Direkt zum Hauptbereich

Spieler der Stunde: Jimmy Hoffer

Wie schwer haben wir uns lange Zeit mit dieser Zweitligasaison getan, mit der zweiten Liga gehadert, mit der Mannschaft gefremdelt. Haben uns allmählich emotional berappelt. Wollten uns keine Euphorie verordnen lassen und haben doch allmählich ein Aufstiegskribbeln gespürt. Gerade vor dem Spiel in Berlin haben wir uns wehmütig an große Eintracht-Momente erinnert. Auf dem Platz, aber auch daneben. Was waren wir Eintrachtler doch mal für ein cooler Haufen. Klar werden wir aufsteigen. Aber so schräg, so chaotisch, so bunt wie früher würde es nicht mehr sein. Dachten wir. Und dann passiert so was wie das am Montag in Berlin. Einfach so. Einer der Tage, die bleiben werden und die sich nicht dann ereignen, wenn man sie plant oder erwartet, sondern dann, wenn es ihnen passt.  Einer von den Tagen, von denen diejenigen, die das Glück hatten, dabei zu sein, noch in Jahren erzählen werden. „Das friedlichste Fest seit Woodstock“ beschreiben die 11 Freunde den Abend. Union-Blogger Hönower erlebt in der Alten Försterei „Gänsehaut wie lange nicht“. Beve freut sich über den bunten Haufen der Eintracht –Fanszene, "der sich trotz aller Seltsamkeiten nicht unterkriegen lässt“ und zollt Union Berlin, ohne die dieses Fußballfest nicht möglich gewesen wäre, Dank und Respekt. „Juchuuu, wir sind euphorisiert.“ 

An diesem Abend war auf einmal wieder da, was wir vielleicht schon verloren geglaubt hatten: Wir! Zusammengehörigkeit. Solidarität. Die Mauer muss weg. Ein wieder gefundenes Bewusstsein von gemeinsamer Stärke. Die nächsten Tage, Wochen, Monate werden zeigen, ob und wie dauerhaft die Mauern eingerissen und/oder Risse geflickt worden sind. Aber wie immer es weitergeht: Was bleibt ist das Wissen um diesen einen geglückten Moment. No surrender. Es geht. Und es ist gut, dass wir das jetzt wieder wissen.

Fußball gespielt wurde am Montag Abend in Berlin auch - sehr gut sogar. Irgendwie hatte man das Gefühl, dass der Funke, die Spielfreude auch auf die beiden Mannschaften übersprang. Die Eintracht wollte und musste gewinnen, war die klar überlegene Mannschaft , aber Union Berlin spielte munter mit. Es war ein abwechslungsreiches, sehr ansehnliches Spiel mit vielen Torraumszenen, das sich wunderbar in die Kulisse und in den Vorfrühlingsabend einfügte.

Beispiele:

7. Minute: Mo Idrissou schlägt von halblinks einen langen Pass in den Strafraum auf den heranstürmenden Hoffer. Ein Berliner ist dazwischen. Da ist Benni Köhler, wankt, fällt, legt den Ball im Sitzen nach links zum aufgerückten Idrissou. Der zieht ab. Tooooooooor!

13. Minute: Kopfball idrissou. Ein Unioner klärt auf der Linie.

20. Minute: Schwegler kurz auf den an der rechten Strafraumgrenze postierten Hoffer, der müsste ablegen auf den im Rückraum lauernden Meier, schießt aber selbst. Vorbei.

24. Minute: Angriff Union über links. Sebi Jung dazwischen, der Ball prallt ab und segelt Richtung Torauslinie. Sebi gibt den Ball nicht verloren, sprintet hinterher, erwischt ihn kurz vor dem Tor aus, schlägt ihn nach vorn. Mit zwei, drei direkten Pässen ist die Eintracht vor dem Berliner Tor. Idrissou flankt. Kopfball Hoffer. Knapp vorbei

30. Minute: Bamba Anderson, der sich in den Anfangsminuten eine Kopfverletzung zugezogen hat und bisher mit Turban gespielt hat, muss den Platz jetzt doch verlassen. Für ihn kommt erwartungsgemäß Heiko Butscher.

33. Minute: Djakpa. Was macht er denn da? Er geht, geht, geht, wieselflnk über links, fast unbedrängt. Hoffer und Idrissou sind mitgelaufen. Jetzt, jetzt muss er flanken. Tut er auch – der Ball landet im Leeren.

36. Minute: Minutenlanger Wechselgesang schwappt durchs Stadion: Scheiß DFB. Der Sky-Reporter übersetzt: „Die Fans setzen sich in ihrem Wechselgesang kritisch mit dem DFB auseinander." Hihi.

38. Minute: Vor unserem Strafraum. Idrissou ist zurück geeilt, grätscht vor dem eigenen Strafraum einen Ball ab – in die Füße eines Unioners. Sofort ist Rode da. Klärt für Mo. Beide klatschen sich ab.

50. Minute: Ein Berliner ist rechts fast frei durch. Oka aus dem Tor, an der rechten Strafraumgrenze, fast in Höhe der Torauslinie, verfehlt den Ball, versucht mit dem Fuß zu klären, wird umkurvt, irrt zurück, der Berliner zieht ab. Vorbei.

52. Minute: Hoffer ist über rechts durch, könnte abspielen, zieht selbst scharf ab. Der Torwart ist dran und lenkt den Ball über die Latte.

58. Minute: Mein Mit-Adler hat gerade – zwecks Bierholung – den Raum verlassen und so beobachte ich allein den genialen Angriff, der zum 2:0 führt. Schwegler, halblinks noch in der eigenen Hälfte. Kurzer Pass auf (?) Köhler. Zeigt an, wo der Ball hinkommen soll, läuft in den freien Raum, links im Halbfeld, erhält den Ball zurück, nimmt Maß, eine langgezogene Flanke über die Berliner Abwehr hinweg in den Strafraum, der Ball fliegt, fliegt, wird länger. Da kommt – wer ist das? – Hoffer, es ist Hoffer, katapultiert sich wie eine Rakete in den Strafraum, liegt fast waagrecht in der Luft, erwischt den Ball voll mit seinem Kopf, wuchtig, präzis, platziert. Baaaaaaaaaaaaaaaaaa. Der Ball schlägt ein wie ein Torpedo. Tor. Tor. Tor.

70. Minute: Blitzangriff der Eintracht. Rode lässt den Ball über den Span rutschen, leitet ihn kurz weiter nach links zu (?) Schwegler, langer Ball auf Meier, der rechts an der Strafraumgrenze vollkommen frei steht. Der zieht ab – wiiiiiiiiitsch – gehalten!

73. Minute: Fast die gleiche Szene wie eben. Köhler auf den rechts am Strafraum postierten Meier – Schuss, passgenau ins rechte Eck gestreichelt – jetzt ist der Ball drin. Tooor!

Das war nicht die letzte Chance in diesem Spiel und in der 89. Minute fiel, wie wir alle wissen, auch noch das 4:0 - Meier mit seinem  15. Saisontor, aber an dieser Stelle enden meine Notizen bzw. sind am Montagabend in einem Wirbel aus „Hast du das gesehen…?“ „Siehst du das?“ „Is ja unglaublich?“ verweht worden. Deswegen leite ich jetzt zwanglos über zu den Ergebnissen der Wahl zum Spieler der Stunde:

50 Leser dieses Blogs haben sich in dieser Woche an der Wahl beteiligt. Herzlichen Dank dafür! Die Stimmverteilung ist dieses Mal sehr gefällig und folgt – so könnte man meinen – einer höheren Symmetrie: Pärchenbildung.  Eine, zwei und acht Stimmen wurden jeweils zwei Mal vergeben.

Je eine Stimme für Sebastian Rode und Benni Köhler, jeweils zwei Stimmen für Heiko Butscher und Mo Idrissou (der von Spiel zu Spiel stärker wird) und jeweils 8 Stimmen bzw. 16 % für den (einmal mehr) Doppeltorschützen Alex Meier und für die Mannschaft, die nach dem grandiosen Spiel gegen Dresden auch in Berlin gezeigt hat, dass sie nicht nur stark ist, sondern inzwischen auch stark genug, dass sie es weiß und umsetzt. Am Ende werden die Nerven darüber entscheiden, wer aufsteigt, hieß es vor einigen Wochen – und Nerven wie Drahtseile waren nicht gerade das, was man mit dieser Mannschaft in Verbindung gebracht hätte. Das scheint sich geändert zu haben.Eben doch: Auf den Schwingen und mit dem Herzen des Adlers. Konzentriert, "fokussiert" (wie das im Moment gerne genannt wird), spielfreudig, ausgerichtet auf das eine große Ziel: Den Aufstieg.

Dazu passt, dass auch Kapitän Pirmin Schwegler, der sich bei dieser Runde, mit 6 Stimmen im vorderen Mittelfeld platzierte, derzeit selbstbewusst und straight wie selten wie selten wirkt. Er war – wie fast immer – ein umsichtiger und äußerst konzentrierter Spielgestalter, bereitete nicht nur das 2:0 großartig vor, sondern fand auch direkt nach dem Spiel einigermaßen deutliche Worte: Ja, er will bei der Eintracht bleiben. Ja, die Mannschaft freut sich, dass so viele Fans zur Unterstützung da waren. Es tut weh, wenn man das ganze Wochenende Zeit hat, die Erstligaspiele am Samstag und Sonntag sieht und selbst erst am Montag wieder ran darf. Ja, die Mannschaft will alles tun, damit die Eintracht nächste Saison wieder da ist, wo sie hingehört: Mittendrin in der ersten Liga.

Wie schon in den Vorwochen fällt auf, dass die Abwehrreihe stimmmäßig leer ausgeht – die 2 Stimmen für Heiko Butscher sind da wohl eher als Ausrutscher, respektive als „Willkommen zurück in derMannschaft“ und als Anerkennung für ein nathloses Einfügen ins Team gedacht. Oka hält – trotz eingestreuter Oka-Momente – sein Tor sauber. Unsere Abwehr steht gut, sie haben ihre Gegenspieler weitgehend im Griff, schalten sich konstruktiv ins Offensivarbeit ein, keine auffallenden Patzer, keine besonderen Vorkommnisse - sie machen ihren Job und dafür gibt es – so scheint es – kein extra Schulterklopfen. Keine Stimme dieses Mal auch für Sebi Jung, den ich dieses Mal sogar stärker als in den letzten Spielen gesehen habe, der Torchancen mit herausgearbeitet , auch selbst ein, zwei Mal aufs Tor geschossen hat und dem ich zunehmend wünsche, dass ihm bald einmal wieder etwas Spektakuläres im Spiel gelingen möge. Hey. Sebastian Jung. Einer von uns. *+singan*+ Hey Sebi Juuung, nananananananana *singaus*

Aber nun ganz schnell zum Spieler der Woche, der dieses Mal – tatata - Jimmy Hoffer heißt. Mit 22 und knapp 45 % der Stimmen konnte er sich deutlich vom Feld absetzen, wurde für sein grandioses Flugkopfballtor, aber auch für eine insgesamt feine Leistung belohnt. Laufstark, blitzwach, konzentriert, war er an den meisten gefährlichen Torraumszenen direkt beteiligt, hätte für ein noch höheres Ergebnis sorgen können, wenn er nicht in der ein oder anderen Situation zu eigensinnig agiert hätte, wo es sinnvoller gewesen wäre auf den besser postierten Nebenmann zurück- (Meier) oder ab- (Idrissous) zu legen. Apropos: Idrissou. Vor ein paar Wochen haben wir noch darüber gegrübelt, ob Hoffer und Idrissou gemeinsam tatsächlich funktionieren oder ob doch lieber nur der eine oder andere auflaufen sollte und gleichzeitig die Außenbahnen -  z.B. durch Karim Matmour auf rechts - gestärkt werden sollten. Jetzt können wir ziemlich sicher sein: Raute mit Doppelspitze funktioniert auch in Punkto Flügelspiel, zumindest im Moment. So ist das halt wenn man 1000 Möglichkeiten hat.

 Es ist übrigens das dritte Mal, dass Jimmy Hoffer zum Spieler der Stunde gewählt wurde, die ersten beiden Male liegen schon eine Weile zurück in der Hinrunde – am 12. Spieltag (beim 3:0 gegen den MSV Duisburg   und am 14. Spieltag beim 2:1-Sieg in Aue. Beide Male hieß sein Sturmpartner Mo Idrissou (und die genannten Ergebnisse können wir dann gerne am Ostersamstag und in am Sonntag darauf noch einmal wiederholen).

Glückwunsch an Jimmy Hoffer für seine feine Leistung - das letzte Wort bleibt Pirmin Schwegler: "Wir wollen unser Ding durchziehen und nicht locker lassen." 

Yep. Eintracht - immer eisern!

Kommentare

  1. Das "Die Tulpe" hier in Ffm noch dermaßen einschlägt, hätte ich vor Rückrundenbeginn nicht gedacht. Schande über mein Haupt. Aber seine momentane Leistung ist bärenstark und damit die Wahl zum "Spieler der Stunde mehr als ´gerechtfertigt. Hut ab!

    AntwortenLöschen
  2. Ich war skeptisch, hab mich dann vom Gegenteil überzeugen lassen und seine Fähigkeiten schätzen gelernt. Bin dann wieder ins Wanken gekommen. Ich glaub, dafür gibt es eine Erklärung: Wenn Hoffer schlecht spielt, spielt er auf eine Art und Weise schlecht, dass man sich nicht mehr vorstellen kann, dass das auch gut sein kann...ähem... ich hoffe(r), man kann verstehen, was ich meine?

    Jedenfalls: Das, was er kann, ist m.E. gerade, wenn aus aus dem Mittelfeld heraus kombiniert wird, sehr Spielfluss-fördernd - er ist ja nicht nur der Torjäger, er spielt mit (tut er!), er legt schon ab (in Berlin öfter mal nicht, aber meistens), er ist schnell und wendig. Ich muss mich jetzt nur noch dran gewöhnen, wie er spricht. Es ist nicht der Dialekt - ich bin jedesmal wieder erstaunt, wie wenig Stimme aus ihm herauskommt.

    Vielen Dank für deinen Kommentar, lieber Binding-trinkender Blogger-Kollege - du ahnst nicht, was heute in meinem Kühlschrank liegt. Doch. Ich muss das Geschmackserlebnis doch mal wieder testen...

    lgk

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Die nächste Strophe vom alten Reisbrei

Am Samstagabend höre ich im ZDF Sportstudio die Vorankündigung für das Spiel am Sonntag im Waldstadion. „Hannover kann morgen auf den zweiten Tabellenplatz vorstoßen“, verkündet Katrin Müller-Hohenstein. Tatsächlich? Was Sie nicht sagen. Und die Eintracht? Hey – hallo, das ist unser Heimspiel, und wir werden es gewinnen, weil nämlich dann wir es sein werden, die zu Hannover und zur Spitzengruppe aufschließen. Capisce? Und tatsächlich. So machen wir es. Impressionen vom Spiel: Patrick Ochs, der in der ersten halben Stunde auf der rechten Seite herum mannövert als habe er tatsächlich vor, was er vorher verkündet hatte: Sich festbeißen – und von dem in der zweiten Halbzeit nichts mehr zu sehen ist. Halil Altintop, der (auch in seinem eigenen Sinn) zur Halbzeit hätte ausgewechselt werden müssen, und von seinem Trainer, der voll hinter ihm steht, eine viertel Stunde vor dem Ende zum Abschuss freigegeben und – sichtlich um Fassung bemüht – regelrecht vom Platz gepfiffen wird. (Ja, ja.

Kleines Fußball-ABC - Heute "U" wie "Unterschiedsspieler"

Unterschiedsspieler, der (pl. (selten die); fußballneudeutsch für einen Spieler, der – wie der Name schon sagt – den Unterschied machen und ein Spiel entscheiden kann. Bsp .    → Rebic, Ante (Eintracht Frankfurt) , der in der ersten Runde des DFB-Pokals 2019/20 “ den aufmüpfigen Drittligisten Waldhof Mannheim quasi alleine in die Knie zwang. “ In der Regel ist der → Unterschiedsspieler ein Offensivspieler, aber auch Defensivspieler „mit einer starken Technik und einem guten Gespür für Räume imOffensivspiel“  können Unterschiedsspieler sein  -   Bsp.   → Baumgartner, Christoph TSG Hoffenhei m) , → Kimmich, Joshua (FC Bayern München) oder  →Kostic, Filip (Eintracht Frankfurt), der für seinen Trainer →Adi Hütter derzeit „der absoluteUnterschiedsspieler“ ist. Auch Torhüter  können den Unterschied machen ( Bsp. Neuer, Manuel, FC Bayern München ), was als Beleg dafür gelten kann, dass auch Spieler, die nicht der Mannschaft von →Eintracht Frankfurt angehören, →Unterschiedsspieler sein kö

Kleines Fußball-ABC - Heute "W" wie "Wandstürmer"

Wandstürmer, der (m), pl. Wandstürmer, die: Stürmer, „der oft mit dem Rücken zum gegnerischen Tor steht, die Bälle annimmt, auf die Außenverteilt oder für die nachrückenden Spieler prallen lässt.“   Im Unterschied zum → Stoßstürmer,  der Tore schießt und/oder köpft.  Ähnlich wie der → Stoßstürmer wird auch der → Wandstürmer gelegentlich synonym mit dem Begriff → Mittelstürmer verwendet.  Bsp.: „Bei Barca gab es nicht einmal mehr den einen klassischen Mittel- oder Wandstürmer.“ ,  was  in gewisser Weise erstaunt, weil der klassische Mittelstürmer eigentlich ohnehin   bereits ausgestorben  ist und einen Nachfolger im  → Stoßstürmer  gefunden hat.   Bsp.: „Anstelle eines klassischen Mittelstürmers agiert ein Stoß- oder Wandstürmer.“  Gelegentlich wird der Begriff → Wandstürmer eher despektierlich verwendet. Vgl.:   „Es gab das Kopfballungeheuer, den Billigbomber oder den Wandstürmer.“