Hinter der Bühne parkt das Oskar-Mobil und dort steht jetzt auch schon Oskar, der gleich seine Rede halten wird. Wahlhelfer postieren sich mit roten und blauen Fahnen unterm Publikum. Ca. drei- oder vierhundert Menschen werden es sein, hätte mehr erwartet, gedacht, dass der ein oder andere einfach auch aus Lafontaine-Neugier kommt. Die hält sich offensichtlich in Grenzen. Lafontaine spricht. Hartz 4 (Nein, kein Aufruf, die Signale zu hören). Mindestlohn. Finanzkrise. Afghanistan.
Witzigerweise habe ich mich in den vergangenen Tagen mit der Analyse von Reden beschäftigt und kann jetzt meine Kenntnisse testen. Alles da. Anapher. Epipher. Klimax und Antiklimax. Exclamatio. Hyperbel. Ironie. Sarkasmus. Interjektion. Paradoxie. Pluralis auctoris. Rhetorische Frage. Imperativ. Nochmal: Rhetorische Frage. Imperativ. Beifall. Winken. Abgang. Noch einmal die Polkaholics. Die Menge löst sich auf.
Bilde mir ein, dass ich mich eigentlich ein bisschen auskenne in Frankfurt (Eschenheimer Anlage. Weiß doch jeder. Ist mitten in der City. Das werde ich schon finden.) Aber jemand, der sich, wie ich, wenn’s drauf ankommt sogar in seiner nächsten Umgebung schon mal verirrt, sollte mit solchen Aussagen vorsichtig sein. Nachdem ich also zum dritten Mal die Kaiserstraße, die Mainzer Landstraße und den Rossmarkt gekreuzt habe und die Uhr 8.20 zeigt, verfalle ich in leise Resignation. Biege hier ab, dort ab – kreuze durch – huch! - vollkommen verlassene finstere Ecken, ein japanisches Paar huscht über die Straße, ein Mann in Jogging-Hose mit großem Hund, eine Kneipe mit dämmrigem Licht, davor ein paar leere Tische. Plötzlich wieder erleuchtete Ladengalerien. Links? Rechts? Entscheide mich für links. Fahre wieder ins Dunkel und lande wieder am Main-Ufer. Obwohl ich jetzt heute schon zum vierten Mal hier vorbei komme, überwältigt mich dieses Mal der Anblick - der Eiserne Steg, das erleuchtete Museumsufer auf der anderen Main-Seite, die Lichter blinken auf dem Wasser. Überlege ob ich einfach aussteige, entschließe mich doch noch einmal Richtung Hauptbahnhof zu fahren. Wieder die Mainzer Landstraße. Rechts bin ich vorhin schon mal abgebogen. Richtung Messe ist falsch, ganz sicher. Halte mich halbrechts und finde mich auf einer Ausfallstraße wieder. Fünf nach halb neun. Jetzt gebe ich auf und fahre einfach weiter. Fast habe ich vergessen, warum ich eigentlich hier bin. Zubringer zum Rebstockbad, zur Messe. Menschenleer. Hochhäuser mit erleuchteten Fensterreihen.
Richtung Höchst, Grießheim? Egal. Fahren. Fahren. Fahren. Merke wie ich eine Art konzentrierte Entspanntheit falle. Keine Musik mehr. Nur ich, das Auto und die Nacht um mich her. Straßen und Lichter. Häuserreihen. Zwei knutschende Teenies neben einer Ampel. Wolkenformationen. Gefühl als sei da nichts mehr zwischen mir und der Nacht; es ist nicht das Auto, es bin einfach nur ich, die da durch die Schwärze der Nacht fliegt. Der Verkehr um mich herum wird wieder lebhafter. Autobahnzubringer, fädele ein. Passiere den Flughafen. Schemenhafte Gebäude, links und rechts. Hell erleuchtet das Steigenberger. Oder ist es ein Hyatt? Blinkende Lichter von den Masten. Abfahrt Rüsselsheim. Wie lange war ich nicht mehr hier? Warte auf das bekannte wehe Gefühl, das mich jedesmal einholt, wenn ich mich der Stadt nähere, in der ich aufgewachsen bin. Nichts. I can stand it. Vorbei am Friedhof. Hell leuchtet die Mauer. Fahre durch vertraute Straßen. Life - statt Live-Stream. Halte kurz an. Weiter. Auto wieder anlassen. Rechts, rechts und wieder links. Schön langsam. Hier wird überall geblitzt. Fahren. Fahren. Fahren. Wieder eine Brücke, dieses mal über den Rhein. Vorbei am Industriegebiet. Die schnurgerade Rheinhessenstraße. Wieder zu Hause. Halb 11. Steige aus und merke, dass mir die Beine ein wenig wackeln. Bin hungrig und müde wie ein Stein. Mir fällt ein, dass ich eigentlich losgefahren war, um mir den Eintrachtfilm anzusehen. Manchmal muss man aufbrechen, um zu bleiben. Taste nach der Eintrittskarte in meiner Hosentasche. Träume in schwarz und weiß. Irgendwie hat das Ticket auch ohne Kino seine Funktion erfüllt. Und den richtigen Film, den schau ich mir später auf DVD an.
Ja meine liebe Kerstin - fuer uns hat man das Navi erfunden.
AntwortenLöschenUnd noch ne Frage zu den Linken, konnte dich oskar ueberzeugen?
LG
Ralf