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Ein Spiel muss man lesen können

Heute also: Auswärts in Dortmund. Haben die Dortmunder heute schon das Pokalspiel gegen die Bayern im Hinterkopf? Wollen sie weiter für Kloppo siegen? Ist Europa für uns überhaupt  noch eine realistische Option? Behalten am Ende doch diejenigen recht, die mit Blick auf die letzten Spieltage  das Abrutschen in der Tabelle prognostiziert haben?  Wiegen die Ausfälle von Meier, Aigner, Anderson und Oczipka so schwer, dass sich der Gedanke an Europa von selbst verbietet oder hat das Spiel gegen Gladbach angedeutet, dass darin möglicherweise auch eine Chance liegt? Sollen wir Europa überhaupt wollen wollen? Das sind so Fragen.

Nach dem Sieg der 05er gestern gegen Schalke ist – wenn man so will – theoretisch ein weiterer Aspirant für Europa hinzugekommen.  Wer, wo, wie und in welcher Reihenfolge am Ende in der Saisonabschlusstabelle auf den Plätzen 7 bis..mmh... 13 liegen wird – vollkommen offen.

Vorgestern, am 23. April, war der Welttag des Buches. Bücher gehören schon ebenso lange und so eng zu meinem Leben wie die Eintracht und tatsächlich gibt es da gar nicht so wenige Parallelen. Bei Büchern wie bei der Eintracht gilt bei mir: Ich bin  – hoho – immer auf Augenhöhe mit dem aktuellen Geschehen, aber das, was war, ist und bleibt als feste Grundlage im Herzen. Ich bin ein „Wiederleser“, lese also Bücher, die ich mag, in unregelmäßigen Abständen immer wieder  – das ist fast wie eine Notwendigkeit, ein Wiedersehen mit Freunden, bei dem ich immer neue Lesearten entdecke, immer wieder neu ins Geschehen gezogen werde, immer wieder neu hoffe, dass Werther sich am Ende doch nicht erschießt. (Aleschia? Ich kenne kein Aleschia.) Das Buch bleibt immer gleich. Die Wahrheit, die in ihm steckt, erschließt sich immer wieder neu, hängt von der Situation ab, aus der heraus man es liest, von den Lebensumständen, in denen man steckt, von den Fragen, mit denen man sich beschäftigt. Und manchmal tut es einfach gut, dass es – inmitten all dessen, was sich verändert – immer noch da ist.  

Es gibt Bücher, die habe ich vor zehn Jahren mit Begeisterung gelesen und wenn ich sie heute in die Hand nehme, schauen sie mich ganz fern an. Das ist selten, aber es kommt vor. Dann gibt es Bücher, die ich fünf Mal angefangen und nach den ersten 50 Seiten wieder weggelegt habe, weil sie partout nicht an mich gehen und dann – beim sechsten Mal – springt der Funke und alles, alles ist auf einmal da. Eine Handvoll Bücher und Geschichten gibt es, die sind so tief in mir verwurzelt, dass ich es nicht fertig bringe, sie noch einmal zu lesen. Vielleicht irgendwann. Und wenn nicht: Sie sind sowieso immer da.

Das Lesen hört nie auf und ist unerschöpflich. Und auch, wenn man das Gefühl hat, dass man mit dem literarischen Kanon ganz gut vertraut ist, stößt man mitunter – abseits aller Aktualität, manchmal auch inspiriert von ihr – vollkommen überraschend auf Bücher und Texte, von denen man noch nie etwas gehört hat,  und kann es gar nicht fassen, dass einem das bisher durchgerutscht ist.

„Noch einmal ‚Krieg und Frieden‘ zum ersten Mal lesen.“ Das hat Hemingway sich gewünscht. Geht leider nicht. Auch der Moment, in dem wir zum ersten Mal im Waldstadion gestanden und der Eintracht-Funke auf uns übergesprungen ist, lässt sich nicht wiederholen. Aber sicher ist:  Das Lesen und Leben mit der Eintracht schreibt sich immer weiter fort. Eintracht als E-Book? Book on demand?  Keine Ahnung und lieber nicht.  Meine Lieblingsüberschrift für das nächste Kapitel kenne ich allerdings schon:

Auswärtssieg in Dortmund!

Kommentare

  1. "Auch der Moment, in dem wir zum ersten Mal im Waldstadion gestanden und der Eintracht-Funke auf uns übergesprungen ist, lässt sich nicht wiederholen."
    Gerade habe ich dir an anderer Stelle geantwortet und lese nun diesen Satz, zu dem ich "ja" sage und der einen Teil meines Gefühls ausdrückt.

    Ein sehr schöner Blogeintrag. Das gewünschte Kapitel wird allerdings weiter auf sich warten lassen. Mit etwas weniger Glück hätte es heute auch heißen können: Klatsche in Dortmund.

    Es geht halt alles seinen Gang. In der Welt und bei der Eintracht.

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    1. Eines noch: Wenn man ein Spiel lesen können muss, muss man aber dennoch nicht jeden Spiel lesen wollen, oder? ;-)

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    2. Aber lieber Kid, selbst wenn es ein Groschenroman wäre, es sind doch Fortsetzungen! Obwohl ... wenn die Cliffhanger zu sehr durchcliffhängen ... Ich fürchte Du hast recht.

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    3. Also ich finde: Die Rollen der jugendlichen Helden sind eigentlich ganz gut besetzt. Auch der jugendliche Schnösel, der finstere Rivale, der aufopferungsvolle Altvordere und der harmlos Unbedarfte, der nicht versteht, was Sache ist, der verbitterte Zweifler und der über jeden Zweifel hinweg Loyale, der spöttische Ränkeschmied, der Unbeirrbare und der mitlaufende Chor - alles da, was zu einem unterhaltsamen und spannenden Groschenroman gehört. Was mir fehlt, ist die Profilierung der Geschichte: Komödie? Tragödie? Intrigenspiel? Horrorroman oder Krimi? Farce oder Fabel? Arztroman? Schelmenroman oder Satyrspiel? Nur das Märchen, die Utopie und die Liebesgeschichte kann man wohl ausschließen. Außerdem fehlt mir - auch in der Fortsetzungsperspektive - die klare Ausrichtung der Helden auf ein - wie auch immer geartetes - Objekt der Begierde.

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    4. Ja, lieber adlerkadabra, die "Fortsetzung folgt". Nicht auf dem Fuße, aber doch auch mit den Füßen. Mit denen zudem irgendwann wieder abgestimmt werden wird. Wir kennen die Geschichte(n) ja längst und sind doch immer wieder gespannt auf die Variationen, die möglich sind. Werden diese jedoch für den geneigten Leser gar zu absehbar, besteht die Gefahr, dass das Interesse am Stoff und den Protagonisten nachlässt oder sich der Leser am Ende ab- und anderen Dingen zuwendet. Soweit es mich betrifft, ist das in den letzten Jahrzehnten schon vorgekommen. Ganz lassen konnte ich von dem (Lese-)Stoff allerdings nie.

      Sehr schön, rotundschwarz! Die Gattung lässt sich manchmal erst gegen Ende festlegen. Bisweilen ist es eine Mischung. Ob diese dann gefällt, liegt nicht nur im Auge des Betrachters, sondern an den handelnden Personen, die die Geschichte mit ihren Taten schreiben. Und fehlt das Ziel, plätschert die Geschichte vor sich hin. Das wird auf Dauer nicht jedem genügen, der sie heute noch verfolgt.

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    5. Ja nu, der "schwere Held" vielleicht noch (aber das ist eher Opernfach), der Dreggsagg ... Das Genre? Mystery. Mit einem Einschlag von abschwellendem Bocksgesang. Objekt der Begierde? Ein geheimnisvoller Zementsack, von dem es heißt: den Auserwählten, der reinen Herzens ist, trägt er in einer lauen Maiennacht durch die Lüfte im Nu zu jedem Platz der Welt (außer 1-12 und 14-18).

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    6. Nein, ganz lassen, lieber Kid, kann und will ich vom rotschwarzen Faden auch nicht. Das ist mittlerweile eine solche Konstante, verbunden mit Erinnerungen bis hin zu Tauschen der Fußballbilder auf dem Pausenhof, fixiert auf Eintracht natürlich (und manche von denen wie z.B. Solz waren verdammt selten und man musste verdammt viel dafür hergeben - kein Problem ;-).

      Es ist dann letztlich halt auch nicht Herr Bruchhagen, Herr Schaaf, wer auch immer - es ist die Eintracht.

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    7. Es gibt aber auch Geschichten, die vermeintlich plätschern und dann - wenn man schon fast nicht mehr damit rechnet - eine völlig überraschende Wendung nehmen. Wer die nicht verpassen will, muss durchhalten und dabei bleiben :)

      Der Dreggsagg - Mensch, den hatte ich vergessen. Vielleicht tarnt er sich und wir müssen erst noch herausfinden, wer in dieser Saison für diese Rolle vorgesehen ist. "Der geheimnisvolle Zementsack" oder: "Von denen die auszogen, um immer wieder dort zu landen, wo sie gestartet sind" - so könnte der Arbeitstitel der Geschichte lauten. O wie schön ist Panama :)

      Ja. Es gibt nicht allzu viele Konstanten, die sich durchs ganze Leben ziehen. Die Eintracht gehört dazu. Es ist, was es ist :)

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  2. Toller Text, spricht aus der Seele.
    Danke dafür.
    Eintracht - naja, das hatte ich irgendwie so erwartet. Seufz.
    Schönes Rest-Wochenende!

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    1. Ja, leider - zu erwarten war das wohl. So schlecht wie Spiel und Spieler in den Tagen danach rüber gekommen sind, habe ich das Ganze allerdings nicht gesehen - fast ist es so als ob - wie mit dem Fisch des Anglers, der jeden Tag größer wird, oder wie damals vor der Wutrede von Rudi Völler - die Leistung mit jedem Spiel und jedem Tag Abstand zum Spiel immer noch und noch und noch gruseliger wird. Dass das stark ausbaufähig war am Samstag - keine Frage. Dass sich der Diskurs (übers Spiel, über den Trainer) weitgehend spielunabhängig verselbstständig hat, allerdings auch. Die Ursachen dafür - anders kann ich es mir nicht erklären - liegen nicht vorrangig auf, sondern außerhalb des Platzes - das weiß offensichtlich (wie im Vorbericht zum Spiel am Samstag) sogar schon der Weser-Kurier. Mir gefällt das alles nicht.

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  3. Ich gebe zu bedenken: hätte Werther sich nicht erschossen, wäre sein Autor womöglich ein Unbekannter geblieben und Frankfurt ohne größten Sohn. Bzw. mit kleinerem größten Sohn. Oder ganz einfach mit einer größten Tochter. Mer waaß es net.

    Sehr schöne Überlegungen zum Lesen. Mir persönlich geht es so, wenn ich krank bin, lese ich häufig immer wieder dieselben Bücher, die mir dann wohl tun und die sonst unberührt im Regal vor sich hin stauben. Und vor allem: jeder gelesene Text rückt ein in den kleinen Kosmos des bislang schon Gelesenen, in ein vielstrahliges Beziehungsgefüge. Alle diese Texte spiegeln sich ineinander und bilden eine Welt, die mitunter mehr Wirklichkeit hat als die sog. reale. Dieser Kosmos ist dynamisch, die Bezüge spielen so und so, und stets ändert sich das Ganze mit, sehr lebendig. Holden Caulfield zieht sich Werthers gelbe Weste an, der dafür Gu Chengs Hosenbeinhut kriegt, Li Bo umarmt die Blaume Blume, dafür reicht Novalis höflich den gespiegelten Mond an Matthias Claudius weiter, der aber selber schon einen hat und zugunsten von Paul Klee verzichtet, der gerade einen braucht. Huuu, und das Ganze klingt auch noch. Frau Nachbarin, Euer Fläschchen. Ja bitte, das mit dem Guten. Wie? Die Eintracht hat heute verloren? Warum the hell soll man ausgerechnet zu Niederlagen was Schlechtes trinken? Cheers, folks : - )

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    1. So gesehen... ,-)

      ,,,ja... wie eine Reigen, der sich wechselseitig immer wieder neu und anders erhellt. Und die Geschichten und Menschen aus Büchern stehen in einer Reihe mit Menschen und Erinnerungen aus dem realen Leben. Mir ist es z.B. schon vorgekommen, dass ich mir nicht sicher war, ob eine Äußerung, an die ich mich erinnert habe, von einer meiner eigenen Tanten oder von Tante Norris aus Mansfield Park war. Sehr viele Bücher sind für mich mit bestimmten Orten und Situationen verknüpft. Oft weiß´ich noch genau, welches Buch ich in welcher Situation, an welchem Ort gelesen habe - je nachdem, ob es eine glückliche oder eher schwierige und traurige Situation war, spiegelt sich diese Leseerfahrung dann auch in künftigen Lektüren. (Das ist übrigens noch eine Parallele zu Eintracht-Spielen: Sie werfen Anker im Leben und bleiben mit bestimmten "außerspielischen" Situationen und Lebensphasen verknüpft - natürlich nicht jedes Spiel, aber doch viele).

      Cheers :)

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