Das war einer dieser Abende im Waldstadion, an denen es am Ende egal ist, was einem sonst so moderner-fußball-mäßig im Magen liegt. So lange es solche Moment gibt, so lange ist es vielleicht, nein, nicht egal, was sich sonst so tut - aber sicher ist: so lange gibt es Fußball.
Der Abend beginnt mit viel Saisoneröffnungstrubel rund ums Stadion, Büdchen, Fotoaktionen ("Mach ein Selfie mit dem Schwein"), Gewinnspiele, Torwandschießen, Autogramme der Meister am Museum, HR-Bühne, große Leinwand mit Videoeinspielungen hinter der Haupttribüne, ein kleiner Jahrmarktstand zum Flieg-Hüpfen (aha, flying circus), Waldtribüne. Bis auf wenige sind tatsächlich alle in weiß (und eine Handvoll auch in Grün) gekommen - schon beim Anmarsch im Wald leuchtet es überall weiß - im Wald, aus den Straßenbahnen, auf den Straßenbrücken - weiß, wohin man schaut, pur oder mit Eintracht-Logo. Eine Parade weißer Eintrachtshirts aus vielen Jahren - Pokal 2018, Pokal 2017, Frankfurts Stolz der Grabi und der Holz, Fraport Auswärtstrikots, mit großem schwarzen Logo auf dem Bauch, nur mit Adler auf der Brust, mit Frankfurt Skyline, mit Bembel, United Colours of Bembeltown, Pokal 2018, Pokal 2018, Pokal 2018, Hint-Army. Und Martin Hinteregger ist es auch, der dann im Stadion noch vor dem Spiel für ein erstes emotionales Highlight sorgt und fast schon frenetisch gefeiert wird.
Das Spiel? Eher mäßig, aber trotzdem interessant anzuschauen - auch deshalb, weil es von beiden Mannschaften trotz ungleicher Ausgangslage ernsthaft betrieben wurde. Die Eintracht deutlich überlegen, klar, aber spielerisch mit viel Luft nach oben, bei uns allen immer im Hinterkopf, dass wir eigentlich noch mitten in der Vorbereitung stecken und diese Mannschaft mit großer Wahrscheinlichkeit so nicht zusammenbleiben wird, (wenn man bei den "Altgedienten" bzw. kolportiert Wechselwilligen vom Grad des Spielengagements auf die weitere Verweildauer bei der Eintracht schließen dürfte, käme man zu spannenden Ergebnissen. Sagen wir mal so: Makoto Hasebe, Danny da Costa und Gonzalo Paciencia bleiben auf jeden Fall). Die Spieler von Flora Tallinn unermüdlich bemüht, ihre nicht wirklich vorhandene Chance zu nutzen. Schon rein körperlich ist der Unterschied zwischen Profifußballern und Fußballern aus Estland deutlich sichtbar: Die Spieler aus Tallinn sehen (zum Teil bis zur Frisur) aus wie Fußballer "früher" ausgesehen haben - schmal, wenig muskulös, eher kantig. Aber sie sind richtig fit, laufstark, einsatzfreudig, einige auch technisch richtig gut. Auch das Spielsystem ist old school, weit weg von Systemfußball oder taktischen Finessen. Sie versuchen es fast immer mit langen Bällen über die Außen, fuddeln sich Mann zu Mann viel zu oft fest, spielen zu spät ab und können so auch die Chancen, die sie durchaus hatten, häufig nur unzulänglich ausnutzen. Sie haben einen feinen Torwart (auch eher unkonventionell und mit erkennbaren ballfang- und rauslauftechnischen Schwächen, die er aber durch Talent und Einsatz kompensiert). Das - wunderschöne - Tor fällt aus dem Off, aber verdient. Der Elfmeter trifft sie ins Mark, aber auch danach stecken sie nicht auf. Auffallend: Nach körperlichen Attacken oder Fouls bleibt keiner der Spieler liegen, nie. Sofort aufstehen, weitermachen. Bemerkenswert.
Die Stimmung im Stadion entspannt und fröhlich. Gesänge. Klatschen. Der Support ist locker und absolut unaggressiv, wir alle wissen: Da brennt heute garantiert nichts an. Immer wieder werden in der West die Papierschnipsel der (plastikfreien) Anfangschoreo in die Luft geworfen und rieseln über den Block. Mitten im Block (von uns aus gut erkennbar und von einer lieben Adler-Freundin im Video dokumentiert) steht ein junger Asiate (zum ersten Mal im Stadion?), der Anfangs eher etwas verwundert und deplaziert aussieht und zunehmend lockerer wird. Mitsingt, hüpft, selbstvergessen groovt und tanzt. Irgendjemand drückt ihm eine Fahne in die Hand. Er tanzt mit Fahne weiter.
Timothy Chandler, David Abraham, Gelson Fernandez, Simon Falette und Eric Durm machen sich unter fachmännischer Anleitung vor uns im Block mit variantenreichen Dehn- und Laufübungen warm - direkt daneben traben zwei Esten locker auf und ab, ab und zu bleiben sie stehen, um zu schauen, was unsere Jungs da für abgedrehte Sachen machen. Ein junger Mann aus der West winkt einen Ordner zu sich - hey, du - zieht sein Shirt aus und drückt es ihm zusammen mit einen Stift in die Hand. Da, dorthin, gestikuliert er. Okeh. Vorsichtig, etwas schüchtern, hin zur Spielergruppe. Und tatsächlich: Alle unterschreiben das Shirt. Der junge Mann im Block kann sein Glück nicht fassen. Thumbs up von Timmy Chandler, Klatschen, schön.
Und dann ist das Spiel aus und beschert uns unverhofft einen dieser Momente, die bleiben werden und die für mich zu dem Anrührendsten gehören, was ich je im Stadion erlebt habe. Unsere Jungs stehen noch am Mittelkreis, Fredi Bobic ist schon beim Interview, die estnischen Spieler laufen zu der kleinen Gruppe aus Tallinn, die über der Ostkurve auf der Zwischentribüne platziert ist (der eigentliche Gästeblock ist gefüllt mit Eintrachtlern), und heftig mit ihren grünen Fähnchen wedelt. Wir singen den Eintracht-Walzer und - wie von einem plötzlichen Impuls gezogen - drehen die Jungs in Grün sich um und traben quer über den Platz in Richtung West, sie klatschen und winken und es dauert einen Moment bis wir realisieren, was da passiert: Sie. Bedanken. Sich. Bei. Uns. Bei uns. Gänsehautschock. Dass es so etwas gibt. Jubel brandet auf, das ganze Stadion schreit, jubelt, singt, klatscht. Tränchen blinken. Einzelne Spieler aus Tallinn flanken über die Bande, klettern hoch zur West. Umarmungen. Einer zieht sein Trikot aus und drückt es einem Eintrachtler in die Hand. Wir stehen, staunen, sind glücklich über diesen Moment, den wir gemeinsam erleben. Freuen uns über die Spieler aus Tallinn, aber vor allem freuen wir uns mit ihnen. Herzen wirbeln durch die Luft und fliegen über den Platz. Genießt es Jungs, genießt es.
Mit übervollem Herzen machen wir uns auf den Heimweg. Kommentar eines Adlerfreundes: "So geht Europa. So geht Herz." Recht hat er.
Der Abend beginnt mit viel Saisoneröffnungstrubel rund ums Stadion, Büdchen, Fotoaktionen ("Mach ein Selfie mit dem Schwein"), Gewinnspiele, Torwandschießen, Autogramme der Meister am Museum, HR-Bühne, große Leinwand mit Videoeinspielungen hinter der Haupttribüne, ein kleiner Jahrmarktstand zum Flieg-Hüpfen (aha, flying circus), Waldtribüne. Bis auf wenige sind tatsächlich alle in weiß (und eine Handvoll auch in Grün) gekommen - schon beim Anmarsch im Wald leuchtet es überall weiß - im Wald, aus den Straßenbahnen, auf den Straßenbrücken - weiß, wohin man schaut, pur oder mit Eintracht-Logo. Eine Parade weißer Eintrachtshirts aus vielen Jahren - Pokal 2018, Pokal 2017, Frankfurts Stolz der Grabi und der Holz, Fraport Auswärtstrikots, mit großem schwarzen Logo auf dem Bauch, nur mit Adler auf der Brust, mit Frankfurt Skyline, mit Bembel, United Colours of Bembeltown, Pokal 2018, Pokal 2018, Pokal 2018, Hint-Army. Und Martin Hinteregger ist es auch, der dann im Stadion noch vor dem Spiel für ein erstes emotionales Highlight sorgt und fast schon frenetisch gefeiert wird.
Das Spiel? Eher mäßig, aber trotzdem interessant anzuschauen - auch deshalb, weil es von beiden Mannschaften trotz ungleicher Ausgangslage ernsthaft betrieben wurde. Die Eintracht deutlich überlegen, klar, aber spielerisch mit viel Luft nach oben, bei uns allen immer im Hinterkopf, dass wir eigentlich noch mitten in der Vorbereitung stecken und diese Mannschaft mit großer Wahrscheinlichkeit so nicht zusammenbleiben wird, (wenn man bei den "Altgedienten" bzw. kolportiert Wechselwilligen vom Grad des Spielengagements auf die weitere Verweildauer bei der Eintracht schließen dürfte, käme man zu spannenden Ergebnissen. Sagen wir mal so: Makoto Hasebe, Danny da Costa und Gonzalo Paciencia bleiben auf jeden Fall). Die Spieler von Flora Tallinn unermüdlich bemüht, ihre nicht wirklich vorhandene Chance zu nutzen. Schon rein körperlich ist der Unterschied zwischen Profifußballern und Fußballern aus Estland deutlich sichtbar: Die Spieler aus Tallinn sehen (zum Teil bis zur Frisur) aus wie Fußballer "früher" ausgesehen haben - schmal, wenig muskulös, eher kantig. Aber sie sind richtig fit, laufstark, einsatzfreudig, einige auch technisch richtig gut. Auch das Spielsystem ist old school, weit weg von Systemfußball oder taktischen Finessen. Sie versuchen es fast immer mit langen Bällen über die Außen, fuddeln sich Mann zu Mann viel zu oft fest, spielen zu spät ab und können so auch die Chancen, die sie durchaus hatten, häufig nur unzulänglich ausnutzen. Sie haben einen feinen Torwart (auch eher unkonventionell und mit erkennbaren ballfang- und rauslauftechnischen Schwächen, die er aber durch Talent und Einsatz kompensiert). Das - wunderschöne - Tor fällt aus dem Off, aber verdient. Der Elfmeter trifft sie ins Mark, aber auch danach stecken sie nicht auf. Auffallend: Nach körperlichen Attacken oder Fouls bleibt keiner der Spieler liegen, nie. Sofort aufstehen, weitermachen. Bemerkenswert.
Die Stimmung im Stadion entspannt und fröhlich. Gesänge. Klatschen. Der Support ist locker und absolut unaggressiv, wir alle wissen: Da brennt heute garantiert nichts an. Immer wieder werden in der West die Papierschnipsel der (plastikfreien) Anfangschoreo in die Luft geworfen und rieseln über den Block. Mitten im Block (von uns aus gut erkennbar und von einer lieben Adler-Freundin im Video dokumentiert) steht ein junger Asiate (zum ersten Mal im Stadion?), der Anfangs eher etwas verwundert und deplaziert aussieht und zunehmend lockerer wird. Mitsingt, hüpft, selbstvergessen groovt und tanzt. Irgendjemand drückt ihm eine Fahne in die Hand. Er tanzt mit Fahne weiter.
Timothy Chandler, David Abraham, Gelson Fernandez, Simon Falette und Eric Durm machen sich unter fachmännischer Anleitung vor uns im Block mit variantenreichen Dehn- und Laufübungen warm - direkt daneben traben zwei Esten locker auf und ab, ab und zu bleiben sie stehen, um zu schauen, was unsere Jungs da für abgedrehte Sachen machen. Ein junger Mann aus der West winkt einen Ordner zu sich - hey, du - zieht sein Shirt aus und drückt es ihm zusammen mit einen Stift in die Hand. Da, dorthin, gestikuliert er. Okeh. Vorsichtig, etwas schüchtern, hin zur Spielergruppe. Und tatsächlich: Alle unterschreiben das Shirt. Der junge Mann im Block kann sein Glück nicht fassen. Thumbs up von Timmy Chandler, Klatschen, schön.
Und dann ist das Spiel aus und beschert uns unverhofft einen dieser Momente, die bleiben werden und die für mich zu dem Anrührendsten gehören, was ich je im Stadion erlebt habe. Unsere Jungs stehen noch am Mittelkreis, Fredi Bobic ist schon beim Interview, die estnischen Spieler laufen zu der kleinen Gruppe aus Tallinn, die über der Ostkurve auf der Zwischentribüne platziert ist (der eigentliche Gästeblock ist gefüllt mit Eintrachtlern), und heftig mit ihren grünen Fähnchen wedelt. Wir singen den Eintracht-Walzer und - wie von einem plötzlichen Impuls gezogen - drehen die Jungs in Grün sich um und traben quer über den Platz in Richtung West, sie klatschen und winken und es dauert einen Moment bis wir realisieren, was da passiert: Sie. Bedanken. Sich. Bei. Uns. Bei uns. Gänsehautschock. Dass es so etwas gibt. Jubel brandet auf, das ganze Stadion schreit, jubelt, singt, klatscht. Tränchen blinken. Einzelne Spieler aus Tallinn flanken über die Bande, klettern hoch zur West. Umarmungen. Einer zieht sein Trikot aus und drückt es einem Eintrachtler in die Hand. Wir stehen, staunen, sind glücklich über diesen Moment, den wir gemeinsam erleben. Freuen uns über die Spieler aus Tallinn, aber vor allem freuen wir uns mit ihnen. Herzen wirbeln durch die Luft und fliegen über den Platz. Genießt es Jungs, genießt es.
Mit übervollem Herzen machen wir uns auf den Heimweg. Kommentar eines Adlerfreundes: "So geht Europa. So geht Herz." Recht hat er.
Lieb Kerstin,
AntwortenLöschenmir kommen die Tränen.Es war gestern abgesehen vom Spiel ein gelungener Abend.
Das ganze drum und dran. Alles in Weiß .Die Europapokalgesänge vor dem Spiel.Hintis Vorstellung. Alles Gänsehaut.Kann man sowas noch toppen? Ja sage ich. Was nach dem Schlußpfiff passierte geht in die Geschichte ein.Noch nie wurde ein Gastmannschaft so mit Beifall verabschiedet wie Tallinn.Allein die Sprechchöre Tallin Tallinn werden denen bis Lebesende im Ohr bleiben.
Diese Spieler haben sich in beiden Spielen teuer verkauft und vor allem sportlich und fair verhalten.
Zu deinem Blog möchte ich noch sagen ich hatte ganz schön Tränen in den Augen
Vielen Dank fürs Vorbeischauen und kommentieren, lieber Dieter. Freut mich sehr, dass wir das gestern Abend ähnlich erlebt haben.
AntwortenLöschenJa, Kerstin, bei allem was man so eigentlich überhaupt nicht will, was sich fremd, entfremdet, einfach kalt und mies anfühlt - gibt es dann offenbar diese Augenblicke, die durch alles das leuchtend hindurchstechen und mit dem menschlichen Grund kurzschließen. Erstaunlich. Wie schön, dass Du dabei sein konntest. Wir leben halt in einer gewissen Schizophrenie.
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