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Unterm Strich war es ein echt toller Abend. Echt jetzt.

Halbfinale - yeah!!! Marco Russ - so ein Glück. Wow. Was für ein Moment!!! Das sind die Dinge des gestrigen Abends, die zählen und bleiben. Vielleicht wird sich später auch noch der eine oder andere daran erinnern, wie beeindruckend es uns während des Spiels gegen den abstiegsbedrohten Zweitligisten Arminia Bielefeld gelungen ist, unsere technische und spielerische Überlegenheit in die Waagschale zu werfen. Aber wie war das eigentlich vor dem Spiel? Draußen im Matsch? Daran erinnert sich wieder mal keiner - ich erzähle es euch.

Dienstag, später Nachmittag. Um halb sieben wird im Waldstadion angepfiffen. Gestern war Frühling, heute ist es arschkalt, der Wind pfeift, Regen plätschert. Ich komme einigermaßen zeitig aus dem Büro weg. Anfahrt zum Stadion mitten im Berufsverkehr - auf der Autobahn läuft es erstaunlich smooth, aber ums Stadion herum staut es sich heftig. Sind heute zwar "nur" 40.000 da, aber die kommen fast alle gleichzeitig. Parkplatz? Hey, super, passt. "Bin da" whatsappe ich einem Adler-Freund. "So früh?" whatsappt es zurück. Hihi, stimmt, für meine Verhältnisse bin ich früh dran.

Und so zurre ich meine Jacke fest und stapfe ein wenig schlapp, aber erwartungsfroh Richtung Black and White. Ich habe letzte Nacht nicht viel geschlafen, bin erkältet, habe heute erst ein Brötchen gegessen und mir ist deshalb ein wenig flau. Trotzdem entscheide ich mich gegen den Bratwurst-Stopp, bin heute allein und will rechtzeitig im Stadion sein, mit etwas Glück noch kurz Hallo zu lieben Adler-Freunden sagen, die heute aus Würzburg angereist sind. Um fünf vor sechs reihe ich mich ein in den Pulk vor der Eingangskontrolle. Noch weiß ich nicht, dass ich dazu bestimmt bin, hier die nächsten knapp 60 Minuten zu verbringen.

Hier stehen wir also. Die zunächst noch zuversichtliche, nach zehn Minuten immer noch hoffnungsfrohe Gestimmtheit  ("Das langt noch locker bis zum Anpfiff"), weicht schnell der  Einsicht, dass es locker gewiss nicht und vielleicht auch gar nicht mehr langen wird. Es tut sich: Nichts. Nach zwanzig Minuten haben wir gerade mal drei Meter gut gemacht. Macht ja nichts. Es regnet. Wir stehen im Matsch. In einer viertel Stunde wird angepfiffen. So what? Der Pulk vor mir ist groß, der Pulk dahinter wird immer größer. "Lass uns mal drücken", schreit einer von hinten und setzt sein Vorhaben such gleich in die Tat um. "Das bringt nichts, hört auf", bescheidet einer von vorn und der Druck von hinten lässt nach. Trotzdem stehen wir jetzt so spack, dass es kein vor und zurück gibt. Leichte Panik steigt in mir auf. Gaaaanz ruhig. Immerhin haben wir uns gerade 50 Zentimeter nach vorne bewegt und es ist ja nicht das erste Mal, dass ich hier so stehe. Meistens stellt sich dann bei allen Beteiligten eine Art Galgenhumor ein, heute bleibt die Stimmung merkwürdig konzentriert und ernsthaft.  Keinerlei Renitenz, kein Aufbegehren, wir nehmen es hin. Stille Resignation. Was immer die da vorne an den Einlasskontrollen tun oder nicht tun, es ist, als wäre das längst von uns abgekoppelt. Vor mir steht ein ungefähr zwei Meter hoher Mensch. Der hinter mir ist etwas kleiner, dafür fast ebenso breit. Der Duft der sich ausbreitet, lässt vermuten, dass er gestern Knoblauch gegessen hat. Er rülpst gewaltig und laut. Aha. Offensichtlich hat er gerade vorhin auch noch eine Bratwurst verzehrt, die er mit Bier heruntergeschwenkt hat. Mein Magen rumort, mir ist schwindelig. Vielleicht sollte ich einfach versuchen, nach hinten rauszukommen und einen neuen Anlauf nehmen, wenn der Pulk sich aufgelöst hat? Aussichtslos.  Immerhin kann ich sicher sein, dass ich nicht aus den Latschen kippen werde, kein Platz.Und so entscheide ich mich für stilles, stoizistisches Verharren und richte den Blick nach oben in den wolkenverhangenen, grauen Himmel, aus dem es tropft. Mir ist heiß, mir ist kalt. Ein Flieger kreuzt. Ich denke an die Fastnachtskneipensitzung, auf der ich am Samstag war. Wie ging das Lied gleich nochmal....

"Im Pulk stehn* ist scheiße, mein Nachbar stinkt nach Schweiß. Im Pulk stehn ist scheiße, weiß nicht mal wie der heißt. Im Pulk stehn ist scheiße, komm nicht mal an mein Bier. Im Pulk stehn ist scheiße, warum stehn wir hier?"

Ja, warum eigentlich? Ein Jubelschwapp aus weiter Ferne erinnert uns daran. Stimmt, wir wollten zu einem Fußballspiel, bei dem offensichtlich gerade ein Tor gefallen ist. Und alle so: Yeah.  Ein Trupp gut abgefüllter Youngster wird aus seiner Lethargie gerissen und ist jetzt voll motiviert, den gesamten Schatz seines Gesangsrepertoires zu intonieren. Wir-sind-aus-Frankfurt-wir-sind-aus-Hessen. Eurobbapokaaal. Schwarzweißrot-das-sind-unsere-Farben. Gebt mir ein...Ausrufezeichen. Humba-humba-humba-tätera. Und schließlich: Wir-holen-den-DFB-Pokal-und-wir-werden-Deutscher-Meister. Meister!! Kann gut sein, dass es in zehn Jahren so weit ist. Nur schade, dass wir es nicht sehen werden, weil wir dann vermutlich immer noch hier stehen.

Jetzt. Tatsächlich, ein Ordner kommt in Sichtweite. Ein letztes Schieben, drücken. Ich stehe vor der Security-Dame, die mich sorgfältig und ohne große Hast von oben bis unten abtastet. "Viel Spaß!" sagt sie. Mal echt: Ihren Zynismus können Sie sich sparen. Um kurz vor sieben betrete ich meinen Block.

Und sonst so? Halbfinale - yeah! Marco Russ - so ein Glück. Wow. Was für ein Moment! Alles gut, echt.

*Im Original: schunkeln

Kommentare

  1. Alles gut. Für den Moment. Sonst eher nicht. ;-) Gute Besserung!

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    1. Danke für die guten Wünsche. Also MIR geht es wieder besser ;-)

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  2. Alles gut mit Marco Russ, der Rest ist eigentlich im Vergleich reichlich unwichtig, auch wenn mir mein Gefühl manchmal etwas anderes sagt.
    Es gibt eben doch noch Prioritäten im Leben.

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    1. Die der Eintracht liegt heute jedenfalls nicht in München ;-)

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