Jetzt läuft sie also die Weltmeisterschaft, und war ich
vorher eher betont „mir doch egal“ und wild
entschlossen, mir maximal einige ausgewählte Spiele anzuschauen, hat mich dieses Mal
überraschend schnell das WM-Interesse (Fieber wäre dann doch eine Nummer zu hoch
gegriffen) erfasst. Von Anfang an fügt sich das Spielgeschehen wunderbar in unsere
sommerlichen Abläufe, ist wie ein
kontinuierlicher Nebenton warmer Tage und langer Abende. Viel Arbeit,
schwimmen, offene Fenster und Türen, draußen sein, spätabends gefräßige
Schnecken von Blumen und Gemüsepflänzchen absammeln, Katzen, die sich wie
Erdferkel in Beeten wälzen, Bücher, Musik, Tagträume. Und Fußball.
Der Fastnachtsladen in Mainz hat längst nicht mehr nur
einmal im Jahr Saison. Haloween und Oktoberfest sind längst als weitere feste
Anker etabliert, derzeit haben Fankostüme Hochkonjunktur und wer mag, kann sich
dort als Fan ausstaffieren. Kernstück des Fanpackages ist die Wuschelperücke in
rotschwarzgold (je nachdem auch in blaugelb, grünrot, blauweißrot oder – huch -
grünweißrot). Dazu die Hawaikette in den entsprechenden Farben, zwei
Autofähnchen und – ebenfalls Standard – Farbtöpfchen für die Gesichtsdeko – fertig ist die Grundausstattung fürs Public
Viewing oder die Grillparty (oder ist das vielleicht doch schon Halloween?).
Wie immer bringen die Spiele eine Menge mehr oder weniger
überraschender Wiederbegegnungen und Erkenntnisse. Bert van Marwijk trainiert
die Australier? Das wusste ich bisher nicht. Durchaus bekannt war mir hingegen,
dass Ronaldo ein ziemlicher Arsch ist, aber beim Spiel gegen die Spanier wird
deutlich, dass er halt außerdem ein genialer Fußballer ist, da kann man nix
machen. Nicht zu fassen mit welcher Konzentration und Souveränität er den Freistoß kurz vor Schluss gegen die Spanier aufs Tor bringt. Platziert, hart - nix, aber
auch gar nix zu halten. Fasziniert betrachte ich das Muskelspiel – in seinem
Gesicht und an seinem Oberschenkel. Immer auf der Suche bin ich nach Spielern,
die nicht tätowiert sind. Die Spanier scheinen mir eher zurückhaltend bedruckt,
aber ich muss das noch genauer verifizieren. Zum WM- und generell zum
Fußballübertragungsstandard gehört, dass Oliver Kahn – hehe – zusammen mit
Oliver Weltke das Expertenteam fürs ZDF bildet. Täuscht das oder wird er
tatsächlich immer griesgrämiger und lehrmeisterlicher? „Warum muss ich mir all diesen Unfug anhören, fragt
doch lieber gleich mich“, scheint er zu fragen. Der schmallippig leicht nach oben gezogene
Mundwinkel und der leicht genervte Augenaufschlag sind ihm sozusagen ins
Gesicht gemeißelt.
Auch bei der WM kommt der Videoassistent zum Einsatz. Und es
ist erleichternd zu wissen, dass er nicht irgendwo in Nowosibirsk, sondern „hier
im Stadion außerhalb in einem Container“ sitzt. In der Bundesliga kaum vorstellbar – ich gehe
davon aus, dass der Video-Assistenten-Aufenthaltsort in Köln streng
geheimgehalten wird. Vielleicht sollten wir doch schon mal die Fangesänge
anpassen= „Assi, wir wissen, wo dein Container steht…“
Die Franzosen waren wohl ein bisschen zu sehr von sich
selbst überzeugt und enttäuschen in ihrem Auftaktspiel gegen Australien, Dänemark
punktet gegen Peru und die Urus zeigen, dass sich manches im Fußball eben doch
nicht ändert. Ein italienisches 1:0. Basta. Wenn schon nicht die Iren, zumindest die Isländer sind wieder da.
Reporter beim Schwenk in die isländische Fankurve: „Sie haben noch gar nicht
Huh gesagt.“
Das Wetter am heutigen Sonntag ist warm und wild. Die Sonne
sticht durch eine dicke Wolkendecke, die allmählich immer dunkler wird. Als ich morgens über Land fahre, ist in vielen
Nachbarorten bereits geflaggt, Balkons mit großen Fahnen, Fähnchen an den
Fenstern, Fahnenmasten im Garten, beflaggte Autos, sogar ein Hund mit
schwarzrotgoldenem Halstuch begegnet mir. Jogi Löw hatte am gestrigen Abend noch einige
Einblicke ins Mannschaftsinnenleben gegeben. Mezut Özil ist demnach fröhlich
und erzählt viele Witze. Das ist gut zu
wissen, denn beim Spiel gegen die Mexikaner haben dann auf einmal alle nicht mehr
so richtig viel zu lachen. Schon bei der Nationalhymne kann man irgendwie
sehen und hören, welche der beiden Mannschaften da heute etwas wissen will. Die mexikanische Startformation mit „dem
Frankfurter Pokalsieger Carlos Salcedo“ (das geht runter wie Öl), während
Feierbiest Marco Fabiàn auf der Bank Platz nimmt. Kommentator Oliver Schmidt berichtet, dass der
mexikanische Trainer Osorio ein brodelnder Vulkan sei, was man von Jogi Löw nun
wirklich nicht behaupten könnte. Die
Mexikaner flink, engagiert und zweikampfstark – die deutsche Mannschaft pomadig
und langsam. Gleich zu Beginn erhalten die Mexikaner einen Freistoß in „lukrativer
Position“, der zwar nichts einbringt, aber erst der Auftakt für mehr ist. Das
Jogi-Team steht schlecht gestaffelt, verliert einfache Bälle und im Mittelfeld klaffen große
Lücken, die das mexikanische Team immer wieder – Bruda – mit langen Bällen
überbrückt. Schade, dass sie vorne nicht mehr aus ihren Chancen machen. Die
Führung in der ersten Halbzeit ist hochverdient und Oli Kahns Mundwinkel stehen
noch etwas deutlicher auf „Habichsdochgewusst“.
Ein Hauch von Eintracht gegen Bayern liegt auch in der
zweiten Hälfte in der Luft, die Mexikaner machen dicht, die Deutschen zwar jetzt etwas stärker, aber
immer noch merkwürdig uninspiriert und ideenlos. „Die eine Mannschaft ist überlegen,
und am Ende gewinnen die Bayern..ähem… die Deutschen.“ Diese Regel hat wie‘s
aussieht fürs erste ausgedient. Abpfiff.
Jubel in Grünweißrot (und auch die Farbe der Fanperücke hat sich damit also bestens geklärt).
Neulich im Schwimmbad. Vor mir ein Elternpaar mit seinem kleinen
Sohn an der Kasse. Der Junge darf die Tickets kaufen. Für wen und wie viele? „Ein Kleiner und...“ kurzes Zögern… „zwei
Große.“ Anmerkung eines jungen Mannes
hinter mir: „Und wer genau sind jetzt die Großen?“ Eben.
Dann schauen wir mal wie’s weitergeht – mit dem Sommer, dem
Jogi, den Huhs und überhaupt.
In diesem Sinne: Hossa!
***Fortsetzung folgt.***
Bei dieser WM wird die deutsche Nationalmannschaft - viele Bayern - gegen jeden Gegner, bei dem Eintrachtler auf dem Platz stehen, massivste Probleme bekommen. Ist doch auch irgendwie naheliegend, oder?
AntwortenLöschenDanke für die wiedermal glänzend angerichteten Schnipsel, Kerstin. Freue mich auf die Fortsetzung. HUH!
... meint so ähnlich auch die SZ - hach, wie schee:
Löschen"Bundesliga-Mannschaft der Stunde ist aber eindeutig Frankfurt. Kein Spieler der Eintracht, weder Makoto Hasebe (Japan), Ante Rebic (Kroatien), Luka Jovic (Serbien), Gelson Fernandes (Schweiz) noch Marco Fabian und Carlos Salcedo (Mexiko) oder selbst der Bald-Frankfurter Frederik Rönnow (Dänemark) haben ihr erstes Turnierspiel verloren. Frankfurt oben, Bayern unten - da war doch was?
Es sieht so aus, als wolle die Bundesliga bei dieser Weltmeisterschaft noch einmal den Ausgang des DFB-Pokalfinales von Berlin nachspielen."
Un die FAZ hat es auch gemerkt: http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/eintracht-nationalspieler-bei-der-weltmeisterschaft-15654754.html
LöschenDoppel-Hach :)
Und jetzt treffe aach noch die vom Eintracht-Hoof Gejaachte zu Klaane ...
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