Seit einigen Jahren sitzt im Waldstadion direkt vor mir ein
fränkischer Herr, der Eintracht-, aber eigentlich doch noch mehr Bayern-Fan
ist. Ich hätte nicht gedacht, dass so etwas möglich ist, aber doch: Es ist. Nun
könnte von mir aus jeder nach seiner Facon glücklich werden – „Besser der wie
isch!“ würde ein pfälzischer Bekannter sagen -, wenn, ja wenn, der fränkische Herr, einfach im
Stillen seiner Zuneigung zum 1.FC Bayern München frönen würde. Aber nein, bei
jeder sich bietenden und nicht bietenden Gelegenheit trompetet er es in die
Welt und sobald via Videowürfel ein Tor der Bayern verkündet wird, bricht er –
unabhängig vom Geschehen oder vom Spielstand im Waldstadion – in lautstarken
Jubel aus. Das hat bereits zu allerlei Disputen geführt und es ist lediglich
einer schier übermenschlichen Disziplin meinerseits zu verdanken, dass
Handgreiflichkeiten (Würgegriffe, Rütteln, leichte – mit dem FGV-Heftchen –
ausgeführte Schläge auf den Hinterkopf, Verrutschen der Eintracht-Kapp o.ä.) bisher
nur gestisch simuliert worden sind und Interventionen unsererseits
ausschließlich auf größtmöglich-freundlicher sprachlicher Ebene stattgefunden
haben, z.B. „Jetzt isses abber gut…“ „Hast duse noch all?“ Oder ganz einfach: „…!“
Spiele gegen die Bayern mag ich nicht, hab ich noch nie
gemocht. Immer dieser blöde Hype, dieses
Gerede vom „Spiel des Jahres.“ Deswegen hat mir ein Satz von Armin Veh in der
Pressekonferenz besonders gut gefallen: „Wieso Spiel des Jahres? Wir müssen uns
doch nicht kleiner machen als wir sind!“
Müssen wir nicht. Zumal in diesem Jahr dieses Spiel erstmals seit vielen
Jahren wieder unter anderen Vorzeichen stattgefunden hat: Es war ein
Spitzenspiel und – obwohl wir das Spiel am Ende verloren haben – kann man das
nach diesem Spiel mit größerer Berechtigung und mit größerer Selbstgewissheit
behaupten als davor.
In alle Richtungen war vor dem Spiel gedacht worden – von
der Klatsche bis zum triumphalen Sieg, alles schien möglich. Manch einer
erwartete ein Spektakel, Tore im Überfluss. Nichts von alledem ist eingetreten
– stattdessen einfach ein sehr ordentliches Fußballspiel. Ein Spiel, wie dafür
gemacht, die höchst unterschiedliche Spielphilosophie beider Mannschaften zu verdeutlichen:
Auf der einen Seite der FC Bayern, bei dem jeder gelungene
Spielzug etwas Aseptisches, Unterkühltes hat, wie wenn ein auf dem Reißbrett entworfene Idee
in höchster Präzision und von bis in die äußerste Haarspitze austrainierten
Spielern umgesetzt wird. (Selten ist es mir so deutlich wie gestern geworden,
wie sehr der moderne Fußball von Technik und Schnelligkeit der einzelnen
Spieler lebt). Die Angriffe der Bayern sind eine Abfolge einzelner Vorgänge.
Jeder Spieler hat die Prozesse verinnerlicht, jeder beherrscht die für den
Erfolg notwendigen Schritte.
Auf der anderen Seite die Eintracht, die – vergleichbar eher
den Dortmundern – eine ziemlich präzise Vorstellung davon hat, welche Art von
Fußball sie spielen will, im Training daran arbeitet, Spielzüge und Laufwege zu
automatisieren – und auf dieser Grundlage vor allem eines tut: Fußball spielen im Hier und Jetzt. Kein – noch so perfektes – Schema F, kein
Fußball für die Galerie, sondern lebendiger, von allerlei Unwägbarkeiten mitbestimmter Offensivfußball (wie wir ihn in dieser Saison
so oft gesehen haben), getragen von einer überaus konzentrierten, aufmerksamen
Defensivleistung (die wir etwas seltener zu sehen bekommen). Weiter, immer weiter. Es passieren Fehler, es
bleibt mal einer hängen, verpatzte Laufwege müssen durch Kampf und Einsatz
ausgeglichen werden. Fehler passieren, macht nichts. Es war erkennbar, dass
hier nicht etwa eine Mannschaft auf dem Platz steht, die sich heute – an diesem
„besonderen“ Tag – besonders reinhängt, das „Unmögliche“ schaffen will, sondern
einfach ein Team, das guten und erfolgreichen Fußball spielt und das sich
seiner eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten immer mehr bewusst wird. Spielfreudig. Mutig.
Nicht, weil es heute gegen die „großen Bayern“ geht, sondern weil wir so sind,
weil das die Art ist, wie wir Fußball spielen.
Ich glaube, das war der Effekt, den Armin Veh sich als Wegweiser für die Zukunft von diesem Spiel für
seine Mannschaft vor allem erhofft hat und warum er sie so ins Spiel geschickt
hat: Zeigt, wer ihr seid – und das haben sie getan.
In meiner Abneigung gegen den FC Bayern werde ich (wenn ich
mir ein Spiel im Fernsehen ansehe) mit jeder Szene bestätigt, in der ich einen
Bayern-Spieler oder einen Bayern-Verantwortlichen in Großaufnahme sehe. Einen
besonderen Schub erhält sie jedoch regelmäßig nach dem Abpfiff, bei den
Interviews. Der Schub wird noch einmal verstärkt beim Anblick von Josef Heynckes,
vor allem dann, wenn er auf seine Berti-Vogts-Art „die Frankfurter Eintracht“ sagt und dabei auch heute
noch unverändert Osram-farben leuchtet. Egal, ob wir schlecht gespielt, gut mit
gespielt, gewonnen oder verloren haben – da ist immer dieser gleiche
gönnerhafte Gestus, diese übersteigerte Hybris. Seit gestern können sie mir
übrigens nichts mehr vormachen: Ich habe gesehen, wie Matthias Sammer nach dem (dämlicherweise noch vor der Halbzeitpause gefallenen) 1:0 Jupp Heynckes jubelnd um den Hals gefallen ist.
Das sah aus, als hätten die Bayern gerade das Triple – Deutscher Meister,
DFB-Pokal und Championsleague – geholt. Es war halt doch ein ganz besonderes Spiel –
für die Bayern.
Es klingt paradox, aber vielleicht war der größte Benefit,
den das Spiel gestern gebracht hat auch
das größte Manko: Wir haben uns so sehr darauf konzentriert, unseren Fußball zu
spielen, nicht einzuknicken, ganz selbstverständlich unser normales Spiel
aufzuziehen, dass der letzte Punch gefehlt hat. Wir waren so sehr nicht
beeindruckt, dass wir darüber den möglichen Sieg aus dem Auge verloren haben.
Kein Spiel des Jahres, sondern ein ganz normales, gutes
Fußballspiel, das so oder so hätte ausgehen können. Die Eintracht hat verloren.
Scheiße.
mh... ich mag sie auch nicht, die Bayern, ob sie so schematisch spielen, ich hab das Spiel nicht verfolgen können, da ich arbeiten musste - aber sie haben leider auch Typen, die ich achte ... Fronk par exemple - ein geiler Straßenköter und der Müller, der sich immer reinhängt. Aber das Gesicht der Bayern ist halt der "machoselbstgerechte" Hoeneß-Dieter und genauso kotzig der laufende Meter , der unbedingt, ob seiner Kleinigkeit sich zerfressende ehrgeizige Lahm - ich könnt jedesmal kotzen, wenn er in´s Mikro spricht... warum nur müssen eigentlich kleine Männer sich immer nach vorn drängeln?
AntwortenLöschenNein, nein - so hab ich das nicht gemeint. Die Bayern spielen nicht schematisch im Sinne von "immer dasselbe" oder 0815. Sie spielen (so mein Eindruck, der aber von der beschriebenen Antipathie getrübt sein mag) einen absolut kalkulierten, "kalten" Fußball. Kein normaler Schlagabtausch, der hin und her wogt. Nach Ballerorberung formieren sich die Bayern sozusagen jedesmal zu einer neuen Angriffsformation, ein Vorgang - jeder Angriff, ein einzelner Vorgang. Und - ja, ok - da ist Fronk - und wenn der gut drauf ist (und im Moment ist er gut drauf), dann ist das einfach ein Wahnsinnsfußballer (der dann eben auch aus dem "Schema" ausbricht und einfach macht, leider)
AntwortenLöschenUli Hoeneß ist schwer zu ertragen, trotzdem glaub ich dem zumindest, dass er so ist wie er ist. Und ja, der Lahm - eine wirklich merkwürdige Erscheinung. War der eigentlich schon immer so?
Danke fürs Kommentieren :)