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Adler trifft Adler

Früher machte man sein Abitur ziemlich am Ende des letzten Schuljahres, irgendwann im Frühjahr. In Zeiten der Bildungskrise geht alles etwas schneller. Ende Januar und – wuppdich - ist das Abitur schon so gut wie in Sack und Tüten. So auch bei einem meiner jungen Mit-Adler, der vor ein paar Tagen seine letzte schriftliche Klausur hinter sich gebracht hat und nach vollbrachter Tat nur noch eines im Sinn hatte. Was? ja klar: Feiern. Und so zog ein Trupp gleichgesinnter und ausgesprochen gut gelaunter junger Menschen ins Eisgrub zu Mainz, um dort die unfasslichen Mühen der vorangegangenen Wochen hinter sich zu lassen und die außerordentliche Leistung ausgiebig zum ersten (und bei weitem nicht zum letzten) Mal zu begießen.

Die Runde trank, lachte und blödelte ausgelassen vor sich hin – und so wurde eine Gruppe älterer Herren auf sie aufmerksam, die ein paar Tische weiter ihren Stammtisch abhielten. „Ei was habt ihr denn zu feiern?“ „Na da kann mer ja gratuliere…“ „Trinkt doch noch was… ihr seid eingeladen…“ So gab ein Wort das andere und aus zwei Gruppen wurde eine, die gemeinsam ein ums andere Schöppsche und Türmsche leerte. Sehr schnell stellte sich heraus, dass es sich bei den älteren Herren um eine weitgehend hessische Delegation handelte, die es aus paritätischen Gründen und nicht zuletzt wegen des hervorragenden Bieres im Eisgrub immer wieder einmal nach Mainz verschlug. Hessen rules. Ein Wort gab das andere – und schnell landete man auch beim Thema Fußball. Mein Mit-Adler outete sich als Eintrachtler, was mit lautem Hallo begrüßt wurde. „Ei , da biste bei uns richtig.“ Und „Da wend dich am beste gleich e mal an de Manni – der hat nämlich früher bei der Eintracht gespielt.“ Wie bitte? Bei der Eintracht gespielt? Manni, auf den sich meines Mit-Adlers Aufmerksamkeit jetzt natürlich richtete, nickte. „Ja, das stimmt.“ Ein bisschen genauer wollte man es jetzt doch wissen. Und obwohl Manni - ein gut gelaunter, freundlicher End-Fünfziger - sichtlich kein großes Ding aus der Sache machen wollte, war es ziemlich spannend, was da zutage kam.


Manni, genauer gesagt: Manfred Diehl, hat nämlich nicht nur einfach mal „bei der Eintracht“ gespielt, sondern er gehörte in der Saison 1970/71 – zusammen mit Jürgen Grabowski, Bernd Hölzenbein, Thomas Rohrbach, Gert Trinklein und wie sie alle hießen - zum Bundesligakader von Eintracht Frankfurt. Von den Darmstädter Lilien war er mit 21Jahren in dieser Saison zur Eintracht gewechselt. In einigen Freundschaftsspielen stand er mit dem Adler auf der Brust auf dem Platz - z.B. gegen den SV Hermannstein und beim 6:3 gegen die SG Betzdorf, wo er sogar ein Tor erzielte. Auch zwei Pokalspiele absolvierte er in dieser Saison für die Eintracht – in der ersten Runde gegen den FC Schweinfurt wurde er im Hinspiel für Jürgen Kalb, im Rückspiel für Karl-Heinz Wirth eingewechselt. Das war es dann aber auch schon. Nach (vielleicht auch noch während) der Saison verließ Manfred Diehl die Eintracht wieder und wechselte zur Spielvereinigung Bad Homburg, mit der er in der Saison 1972/73 den Titel „Deutscher Amateurmeister“ holte. Danach verliert sich die fußballerische Spur. Zumindest soweit wir sie - einige Tage nach dem Zusammentreffen im Eisgrub – mit Hilfe des Eintracht-Archivs (danke, Frank!) und auf Spurensuche im Internet rekonstruieren konnten.

Damit ist sie eigentlich schon erzählt, die kleine Geschichte einer unverhofften Begegnung, die mich – als mein Mit-Adler sie mir erzählte - sehr angerührt und gefreut hat. Aber noch nicht ganz, denn es gibt noch ein kleines Nachspiel. Vor ein paar Tagen flatterte nämlich ein Brief ins Haus. Absender: Manfred Diehl, der sich in einem launigen Anschreiben für das nette Beisammensein an jenem feuchtfröhlichen Nachmittag im Eisgrub bedankt und meinem Mit-Adler alle guten Wünsche mit auf seinen weiteren Lebensweg gibt. Beigefügt waren einige Autogrammkärtchen und ein Mannschaftsfoto aus ruhmreicher Zeit. Manfred Diehl sitzt in vorderer Reihe zwischen Thomas Parits, Ersatzkeeper Siegbert Feghelm und Jürgen Kalb und gickelt in sich hinein, gleich daneben lächelt Bernd Hölzenbein.

“Mainz ist ja nicht so groß - vielleicht sieht man sich mal wieder.“ Heißt es in dem Brief. Das hoffen wir sehr. Denn dann wird uns „de Manni“ vielleicht doch noch ein bisschen mehr davon erzählen, wie es damals war als junger Spieler zusammen mit Grabi und Holz auf dem Trainingsplatz zu stehen und den Kommandos von Erich Ribbeck zu folgen. Und vielleicht ja auch davon, dass man in einem Fußballerleben den Zipfel vom Glück schon in der Hand halten kann – und dann doch nicht alle Träume in Erfüllung gehen.

Kommentare

  1. Schöner Bericht.
    Gefällt mir wirklich gut.
    Adlergruß
    Martin

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  2. Wunderbar, Kerstin!

    Gruß vom Kid

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  3. Vielen Dank für das nette Feedback - freut mich sehr!

    Hatte gehofft, dass der ein oder die andere der hier Mitlesenden vielleicht doch schon mal etwas von Manni Diehl gehört hat oder ihn vielleicht sogar kennt. Anscheinend ja wohl nicht. Schade.

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  4. Gehört und gelesen. Viel wird es nicht sein, aber ich schaue mal, was ich an "Schnipseln" :-) finde und sende es dir per E-Mail. Ich bin zurzeit nur etwas knapp mit meiner Freizeit. Es kann also ein wenig dauern. :-)

    Gruß vom Kid

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  5. Danke Kid für die Rückmeldung!! Bin gespannt, was du da noch so zutage förderst - aber bitte: Mach dir keinen zusätzlichen Stress, es eilt ja nicht. Wann immer du mir etwas schickst - ich freu mich drauf!

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  6. Grandiose Geschichte & grandios erzählt. Das Herz geht mir auf. Wie wunderbar. Danke, danke, danke!

    Viele Grüße & weiterhin sichere Straßen,
    Fritsch.

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  7. Ja,ich habe heute Abend unseren Adler-BL-602-Spiele-Rekordspieler, Charly Körbel getroffen und wir haben beide über das Wetter(Schnee)gewettert.Wie sagte er,er wüsste vor lauter Schnee nicht-wohin mit seinem Auto und er müsste ständig Schnee räumen.Ich sagte zu ihm,dass es uns nicht anders ergeht und die Räumarbeiten hier katastrophal sind.
    Ist schon sehr erfrischend,wie einfach und auch sehr-sehr nett,dieser Mann rüberkommt,immer zu einem Plausch aufgelegt.
    Er ist ganz einfach gestrickt und wenn er mich sieht,kommt immer ein freundliches *Hallo-wie gehts rüber`.
    Das ist Eintracht und ich freue mich immer,wenn ich Ihn sehe.
    LG
    (B)

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  8. Liebe Kerstin,
    von Manfred Diehl hatte ich nie gehört. Aber die Geschichte ist einfach schön! Die Eintrachtwelt kann manchmal doch so klein sein. Ich mag diese Momente sehr.

    Liebe Grüße
    Nicole

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  9. Ich hab mich so über die Begegnung mit Manfred Diehl gefreut, dass ich unbedingt darüber etwas erzählen wollte. Deswegen freut es mich um so mehr, dass die Geschichte euch auch gefällt, grade auch für Manni Diehl, dessen Namen ich vorher ebenfalls noch nicht gehört hatte, der zur Eintracht gehört und wieder "auftaucht".

    Ich denk auch: Als Einrachtler ist man wirklich so was wie ein Teilchen in einem Kosmos, in dem sich immer wieder neue Konstellationen und Begegnungen ergeben und eröffnen. Manchmal bleibt alles in weiter Ferne (das muss es auch, damit es weiter verzaubert) und manchmal ist auch das Ferne ganz nah. Wie ja auch bei C-Willi, die mit Charly Körbel übers Schnee schippen schwätzt. Unglaublich :-)

    Danke!

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