In unserer Tageszeitung habe ich in dieser Woche einen Bericht gelesen, über "My Zeil", die "Shopping Mall, die seit zehn Jahren die Frankfurter Fußgängerzone prägt". (Müsste das nicht eigentlich "mei Zeil" heißen, aber so what - hier geht es ja um Wichtigeres.) My Zeil, ist nämlich modernisiert worden und jetzt wurde in einem ersten Schritt der neu gestaltete Gastronomie-Bereich - "Foodtopia" - eröffnet. Und was soll ich sagen: Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Ereignissen im Stadtwald sind sicher rein zufällig und nicht beabsichtigt. Aber lest selbst.
Nur Fußball war vorgestern. Der Besuch des Stadions soll zukünftig"Teil eines Erlebnisses" werden. Und wichtige Schritte auf dem Weg zum Spiel haben Center-Manager Fredi Bobic und sein Team bereits absolviert. Bereits vor einigen Monaten wurde im Waldstadion der neu gestaltete Innenbereich, Footballtopia genannt, eröffnet. Weitere Events sollen folgen und das Sitz- und Stehplatzangebot von aktuell 50.200 auf 65.000 (?) erweitert werden. In Footballtopia wird nicht einfach nur Fußball geschaut, jedes Spiel wird "zelebriert". Der Aufenthalt der im Schnitt 50.000 Zuschauer soll dadurch verlängert werden, dass im Stadion-Inneren auf einer kleinen Bühne Choreos, Jubelorgien und Freudentänze abgehalten werden. Auch die Imbisswagen und Verkaufsstände auf dem Stadiongelände sind - als Teil der neu gestalteten Fanmeile - gefordert das Footballtainment-Konzept weiterzuführen. Im derzeit noch im Rohbau befindlichen Kino sind fünf Säle vorgesehen, in denen an Spieltagen der Pokalfinal-Film und die "Road to Baku"-Doku in Dauerschleife laufen. Das Eintracht-Museum mit kleineren Bildschirmen und persönlicher Betreuung sorgt dabei weiterhin für die "heimelige Atmosphäre". Anmietungen sind möglich. Der Center-Manager hofft, Unternehmen für Ihre Tagungen und Seminare ins Stadion zu locken. (Hier zahlt sich dann auch die Digital-Kooperation mit der Deutschen Bank aus, denn:) "Mittels elektronischer Chips könnten die Teilnehmer sich in den Pausen dann individuell verpflegen." Etwa auf den Balkonen und Aussichtsplattformen mit Stadion-Blick.
Da weht er also der Zeigeist und wie's aussieht, weht er überall in die gleiche Richtung. Einziger Riss in der Ähnlichkeit der Konzepte und Ereignisse sind für mich im Moment die Toilettenplanungen, die bei My Zeil ebenfalls bereits "von den beabsichtigen Fortschritten zeugen". Der Eintritt kostet 50 Cent, die den Besuch aber wert sind, und das "nicht nur bei entsprechenden Bedürfnissen." "Während sich die Frauen im vierten Obergeschoss in einem Spiegelkabinett mit vielen Grüntönen wiederfinden, dürfen Männer sich wie Feuerwehrleute fühlen und mit ihrem Urin sogar Flammen löschen." Mmh... also wenn dieses Modell auch aufs Waldstadion übertragen werden soll, dann bitte sehr das Spiegelkabinett für Frauen zumindest in rotundschwarz anlegen und wie wäre es für die Männer zum Löschen mit einer imaginierten Pyroshow?
Heute also gegen Hertha. Nach Fremd-Adlern und zahmen Wölfen heute dann also ein lahmender Bär bzw. lahmende Frösche. Wollen wir in die Champions-League? Geht bitte noch einmal einen Moment ganz ruhig in euch: Wollen. Wir. Das. Wirklich?
Na gut, dann bleibt uns nichts anders übrig: Heimsieg und drei Punkte für Europa, sonst gar nix!
Nur Fußball war vorgestern. Der Besuch des Stadions soll zukünftig"Teil eines Erlebnisses" werden. Und wichtige Schritte auf dem Weg zum Spiel haben Center-Manager Fredi Bobic und sein Team bereits absolviert. Bereits vor einigen Monaten wurde im Waldstadion der neu gestaltete Innenbereich, Footballtopia genannt, eröffnet. Weitere Events sollen folgen und das Sitz- und Stehplatzangebot von aktuell 50.200 auf 65.000 (?) erweitert werden. In Footballtopia wird nicht einfach nur Fußball geschaut, jedes Spiel wird "zelebriert". Der Aufenthalt der im Schnitt 50.000 Zuschauer soll dadurch verlängert werden, dass im Stadion-Inneren auf einer kleinen Bühne Choreos, Jubelorgien und Freudentänze abgehalten werden. Auch die Imbisswagen und Verkaufsstände auf dem Stadiongelände sind - als Teil der neu gestalteten Fanmeile - gefordert das Footballtainment-Konzept weiterzuführen. Im derzeit noch im Rohbau befindlichen Kino sind fünf Säle vorgesehen, in denen an Spieltagen der Pokalfinal-Film und die "Road to Baku"-Doku in Dauerschleife laufen. Das Eintracht-Museum mit kleineren Bildschirmen und persönlicher Betreuung sorgt dabei weiterhin für die "heimelige Atmosphäre". Anmietungen sind möglich. Der Center-Manager hofft, Unternehmen für Ihre Tagungen und Seminare ins Stadion zu locken. (Hier zahlt sich dann auch die Digital-Kooperation mit der Deutschen Bank aus, denn:) "Mittels elektronischer Chips könnten die Teilnehmer sich in den Pausen dann individuell verpflegen." Etwa auf den Balkonen und Aussichtsplattformen mit Stadion-Blick.
Da weht er also der Zeigeist und wie's aussieht, weht er überall in die gleiche Richtung. Einziger Riss in der Ähnlichkeit der Konzepte und Ereignisse sind für mich im Moment die Toilettenplanungen, die bei My Zeil ebenfalls bereits "von den beabsichtigen Fortschritten zeugen". Der Eintritt kostet 50 Cent, die den Besuch aber wert sind, und das "nicht nur bei entsprechenden Bedürfnissen." "Während sich die Frauen im vierten Obergeschoss in einem Spiegelkabinett mit vielen Grüntönen wiederfinden, dürfen Männer sich wie Feuerwehrleute fühlen und mit ihrem Urin sogar Flammen löschen." Mmh... also wenn dieses Modell auch aufs Waldstadion übertragen werden soll, dann bitte sehr das Spiegelkabinett für Frauen zumindest in rotundschwarz anlegen und wie wäre es für die Männer zum Löschen mit einer imaginierten Pyroshow?
Heute also gegen Hertha. Nach Fremd-Adlern und zahmen Wölfen heute dann also ein lahmender Bär bzw. lahmende Frösche. Wollen wir in die Champions-League? Geht bitte noch einmal einen Moment ganz ruhig in euch: Wollen. Wir. Das. Wirklich?
Na gut, dann bleibt uns nichts anders übrig: Heimsieg und drei Punkte für Europa, sonst gar nix!
Das liest sich ja eher wie Footballdystopia, das so perfekt durchdesignte und vermarktete Event - Perfektion und Banalität schließen sich hier keineswegs aus. Muss an den guten alten Heidegger denken und sein neuzeitkritisches Konzept des "Gestells" (wobei für ihn Neuzeit mit Plato beginnt : - ). Die Dinge ereignen sich nicht länger spontan und aus sich heraus, sondern werden kategorisch auf Perspektive gebracht im Rahmen von festgezurrten Koordinaten. Nun ist Fußball ja ein durch und durch unberechen- und unvorhersehbares und in diesem Sinne anarchisches Geschehen und deswegen ja so schön. Kann das auf Dauer zusammengehen? Dieser Versuch, die Anarchie selber in die Kalkulation zu bannen? Da könnte was hübsch Dämonisches bei rauskommen.
AntwortenLöschenVielen Dank, Kerstin, auch für den Stadionbericht. Der ist so aus Unmittelbarkeit heraus geschrieben, dass ich diese Atmosphäre lieber nicht unterbrechen möchte. Nur ein Wort zum leuchtenden Seppel. Gefällt mir, so hab ich es selbst am TV mitbekommen. Seppel in Aureole, der gewissermaßen transsubstantiierte Seppel. Er hat schon beim Hinspiel mit einer aberwitzigen Balleroberung/Grätsche weit in Benficas Hälfte auf links unser zweites Tor vorbereitet, mit unbändiger Willenskraft. Er. Wollte. Es. Wissen. Und hat im Rückspiel selber getroffen. Wenn ich je ein Willenstor gesehen habe, dann dieses. Eigentlich sind wir mit ihm und durch ihn ins Halbfinale gerode(l)t. Dieser Begriff passt aktuell: in Oberschwaben Schneefälle bis auf 800 m. runner. Dabei ist heute doch schon Weißer Sonntag.
Wenn man es so durchformuliert, ist es schon verblüffend wie sehr sich nicht nur Konzepte, sondern auch das "sprechen über" angleichen. Es heideggert und entbirgt sich überall gleichzeitig. Kein Außen vom innen mehr. Das, was du den anarchischen Kern des Fußball nennst, gibt es, glaube ich, nur noch punktuell im individuellen Erleben, vielleicht auch in den unteren ligen und auf bolzplätzen. Vielleicht gibt es aber auch Hoffnung und es wurde uns der Videoassistent geschickt, um diese Illusion wach zu halten. Der anarchistische Kern sitzt in Köln im Keller und dreht dort an Knöpfen.
LöschenIch bin wirklich fast sicher, dass der Gewinn des Europacup für dieses Jahr als Ziel in Freiburg Bobic Businessplan festgeschrieben ist (ich hab das hier ganz am Anfang der Saison schon mal formuliert, muss die Stelle mal raussuchen). Letztes Jahr stand da der Pokalsieger. Und darauf arbeiten alle hin, das Gestell steht. Ob es sich dann tatsächlich vollzieht, die emotionale Suggestion ausreicht, um das Ziel auch zu verwirklichen, bleibt eine Unwägbarkeiten. Anarchie wäre nicht, wenn es klappt, sondern wenn es nicht klappt. Oder?
Aber wenn es klappt, ist das wahrscheinlich herzlich egal :)
LöschenPs wg. Willenstor: ja, genau das wars!!! In meiner Willenstorhierarchie steht ein anderes Tor noch ein Stück drüber. Musste grad mal im Eintracht-Archiv schauen, wann genau das war. Saison 88/89, letztes Saisonspiel in Hannover. Wenn wir verlieren, droht der direkte Abstieg. Mindestens ein Unentschieden muss her, um den Relegationsplatz zu sichern. Hannover führt. Und dann kommt dieser Ball in den Strafraum und da steht Charly Körbel. Er kann den Ball eigentlich nicht bekommen, aber er will, will, irgendwie schraubt er seinen Hals hoch. Der wird immer länger, einen halben Meter lang. Und wenn es das letzte ist, was er tut. Dieser Ball, Dieser Ball. Und er ist drin! Irgendwie. Das Spiel endete 1:1.
AntwortenLöschenOh ja, Willenstore. Körbel, natürlich. Fjörtoft, das rettende 5. Tor in der 89. Minute gegen K'lautern - Wille mit einem erheblichen Schuss Wahnsinn. Schur, das rettende 6. Tor gegen Reutlingen in der 3. Minute der Nachspielzeit, ebenfalls Kopf, hochgeschraubt. Aktionen unmittelbar aus dem Eintrachtgen geboren. Es gibt spektakulärere Tore, schönere - aber solche wie die genannten sind am tiefsten im Gedächtnis verankert.
AntwortenLöschenIch glaube ich verstehe, was Du meinst, Kerstin, bezüglich des Anarchischen, dessen Refugium inzwischen die Bolzplätze sind. Es ist da, wo die Stadionwoschd meilenweit besser und ihr Preis umgekehrt proportional zur Höhe der Liga ist. Und ja, Anarchie wäre dann, wenns nicht klappt. Ich glaube aber, dass es den Wahnsinn, das Unberechenbare, Anarchische immer noch gibt, bis in die Spitze hinein, wie die elementaren Brennstäbe im Herzen eines hochartifiziellen Atomreaktors. Anders würden die Fantastillarden garnicht fließen. Bobic & Co. sind die Moderatoren, die Technokraten, die freilich um das Einzigartige dieser Kontingenz wissen und sie zu handeln, zu bändigen versuchen. Es ist ein kaltes Spiel um einen glutheissen Kern.
Und wenn's heute (!!) klappt - also, bevor wir uns schlagen lassen ... : - )