...und dann, nach dem Abpfiff, saß ich eine ganze Weile einfach nur da. Die Bilder im Fernsehen flimmerten vorbei, Sow, der auf dem Rasen sitzt. Trapp, der am Strafraum kniet. Unsere Mannschaft vor der Kurve. Gesänge, aber alles merkwürdig automatisiert und heruntergespult, oder? Die erstaunlich schnell durchgezogene Siegerehrung. Das etwas monotone Auf und Ab-Schwenken des Pokals der Leipziger Spieler, Genug davon. Wir machen die Glotze aus und gehen raus, setzen uns auf das Bänkchen hinterm Haus, trinken das ein oder andere Glase und schauen dabei in den Sternenhimmel.
Der Abend ist kühl es weht ein kräftiger Wind. Bin ich traurig? Ja klar, aber es ist keine wilde, verzweifelte Traurigkeit, wie ich sie von früheren Niederlagen, Abstiegen, enttäuschten Hoffnungen kenne. Eine leise Wehmut, die relativ schnell abklingt. Und ganz allmählich merke ich, dass ich vor allem eins bin: Erleichtert. Ich bin (traue mich kaum es zu denken) erleichtert, dass wir innerhalb so kurzer Zeit keinen weiteren Titel geholt haben. Ganz einfach, weil ich glaube, dass uns das nicht gut getan hätte. Es gibt Gegner gegen die ich "lieber" verloren hätte, aber wir müssen wieder lernen zu verlieren, auch gegen Leipzig. Und vielleicht müssen wir auch akzeptieren, dass ein immer wieder neu beschworener Risesenhype und 60.000, 80.000, 100.000 Fans nicht immer ausschlaggebend sind für den Erfolg in einem großen Spiel oder Finale. Vielleicht ja auch, den Dingen auf dem Platz, dem Wechselspiel zwischen Fans und Geschehen auf dem Platz, (so wie letzten Samstag im Spiel gegen Freiburg) einfach wieder öfter ihre eigene Dynamik lassen, statt die Dramaturgie und den Grad der Euphorie schon vorher medial festzulegen. Ich habe tatsächlich von (der Eintracht eher diffus nahestehenden) Menschen gehört, die Karten aus dem DFB Kontingent erworben haben, vor allem um in Berlin Eintracht-Fans zu kucken und bei der Party dabei zu sein.
Zum Spiel. Insgesamt ein eher zähes, schwaches Spiel ohne große Höhepunkte. Wir in der ersten Halbzeit mit kleinen Feldvorteilen, sehr diszipliniert und engagiert, dennoch hatten wir nach meinem Eindruck von Anfang an nie eine realistische Chance als Sieger vom Platz zu gehen. Es war ein Spiel, das in vielen Passagen an die Spiele der Rückrunde erinnerte. Die Leipziger haben sehr sachlich und klug gespielt, uns in der ersten Halbzeit auch mal kommen lassen, und in der zweiten Hälfte von unseren Fehlern profitiert. Da waren sie dann auch die spielerisch klar bessere Mannschaft, und bei uns ist einfacn kein Funke gesprungen. Übrigens - außer bei den Böllern - auch in der Kurve nicht. Wir wollten es, aber wir wollten es nicht so sehr, dass es hätte reichen können - und rein spielerisch war es eben gestern auch nicht genug.
Das ist nun also das Ende einer ereignis- und abwechslungsreichen Saison mit vielen, vielen Highlights, einer überaus schwachen Rückrunde und einem weiteren Sack voller Gefühle und Erinnerungen. Europacup (ist das wirklich erst ein Jahr her?), Champions League, das kurze Aufleuchten des Kolo Muani-Sterns am Frankfurter Fußballhimmel, Abschied von der bisherigen Nordwestkurve, Abschied von Oliver Glasner. Seit vorgestern ist er nicht mehr unser Trainer und hat es dann doch verpasst, titelmäßig mit Dietrich Weise gleichzuziehen. Seine Zeit bei der Eintracht war mega-erfolgreich - er wird immer derjenige bleiben, der uns nach so so langer Zeit zur Verwirklichung eines Traums geführt - und damit in gewisser Weise auch unserer glorreichen Vergangenheit ein bisschen den Glamour und die Einzigartigkeit genommen hat. Noch vor zwei Jahren waren die 80er, 90er Jahre der Eintracht in meinem Kopf und Herz so nah wie gestern. Jetzt hören sich die Geschichten von früher für mich an wie "aus der guten alten Zeit", ganz weit weg. Durch die jüngsten Meilensteine dewr Vereinsgeschichte ist das Vergangene jetzt (oder geht das nur mir so?) noch ein gutes Stück vergangener.
Trotz aller Erfolge hat Glasner es bei mir nicht geschafft, einen Platz in meinem Eintracht-Herz zu besetzen. Nicht erst seit den Aufreger-PKs der letzten Wochen ist (oder jetzt: war) da etwas in seiner Art und seinem Auftreten, das mich zweifeln lässt, aber das ist jetzt wahrlich egal - ich kann mich täuschen. Ich bin dankbar für das, was er mit und für uns erreicht hat, und wünsche ihm wirklich alles Gute auf seinem weiteren Weg.
Ende einer Ära? (Wie mir ein Adler-Freund geappt hat) oder einfach der richtige Zeitpunkt, um mal innezuhalten und uns auf uns selbst zu besinnen statt hauptsächlich von uns selbst berauscht zu sein? Es geht ja ohnehin immer weiter und wie immer bleibt alles anders. Neuer Trainer, neue Spieler, neue Ziele. Ich freu mich auf eine neue, vielleicht ja mal (soweit bei uns möglich) ganz "normale" Saison, mit Aufs und Abs, gerne auch mal mit ruhigeren Spielen - obwohl mit ruhig wird das so eine Sache. Ich bin echt gespannt wie sich die neue Stehkurve direkt neben uns, anfühlen und vor allem anhören wird. Und dann ist da ja auch noch der Conference-Cup, mit dem ich mich heute erstmal ein bisschen vertraut gemacht hab. Keine Reihe von Quali-Spielen, mit denen man sich (wie noch vor ein paar Jahren) direkt für die Euro-League qualifizieren konnte, sondern der ganz normal Eurocup-Modus mit Gruppenphasae und anschließender K.O.-Phase, nur halt mit etwas "kleineren" Gegnern. Potenziell mit vielen Mannschaften aus Osteuropa - Talinn oder Aserbeidschan, aber auch Prag oder Bukarest lassen grüßen - , und auch z.B. die Schweiz, Österreich, Belgien, Irland können mit im Topf sein. We'll see about that.
Und jetzt stürze ich mich erstmal in den Sommer. Wir lesen uns!
Liebe Kerstin, da schon so lange Stille in diesem feinen Blog herrscht, gehe ich davon aus, dass dein letzter Post auch ein Schwanengesang auf diesen Blog ist. Das stimmt mich ein wenig traurig, da ich hier immer gerne gelesen und auch ab und zu gepostet hatte.
AntwortenLöschenIch hoffe, dass es dir jetzt und in Zukunft gut geht.
Lebbe geht weida, wie ein bekannter "Philosoph" mal gesagt hat.
Ganz liebe Grüße von Mark
Lieber Mark, vielen Dank für den lieben Kommentar, den ich eben erst entdeckt habe... Ja, vermutlich ist es so, obwohl ich schon oft einen Anlauf genommen habe, den Blog wieder zu beleben. Es gäbe so viele Themen... Je länger hier Stille herrscht, desto größer ist die Hürde den Faden wieder aufzunehmen, aber ausschließen würde ich es nicht - und wenn, hoffe ich, dass du auch dann noch und wieder den Weg hierher findest und wir uns dann doch irgendwann wiedersehen bzw. wieder lesen. Bis dahin auch für dich alles Gute - und vielen herzlichen Dank für die Wegbegleitung :). Ganz liebe, einträchtliche Grüße von Kerstin
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