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Rotundschwarze EM-Schnipsel (Teil 2)

Große Fußball-Events sind immer auch Wiederbegnungen mit Spielern oder Trainern, die man ein bisschen aus den Augen verloren hat. Cenk Tosun zum Beispiel, der Ur-Eintrachtler, der in der Ära Skibbe über die Adler-Klinge gesprungen ist. (Erinnere mich an einen Trainingsbesuch, bei dem wir zufällig neben seinen Eltern standen und er kurz an die Bande kam, jedem höflich die Hand schüttelte. Lang her.) Ganz anders, aber ebenfalls ein "huch" ist Ralf Rangnick. Stimmt ja, der trainiert jetzt die Österreicher. (Und der dadurch ausgelöste Leistungs- und Imagezuwachs der Österreicher spiegelt sich entsprechend deutlich im TV-Kommentar wieder).  Die Equipe Tricolore steckt voller Big Names. Griezmann. Der spielt noch? Dembelé. Kolo Muani - wer war das noch gleich? Und selbst der Trainer - Didier Deschamps ist hier ein Star. Die Dänen. Erkiksen? Da war doch was... Stimmt, das war der mit dem Herzstillstand auf dem Platz. Er ist wieder da und macht im Spiel gegen Slowenen das einzige dänische Tor. Reicht nicht, trotzdem ein freudiger Moment. Schon ein bisschen traurig dagegen ist das frühe Aus für Filip Kostic beim Spiel der Serben gegen England. Die Österreicher sind mit einer ganzen Reihe von Bundesligaspielern bestückt und mir wird erst dabei so richtig klar, wie viele Österreicher hier spielen. Sabitzer, huch, Grillitsch, Leimer, Gregoritsch, Baumgärtner. Und Arnautovic hat doch auch mal...ja, klar bei Werder. Prominentester BuLi-Ex bei den Belgiern ist und bleibt Kevin de Bruyne, ein Vertreter der immer noch goldenen Generation und mit den Belgiern immer wieder Geheimfavorit. Nun ja. Zuguterletzt taucht dann - für mich aus dem Off -  auch noch einer der wenigen ehemaligen Bayernspieler, der fast sympathisch war:  Willy Sagnol als Trainer des EM-Debütanten Georgien auf.

Obwohl es mir ein bisschen peinlich ist: ich liebe es, wenn vor den EM-Spielen die Nationalhymnen gespielt werden. Manche summe oder singe ich sogar mit (Aux armes citoyens... God save our gracious king...Fratelli d'italia...), andere klingen in meinen Ohren fremd und neu. In jedem Fall habe ich das Gefühl, dass sie mir etwas über das jeweilige Land verraten. Kämpferisch. Melancholisch. Aufmüpfig. Wild. Dazu die Close-up Kamerafahrt entlang der Gesichter. Doch, das rührt mich. (So inbrünstig geht bei mir nur unser Europa-Lied.)

Generell schwer tue ich mich mit den obligaten Fanaufmärschen, die schon Stunden vor Anpfiff durchs die Straßen und durchs Netz schwappen. Ist wahrscheinlihc ein persönliches Ding, da uniformierte Menschenmassen bei mir ein Unbehagen auslösen (übrigens auch, wenn sie Adler sind). Größer, mehr, lauter, origineller. So geht feiern.  Im besten Fall hat es etwas von Asterix - von allen Seiten nähern sich römische Truppen, die sternförmig auf  das kleine gallische Dorf zu marschieren. Hüpfend von oben: Die Holländer. Von links in blau: die lautstarke 100.000 Mann starke Tartan Army. Aus südlicher Richtung: Bleublancerouge, die Marsellaise schmetternd. Zwei Straßen weiter marschieren die Österreicher in rotundweiß, Fahnenträger voran. Aus Stuttgart wird vermeldet, dass die Dänen die Stadt leer getrunken haben.Bei der Vorstellung eines schwarzrotgoldenen Aufmarschs am Mittwoch in Stuttgart gruselt es mich ein bisschen.

Zu all dem gehören allerorten auch Kostümierungen, die offensichtlich immer mehr ein unabdingbarer Teil des Fandaseins sind. Perücken in Nationalfarben, umgewickelte Fahnen, Halsketten - kennen wir ja schon. Jetzt gibt es vermehrt Hüte, auf denen nationale Symbole befestigt sind - z.B. gallische Hühner oder bayerische Bretzeln, aber auch Komplettverkleidungen wie Dirndl oder Kaiser Franz-Uniformen sind vertreten. Das mindeste Zeichen der Zuneigung ist - auch zuhause vor dem Fernseher - ein aktuelles Trikot der Lieblingsnation. "Das neue deutsche Trikot ist soooo teuer - 100 Euro - eine Frechheit." Stimmt, aber warum muss man das haben? 

Apropos: Welcher Hut gehört zu welchem Land...? Im Zweifelsfall geben die Nationalfarben den entscheidenden Hinweis ,)


Erster Spieltag fast vorbei, erste Erkenntnisse zu möglichen Favoriten? Den Engländern ist es erst mal egal wie sie spielen, Hauptsache sie überstehen die Vorrunde. Die Belgier bleiben wie immer hinter ihren Erwartungen. Italien tut, was es tun muss. Rumänien schlüpft als erstes in die Rolle eines möglichen Geheimfavoriten. Frankreich lässt ersten Zauberfußball aufblitzen. (Mbappé - wow! - aber ob er mit seinem Nasenbeinbruch überhaupt nochmal antreten wird?) Österreich mit Sicherheit ebenfalls ein Kandidat für die KO-Runde. Wir - nach dem ersten Auftritt scheint klar, dass wir vorne mit dabei sein werden. Die Schweizer? Wie so oft: Sympathischer Außenseiter, der irgendwann, sagen wir: im Viertelfinale, scheitern wird. Auf der Erstrundenskala ganz oben: Das Spiel der Türken gegen Georgien im Wasserfallregen von Dortmund. Das Stadion fest in türkischer Hand ("zweites Gastgeberland" - schön!) und ein Fight beider Mannschaften bis zur letzten Minute. Toll. Portugal wird - wie immer - auch in diesem Jahr als ein möglicher Titelaspirant gehandelt. Im Spiel gegen die Tschechen - im Regen von Leipzig - bleiben sie einiges schuldig, und ja, ARD-Experte Schweini (den ich selten so dezidiert gesehen und gehört habe) hat recht: Was für ein Elend für die Tschechen, das sie kurz vor Schluss und im Anschluss an ein nicht geahndetes Foul der Portugiesen noch den zweiten Treffer kassieren. Ein Unentschieden hätte man ihnen echt gegönnt, und ich hoffe, dass sie trotzdem ins Achtelfinale einziehen.

Dann war da noch - neulich in der S-Bahn. Drei Youngster, männlich, geschätzte 17, 18 Jahre alt. Es ist einer der wenigen warmen Tage in diesem Jahr, 11 Uhr morgens. Die drei lassen eine Gin-Flasche kreisen. Nettes Detail: Sie haben sogar Schnapsgläschen dabei. Und jedes- Prost - Gläschen, das sie zu sich nehmen, wird mit einem Selfie dokumentiert. Das Gespräch dreht sich um einen nicht anwesenden vierten. "Hab den neulich gesehen. Der ist voll krass transformiert." (ich merke auf,  ein Wort wie "Transformation" im zusammenhang mit "voll krass" hatte ich nicht erwartet. Aber es kommt noch besser). "Ja", stimmt ein zweiter zu, "Echt voll die krasse Mutation." Und was soll ich sagen. "Äi, voll die krasse Mutation" passt praktisch in allen Lebenslagen und ist für mich zum Motto des Sommers, vielleicht ja sogar eines Lebensteilstücks, geworden.

Probiert es mal aus, passt (fast) immer. Bin mir nur noch nicht sicher, ob das für die voll krasse Formulierung oder gegen die aktuellen Transformationen spricht.

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