich wieder ein und bleibt fortan dein ständiger
Begleiter. Und dann sind da auch noch die Pop-ups und Ads, die von den Websites
selbst geschaltet werden. In der Regel hat man
den inneren Ausblendmodus aktiviert und bemerkt fast schon nicht mehr,
was da alles hochploppt und eingeklinkt wird. Aber gestern morgen, als ich - zur Feier des Tages bekleidet mit meinem „Frankfurts
Stolz, der Grabi und der Holz“-Shirt - den FR-Bericht zum Geburtstag von
Jürgen Grabowski angeklickt habe, habe ich dann doch erst einmal geschluckt.
Direkt über dem Bericht prangte – quer über den Satzspiegel und direkt über dem
Bild von Grabi – ein ca. 5 Zentimeter hohes Banner, auf dem ein Mann in
Unterhose zu sehen war, genauer gesagt: Nur der Slip, in dem der Mann steckte,
war zu sehen - in Großaufnahme, oben mit
einem kleinen Ansatz von Bauch, unten mit einem kleinen Ansatz der Beine. Dazu
die Headline: „Verstärkung im Mittelfeld“ - und beim nächsten Bildwechsel die Aufklärung, um welche Art von Produkt es sich handelt: Slipeinlagen für Männer. Na dann, herzlichen
Glückwunsch. Auf die Lektüre des Artikels hatte ich dann keine richtige Lust
mehr.
Während im fernen Brasilien das Halbfinale und auf den
verregneten Fanmeilen der Republik die
Euphorievorbereitungen laufen, läuft auch die Eintracht – zumindest der
vorhandene Teil der selbigen – und zwar am Strand von Norderney. Alex Meier
lässt sich weiterhin die Haare wachsen und konstatiert neue Trainingsmethoden.
Marco Russ macht es nichts aus, frühmorgens zu laufen, weil er dann noch halb
schläft (etwas ähnliches habe ich neulich schon mal von einer lieben
Adlerfreundin gehört, die sich derzeit auf die Teilnahme an einem Charity-Lauf
vorbereitet ,-). Und Khouma Babacar vom
FC Florenz steht, wie es heißt, bereits ante Portas,
obwohl das ja jetzt bei uns eigentlich ante Alfa Romeo heißen müsste. Ich mag
die Bilder der Mannschaft am Meer und irgendwie gibt mir die Art wie Thomas
Schaaf agiert ein gutes Gefühl für die neue Saison. Abwarten.
Heute und morgen also die Halbfinals der WM, bei der jetzt,
wo es aufs Ende zugeht, alles so ist, wie es immer war: Man hat sich in der
Vorrunde und in den ersten Spielen der KO-Runde in die eine oder andere der
„kleinen“ Mannschaften verliebt, auf eine Überraschung gehofft und am Ende
stehen sich dann doch wieder die Mannschaften gegenüber, die in dieser oder
ähnlicher Konstellation immer im Halbfinale stehen. Die Kolumbianer mit dem wunderbaren
James, die mutigen und wehrhaften Costa Ricaner mit ihrem unglaublichen Trainer Jorge Louis
Pinto gehören fast schon der
Vergangenheit an und an das Halbfinale Deutschland gegen Brasilien denke ich, wie wahrscheinlich viele, mit
gemischten Gefühlen. Der Ausfall von Neymar wird dem Spiel seinen Stempel
aufdrücken Bei auch nur irgendwie strittigen Entscheidungen für die Brasilianer
wird sofort der Gedanke einer
Konzessionsentscheidung oder Ungerechtigkeit die Rede sein. Sollte Jogis Truppe
sich durchsetzen, wird immer ein „Was, wäre gewesen, wenn…“ über dem Ergebnis
hängen bleiben. Schon klar: Verletzungen kommen vor. Wer nicht da ist, kann
nicht mitspielen und am Ende zählt nur der Titel und nicht unbedingt wie er zustande
kam. Trotzdem. Mir gefällt das nicht. Ob Juan Zúñiga schon realisiert hat, dass sein
Name in den Fußball-Annalen vor allem deshalb in Erinnerung bleiben wird, weil er
derjenige war, der Neymar so schwer verletzt hat? Was für ein Glück, dass
Neymar noch einigermaßen glimpflich davon gekommen ist. Für beide.
Im Halbfinale der Argentinier gegen Holland bin ich mir
ziemlich sicher, dass sich die Holländer durchsetzen werden. Warum? Na,
weil - wie einst im Laptop von Jürgen
Klinsmann – bei den Holländern alles in den ca. tausend Notizbüchern steht, die der ungefähr
75-Mann starke Trainerstab des Teams während der WM vollgeschrieben hat. Der
unglaublich clevere Louis van Gaal hat das alles ausgewertet (bzw.: auswerten lassen) und ist zu folgendem
Schluss gekommen: Am besten ist es, wenn der wild entschlossene Arjen van
Robben ungefähr in der 27. Spielminute entweder einen Elfmeter herausholt oder selbst das
1:0 macht. Nach dem zwischenzeitlichen, umjubelten Ausgleich durch Messi wird dann in der 89 Minute Klaas
Jan Huntelaar eingewechselt, der in der vierten Minute der Nachspielzeit per
Kopf den 2:1 Endstand herstellt. Sagt doch mal ehrlich: Auf so was muss man erst mal kommen.
Ich überlege gerade, ob ich einen der Trainer der vier Halbfinalisten sympathisch finde? Hm, wer trainiert Argentinien? Die anderen drei: Nö. Ob clever oder Cleverle, macht da keinen Unterschied. ;.)
AntwortenLöschenJose Zúñiga wird das Schicksal aller teilen, deren Foulspiele spektakulär genug waren, um große mediale Aufmerksamkeit zu bekommen: Ihr Name bleibt in Erinnerung, den meisten aber eben ausschließlich im Zusammenhang mit ihrem üblen Tritt. Andoni Goikoetxea, der Maradona und Schuster schwer verletzte, ist auf ewig „der Schlächter von Bilbao“ und Norbert Siegmann der „Schlitzer“, weil er Lienen mit den Stollen seines gestreckten Beines den Oberschenkel öffnete. Dabei war das Ganze für sie wie für Zúñiga keine böse Absicht, sondern ein „Allerweltsfoul“ (Siegmann) oder sogar nur ein „Zweikampf wie tausend andere“ (Gelsdorf, der Bum-Kun Cha den Querfortsatz des zweiten Lendenwirbels brach und eine schwere Nierenprellung zufügte.). Ganz falsch liegen sie damit leider nicht: Erst die Art der Verletzung machte ihre Tritte zu etwas Außergewöhnlichem.
Da habe ich mit meinen Tipps zwei Mal derbe daneben gelegen. Sabella heißt der Trainer der Argentinier, wie ich seit gestern weiß - irgendwie war er mir bisher auch noch nicht aufgefallen.
AntwortenLöschen"Goikochea" - stimmt, das war so ein Treter, Siegmann, ja. Die Gelsdorf - Bum Kun Cha-Geschichte kannte ich bisher noch nicht - Allerweltsfoul oder schwere Verletzung ist also manchmal einfach "Glückssache" - oder eine Frage des Blickwinkels.
Nach dem furiosen Spiel vom Dienstag ist das Aufeinanderprallen von Zuniga und Neymar im öffentlichen Bewusstsein fast nur noch eine Randnotiz. Keiner wird ernsthaft behaupten, dass das Fehlen von Neymar einen 6-Tore-Unterschied eliminiert hätte. Und doch war es wahrscheinlich der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht und den psychisch offensichtlich vollkommen überforderten und mit Pathos und Verantwortung überfrachteten Brasilianern den Rest gegeben hat.
Danke dir sehr für die Einordnung - und für dein phänomenales Gedächtnis :)
lgk
Das Foul von Lothar Matthäus an Jürgen Grabowski bleibt für mich in sehr unguter Erinnerung und die Karriere von "Loddar" ist für mich dadurch überschattet.
AntwortenLöschenDas geht wohl jedem Eintrachtler so. Matthäus mag Verdienste haben, von denen ich nichts wissen will - für mich bleibt er immer ausschließlich der Mann, der die Karriere von Jürgen Grabowski beendet und Grabi hinterher sogar noch unlautere Absichten unterstellt hat. Bäh.
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