Kennt ihr das? Als die Abstimmungsphase zur Wahl zum Spieler
der Stunde des 4. Spieltags allmählich zu Ende ging, wurde ich immer
kribbeliger, weil ich mich darauf freute, den Spieler der Stunde zu küren. Die
Worte würden nur so aus mir heraussprudeln. Lobpreisen, huldigen wollte ich
sie. Ein Lob- und Glücksfüllhorn wollte ich ausschütten, dabei aber auch die
ein oder andere ungemein witzige und pointierte Anmerkung einstreuen. Ein
buntes, glückssprudelndes Bild wollte ich zeichnen. Und dann: Nichts. Die
Worte, sie wollen nicht kommen. Die Bilder: Unzulängliche Krakel. So viel Lob in den letzten Tagen. Schlagzeilen.
Interviews. Jubelarien. Erklärungen. Überall, überall, wohin man schaut: Adler.
Facebook quillt über vor Fotos, Zitaten, und Glück. Der Doppelpass erklärt die Eintracht zum
Vorzeigeverein. Bruno Hübner erhält die goldene „Best Buyer-Sportdirektor“-Medaille am Bande. Sebastian
Rode, der (Zitat Armin Veh) in Nürnberg „ganz gut“ gespielt hat, ist im Kicker
zum „Spieler des Spieltages“ gekürt worden. Rode, aber auch Jimmy Hoffer und
Takashi Inui sind in allen erdenklichen Mannschaften des Tages. Die Süddeutsche
Zeitung beschreibt das Spiel der Eintracht
als „zeitlos schön“ und „ohne akademisches Getue.“ (Da ist sie also wieder, die
„emininent hohe Spielkultur der Frankfurter Eintracht"),
Und ich: Stumm.
Heute sind alle Blicke bereits nach vorne gerichtet, heute
Abend, gleich, also jetzt soll das Glück in eine neue Kurve einbiegen. Ich
halte noch einmal ganz kurz an, blicke
zurück auf das noch gar nicht so lang Vergangene, und suche nach Worten.
Zunächst Dank an die 134 Leser und Sympathisanten dieses
Blogs, die sich auch dieses Mal wieder an der Abstimmung zum Spieler der Stunde
beteiligt haben – obwohl das ja - strange enough - von Woche zu Woche nicht einfacher, sondern schwieriger wird.
Der vierte Sieg der Eintracht, die vierte Wahl zum SdS und
zum vierten Mal die Frage: Wen soll man wählen? Wen will man aus dieser Truppe hervorheben? Eine Mannschaft, die
kämpft, und die wunderbaren Fußball spielt. Die
sich auch nicht unterkriegen lässt, wenn kurz nach Anpfiff zwei wichtige Spieler
ausfallen. Die Gegentore wegsteckt und einfach weiterspielt. Die unter Druck nicht erstarrt, sondern ruhig und trotzdem aggressiv weiter spielt. Die weiß, was sie kann und Spaß daran
hat, Erfolg zu haben. Die bis zur letzten Minute hellwach ist, auch wenn sie
auf dem Zahnfleisch geht. Fast symbolisch die Szenen nach Abpfiff. Pirmin
Schwegler mit Kopfverband, Olivier Occéan humpelnd mit der Mannschaft in die
Kurve. Uns haut nichts um. Wir stehen
noch. Und wir stehen oben. Egal, wen man wählt, es trifft immer den richtigen. „Ich
wähle eigentlich nie die Mannschaft“, hat z.B. mein Mit-Adler gesagt, „aber
wenn es einen richtigen Zeitpunkt gibt, die Mannschaft zu wählen, dann jetzt und dann bei diesem Spiel.“ 21 Leser dieses Blogs dachten genauso - 20 % aller Stimmen und damit Platz 3 für diese wunderbare Mannschaft, die Adlerherzen zum Fliegen bringt.
Wir! Alle! Trotzdem gab es an diesem Spieltag natürlich jede Menge gute
Gründe einen einzelnen Spieler zu wählen und seine Rolle und Leistung für die Mannschaft zu würdigen. „Herrje welche Leistung“ hat z.B. Sebastian "Herrje, wie gut ist der denn?" Rode gewählt und in
einem Kommentar hier im Blog erklärt, warum seine Wahl auf ihn gefallen ist: “Habe zwar keine Szene in bewegten Bildern gesehen, hätte ihn aber auch schon in
Spiel 1, 2 oder 3 wählen können, was ich nicht tat, jetzt aber tue.“ 23 weitere Leser taten es auch, vielleicht ja
auch deshalb weil sie außerdem gesehen haben, wie Rode – unermüdlich, kampfstark, konzentriert, passgenau – in der 58. Minute genau richtig stand und auf der Linie den Ausgleich der Nürnberger verhinderte. 24 und damit 17% der Stimmen - und damit Platz 2 für ihn.
Man hätte auch Kevin Trapp wählen können, so wie 14 Leser
dies getan haben. Auch in dieser Partie, in der man schon mal nervös werden
konnte, tat er vor allem eins: Sicherheit ausstrahlen– und zwar auf eine ganz
andere Art als einst Oka, der Stoiker. Trapp ist ruhig, null hibbelig – und wirkt
dabei doch immer hellwach und präsent. Ein
sympathischer, auf selbstbewusste Art
bescheidener junger Mann, der auch außerhalb des Platzes bei seinem Auftritt am
Samstagabend im Sportstudio einen guten Eindruck machte. Kann leider trotzdem
nicht ganz verhehlen, dass es mich ein bisschen ärgert, dass Armin Veh ihn in der vergangenen Woche als „Gesicht derEintracht“ bezeichnet hat und als jemanden, „der den Verein sympathischer
macht.“ Nun ja. „Gesicht der Eintracht“? Dafür sollte
er dann schon noch ein paar Tage länger im Tor der Eintracht stehen und derzeit gibt es schon noch ein paar andere,
denen dieser „Titel“ eher zusteht. Und von wegen „sympathischer“ – ich nehme
an, da hat der Herr Veh wohl einfach das „noch“ vergessen.
Auch der gegenüber der letzten Saison fast nicht mehr wieder zu erkennende, bärenstarke Sebi Jung, der in diesen Tagen locker wie nie wirkt, wäre eine gute Wahl gewesen (zwei Stimmen hat er
bekommen). Oder Alex Meier, der (fällt euch das auch auf?) immer noch und noch
besser wird. Es ist, als ob er das was er kann, immer souveräner nutzt, immer
mutiger und freier damit umgeht. Er spielt gerne gut Fußball – und je mehr gute
Fußballer er um sich herum hat, desto mehr probiert er aus, desto mehr traut er
sich, lässt sich inspirieren – und inspiriert seine Mitspieler. Vor meinem
inneren Auge erscheint eine Szene vom Anfang der zweiten Halbzeit. Alex Meier
steht halblinks, ein hoher Ball kommt auf ihn zu, er pflückt ihn mit dem
rechten Fuß herunter, hat ihn am Boden sofort unter Kontrolle, ganz eng am Fuß
und passt ihn mit dem Außenrist – hart,
präzis – zum Nebenmann. Ohne Haken – eine fließende Bewegung aus einem Guss. Zungeschnalz. Was für ein Fußballer.
Mit ebenso gutem Gewissen und aus voller Adlerbrust hätte man auch Jimmy Hoffer seine Stimme
geben können – immerhin drei Leser haben dies auch getan – und damit wird nur
unzulänglich wiedergegeben wie hoch seine
Leistung vom Freitag einzuschätzen ist. Wie lange stand es auf der Kippe, ob er - der vom SSC Neapel nur Ausgeliehene - wieder zur Eintracht zurückkehren dürfte. Wie sehr wollte er es - und wie bescheiden und still nimmt er seine Rolle als Ersatzspieler an, arbeitet, ist immer bereit. Und jetzt - von Null auf 100 schon nach wenigen Minuten in die Mannschaft gekommen,
nahtlos eingefügt, gearbeitet, ein blitzsauberes Tor gemacht. "Ein Tor zu erzielen, ist für jeden Stürmer eine Erleichterung. Auch für mich." Ach, Jimmy!
Und dann ist da noch der zweite „Matchwinner aus der zweiten Reihe“: Martin Lanig, dem die nicht ganz einfache Aufgabe zugefallen
ist, Pirmin Schwegler zu ersetzen – und
dem diese Aufgabe mit Bravour gelang. 15 und damit 11 Prozent aller Stimmen gingen an ihn. Mit ganz anderer Spielanlage als Schwegler und genau den Qualitäten,
die in diesem Spiel, insbesondere in der
letzten viertel Stunde, benötigt wurden. Lanig spielte seine 6 am Freitag Abend
ein Stück weiter hinten, agierte fast als eine Art Vorstopper - und hat damit
(und mit seiner Kopfballstärke) bereits vor dem Strafraum manches Bällchen vom
Strafraum und der Innenverteidigung fern gehalten.
Gute Gründe hätte es auch gegeben, um Einzelstimmen für Stefan Aigner (überall!), Bastian Oczipka
(Dampfmacher), Bamba Anderson (unglaublich passsicher), Pirmin Schwegler (Kapitän,
Vorbild, Antreiber) abzugeben, vielleicht sogar für den früh verletzt
ausgeschiedenen Olivier Occéan und den spät eingewechselten Karim Matmour. Oder
für Carlos Zambrano. Stopp. Carlos Zambrano hat ja eine Stimme erhalten -
vermutlich vorrangig dafür, dass er es
trotz frühem Gelb und eigentlichem Gelb-Rot geschafft hat, nicht vom
Platz zu fliegen, um sich am Ende dann noch einmal den Zorn von Dieter
Hecking zuzuziehen. (Nein, ich denke
nicht, dass das spielentscheidend war – die eine Minute hätten wir schon
überstanden. Viel länger allerdings wohl nicht…)
Und jetzt also –
tatata – zum Spieler der Stunde, der 51 Stimmen erhalten und sich mit 38% Prozent am Ende doch klar und deutlich durchgesetzt hat: Takashi Inui, "unser Japaner". Selbstverständlich hat er sich diesen Titel verdient und selbstverständlich wird dieses erste (man muss kein Prophet
sein) nicht das letzte Mal sein. Ein zartes Pflänzchen. "Ein toller Mensch" (Friedhelm Funkel), ein „netter Kerle“ (Armin Veh) und wenn es stimmt,
dass er in Bochum vor dem Tor öfter mal
den Ball verloren und dadurch gefährliche Situationen heraufbeschworen hat, dann muss es wohl auch stimmen, was Armin Veh ausßerdem über
ihn sagt: Er lernt schnell.
Vor dem Spiel gegen Nürnberg wurden in Sky "die Japaner" der beiden Clubs kurz im Portrait vorgestellt und dabei auch die Gegensätze deutlich: Hiroshi Kiyotake, ein
eher extrovertierter, lebhafter Junge, unser Taka still und freundlich. Auf dem
Platz haben beide gezeigt, warum jeder
auf seine Art vielleicht das Zeug dafür hat der „neue Kagawa“ (oder vielleicht auch einfach: DER Inui!) zu
werden. Kiyotake überzeugt derzeit vor allem mit seinen Standards - Inui ist auf dem Weg ein Gesamtkunstwerk zu
werden. Er bewegt sich leicht, filigran, fast körperlos. Er ackert und wuselt und hat dabei immer den Kopf oben. Er sieht die Lücken,
er steht (fast) immer richtig, was seine Mitspieler auch (fast) immer merken – er ist ein kongenialer Partner für den großen Alex . Er ist ein
feiner Techniker und kann am Ball fast alles. Und er kann – was zum Beispiel Sebastian Rode noch üben
muss: Genau schießen. Sein Tor zum 2:0 – wie er den Ball annimmt, statt steil
parallel zum Tor geht, ein, zwei Nürnberger stehen lässt, einen Haken um den
dritten und vierten schlägt - und abzieht. Was für ein Tor.
Brasilianer. Schweizer. Österreicher. Hessen. Kroaten.
Norweger. Münchener. Peruaner. Kanadier. Hamburger. Algerier. Pfälzer. Berliner. Und Japaner.
Alles Frankfurter Jungs.
Herzlichen Glückwunsch, Takashi Inui!
Stumm? Würd ich nach der Lektüre jetzt mal nicht so stehen lassen ... Kannste doch gar net :=))) Wem das Herz voll ist, dem fließen die Worte halt in die Feder.
AntwortenLöschenSchöne Nachlese so kurz vorm "Alsweida".
Danke und Gruß,
BB
"An Tagen wie diesen, wünscht man sich Unendlichkeit / An Tagen wie diesen, haben wir noch ewig Zeit / In dieser Nacht der Nächte, die uns so viel verspricht / Erleben wir das Beste, kein Ende ist in Sicht" (Toten Hosen)
AntwortenLöschenGenug gesagt. Nein. Doch. Nicht. Danke Kerstin!
Viele GRüße & weiterhin sichere Straßen, Fritsch.
Alles gesagt und trotzdem sucht man immer noch - oder schon wieder - nach Worten. Danke, dass ihr welche a gelassen habt.
AntwortenLöschenlgk
Tja, Kerstin, Recht hast du. Das ehemalige Gesicht der Eintracht wurde vor etwas mehr als einem Jahr zum Training der U23 geschickt, weil weder Gesicht noch Stimme länger erwünscht waren und auch die Leistung längst nicht mehr reichte. Und Trapp macht die Eintracht stärker, fürs andere bekommt er noch genug Zeit.
AntwortenLöschenUnd auch sonst könnte ich dich nur wiederholen. Das lasse ich jetzt aber und lobe dich einfach für das Geschriebene. :-)
Herzliche Grüße vom Kid