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Vor dem Spiel der Eintracht gegen M1: Auftakt mit Henni Nachtsheim

"Ich sitz am Meer,
Schau in die Wellen.

Und sehne mich nach Frikadellen."

Nein – dieses Gedicht stammt nicht von mir, sondern von Hennes, dem Metzgerssohn. Der hat dereinst mit Henni Nachtsheim in der B-Jugend gekickt und sozusagen als Gegenschlag zum Pseudopolit-Gequake der „intellektuelleren“ Mannschaftskameraden („Ey, de Che Guevara, supä. Middem Moped war der unnerwegs, bei de Leprakranke.“) die Gedichtkeule ausgepackt. Die Geschichte von Hennes ist nur eine von vielen, die Henni Nachtsheim uns am Dienstagabend im Unterhaus in Mainz erzählt hat. Ja, genau – das war am 1. Dezember, also vier Tage vor dem Spiel, das sie in M1 schon mal gerne „Derby“ nennen und das für uns so unwichtig ist, das z.B. im Eintracht-Forum der - wie immer wunderbar gereizte - Vorbericht zum Spiel (Stand: 4.12., 19.32 Uhr) 6573 Klicks und 55 Posts zu verzeichnen hat (zum Vergleich: Vorbericht Hertha – 21 Posts, 1824 Klicks) und außerdem noch flankiert wird von „Wie geil seit ihr auf das Spiel gegen die Mainzer?“ (= 63/3856), „Das denkt der Gegner“ (244/30.117) und „Aufstellungen und Tipps gegen Mainz“ (112/7229). Nun gut.

Als wir am Dienstagabend im Unterhaus einliefen, hatten wir, ehrlich gesagt, etwas mehr Eintracht-Präsenz im Publikum erwartet – aber immerhin: Außer mir - in meinem Henni-Ankündigungsplakat-affinen-Grabi-und-Holz-Shirt - sichten wir doch noch einige – dort ein Schal, dort eine Kapp, hinter mir höre ich zwei junge Männer über die Eintracht schwätzen, na also.

Nein, macht Henni gleich zu Beginn seines Programms deutlich, nein: Bei dem, was er hier auf der Bühne veranstaltet, handelt es sich um keine Lesung aus seinem Buch. Trotzdem wird es sich nicht vermeiden lassen, dass auch mal von Fußball und in diesem Zusammenhang auch von der Eintracht die Rede ist – aber natürlich ist dieser Abend auch 05er verträglich. Ach wirklich? Schade.

Aber was interessiert den Hessen an sich sein Dummgeschwätz von eben? Er weiß ja, dass ihm als geborenem Futurologen („Wie sieht die Zukunft aus?“ – abwägendes Hin- und Herbewegen der nach vorne gestreckten Hand – Schulterzucken), in der Welt sowieso nicht die Anerkennung zuteil wird, die ihm eigentlich zustünde. Und trotzdem lässt er sich nicht davon abhalten, immer weiter zu babbeln, selbst wenn er naggisch und mit Helm auf dem Fahrrad mitten in der Nacht ein Rennen austrägt . Henni Nachtsheim ist zwar heute abend nicht nackt, trägt auch keinen Helm, stattdessen erhält er als Geschenk eine überdimensionale, selbst gestrickte rotundschwarze Unterhose - aber er ist Hesse. Und so schwätzt und babbelt er nicht nur den Engel, der ihm vor ein paar Monaten erschienen ist, in Grund und Boden, sondern auch sich fast ohne Atem zu holen durch sein zwei-stündiges Programm.

Live-Mitschnitte an der Leinwand im Hintergrund der Bühne zeigen, dass Henni Nachtsheim nicht nur schwätzen, sondern auch Fußball spielen kann. In den größten Stadien der Welt hat er gespielt, wichtige Tore geschossen. Ächt wahr? Das fragt sich vielleicht der junge Mann in der ersten Reihe, der – oops - leider noch nie etwas von Uwe Seeler gehört hat. Falls ihm auch Jürgen Grabowski nicht bekannt gewesen sein sollte – nach diesem Abend kennt er ihn und weiß, warum der Anblick des in der Hölle schmorenden Lothar Matthäus ein überaus erfreulicher ist. Warum die B-Jugend von Rödermark in ihrer Kabine vor jedem Spiel einen Esel schlachtete – das bleibt dagegen im Dunkeln. Ebenso wie Oli, der Freund von Hennis Tochter, der auf HipHop steht und Hennis Musik „old school“ findet. Weswegen es auch nur recht und billig ist, wenn er den nächtlichen Nachhauseweg durch den dunklen Wald - ganz „old school“ - zu Fuß zurück legt.

Zum Abschluss des Abends basteln wir alle gemeinsam eine Stadiongeräuschkulisse. Johlen. Jubeln. Rhythmisch klatschen. Schwätzen (Männer im Publikum: „Ei Gude Renate.“ – Frauen im Publikum: „Ei Guude Kall-Heinz“). Wir spielen Attila – Flügelflattern durch „Flattern“ mit der Unterlippe . Und wir buhen den Schiedsrichter aus (Henni: „Und alle – buuhhhh.“ Alle: „Buuuuuh.“ Einzelner Ruf aus dem Publikum: „Drecksau.“ Henni: „Also Drecksau war jetzt grad net gefordert.“) Aber wie sieht’s aus mit Singen? Henni meint: „Mir könne ja ganz neutral summe…“ Alle: „Mm mmmmm m m m m m - m mmmmmm…“ Summen? Ach, was. Zunächst noch leise, aber dann ganz deutlich und immer lauter schält sich aus dem Summton Gesang heraus: „Steht auf, wenn ihr Adler seid…“ singen wir – mein Mit-Adler, ich, die Dame mit Adler auf ihrem Shirt hinter uns, der neutral gekleidete junge Mann neben mir, der ältere Herr rechts. Und spätestens ein paar Minuten danach, als wir das Unterhaus verlassen, da hat es auch der letzte der möglicherweise anwesenden Mainzer verstanden. Da schallt es nämlich auch durch die Lautsprecher: Hennis, mein, unser Herz schlägt für Eintracht Frankfurt.

Kommen wir noch einmal auf Hennes, den Metzgerssohn zurück. Genauer gesagt: Auf das allererste Gedicht von Hennes. „Erst ess isch Worscht, dann hab ich Dorscht.“ - so lautet es. Und getreu diesem Motto beenden wir den Abend in der 05er-Kneipe gleich um die Ecke. Ebbelwoi gibt es hier keinen. „Aus dem Schlauch – in de Bembel – ins Geribbte – in de Härbärt.“ – für derart feine Rituale hat man hier keinen Sinn. Meenz bleibt halt Meenz. Und wir, wir sind Adler. Auch wenn das Spiel morgen so, ähem, unwichtig ist, wie schon lange keins. Sieg.

Kommentare

  1. Ein Teil des Programmes hat Henni bei seiner "Lesung" im Eintracht Museum zum Besten gegeben - das war großer Sport! Was anderes sollte ein nackter Fahrradfahrer auch sonst sein? ;-)

    An den Engel habe ich nur einen Wunsch: Sieg.

    Gruß vom Kid

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  2. So wie die 05er-Offiziellen und das Kiggesforum sich aufführen, kann der der gute Henni froh sein, daß er letzte Woche aufgetreten ist. Dies Woche hätte ihm wahrscheinlich irgendjemand mindestens den Strom abgestellt. Mit dem sog. Derby ist das wie mit unserer Goldische Meenzer Fassenacht: Im Ernstfall gibt es nichts mehr zu lachen!

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  3. **gg... Und wenn auch am Dienstag im Unterhaus bei der Stadiongeräuschkulisse "Drecksau" nicht gefordert war - dafür dann am Samstag im Stadion um so mehr. Und das war vielleicht kein großer Sport - aber Fußball, richtiger Fußball.

    Manchmal tragen Engel die merkwürdigsten Gewänder.

    Danke für eure Kommentare!

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  4. Celtix schrieb
    wie mit unserer Goldische Meenzer Fassenacht: Im Ernstfall gibt es nichts mehr zu lachen!

    als Aktiver (seit 31 Jahren) der Meenzer Fastnacht kann ich nur sagen hinter der Bühne wird schon lange nicht mehr gelacht.Nur noch Neid und Streit.Der Erfolg frisst das menschliche auf.
    Wie sagte doch Tegtmeier:
    Mensch sein-Mensch bleiben.
    Gott sei Dank halte ich dran

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