Geläutert nach durchlebter Katharsis? Trotz Kälte
irgendwie-doch-Frühlingserwachen? Der Schnee von gestern? Entspannte Stimmung nach einem bzw. vor dem nächsten Dylan-Konzert? Warum auch immer, so ist es doch wahr: ich freue
mich richtig auf das Spiel morgen gegen Augsburg und fahre voller Optimismus ins
Waldstadion. Klar, werden wir das gewinnen und den Schwung des deutlichen
Sieges mit ins Pokalhalbfinale nehmen und Gladbach aus dem Weg nach Berlin
räumen. Bis zu 20% erhöhte
Dauerkartenpreise? Ist doch super, damit unterstützen wir den Kauf von
schlagkräftigen Spielern für die neue Saison. Jesus Vallejo fällt für den Rest
der Saison aus? Macht nichts – wenn wir hinten ein Tor mehr bekommen, dann
schießen wir einfach vorne eins mehr. Und weil ich gerade so optimistisch und
entspannt bin, erzähle ich jetzt noch eine Eintracht-Geschichte, die ich vor
einigen Wochen erlebt habe und die mir seitdem schon manch heitere Minute
bereitet hat. Wenn ich mich nicht so gut fühle, genervt oder wütend bin (möglicherweise
sogar im Stadion), denke ich daran und – schwupp di wupp – muss ich lachen und
mir geht es wieder besser. Dieses Rezept will ich gerne mit euch teilen.
Im Stadion werden bekanntermaßen Lieder gesungen und - mitunter sogar situationsgerechte - Schlachtrufe
skandiert. Im Herzen von Europa, die diversen Europa-Lieder - von Mailand, Wien
und Rom bis Bordeaux. Wer nicht hüpft. Hey Eintracht Frankfurt. Kämpfen und
siegen. Schiiieß ein Tor für uns. Er (sic!) traf mit dem Kopf. Aus der Liebe zu
dir. Erbarme, zu spät. So ein Tag. Im Wald da spielt die Eintracht. Und –
natürlich: Schwarz und weiß wie Schnee (schee = #wasnquatsch). Wer oft, regelmäßig oder immer im Stadion dabei
ist, singt diese Lieder mit oder er lässt es – je nach Temperament und
Stimmungslage – bleiben. Jedenfalls kennt er in der Regel die Texte und wäre
also in der Lage mitzusingen, wenn er denn wollte. Die Texte sind eingängig,
zum Teil sehr witzig, mitunter sogar komplex, aber in der Regel so,
dass sich die Schlüsselbegriffe relativ leicht erschließen. Sollte man meinen.
Langer Rede, kurzer einleitender Sinn: Neulich sprach ein
lieber Adler-Freund, der gerne, aber eher selten live im Stadion ist, mich auf
den Text eines Liedes an, das er während eines Spiels gehört hatte. Zwischen
uns entspinnt sich folgender Dialog.
Er: „Wie genau geht eigentlich dieses Lied, das im Stadion
so oft gesungen wird. Schwarz und weiß wie…
Ich: (singend) „Schwarz und weiß wie Schnee, das ist die
SGE, wir holen den DFB-Pokal und wir werden Deutscher Meister.“
Er: „Ja, ja – schon klar. Aber davor…“
Ich: (singend) „Wir haben die Eintracht im Endspiel gesehn,
mit dem Jürgen, mit dem Jürgen. Sie spielte so gut und sie spielte so schön,
mit dem Jürgen …“
Er: (ungeduldig) „… ja, weiter…“
Ich: (schmetternd) … Grabowskiiiiiiii
Er: (freudig) „ Aaaach so. Mensch. Na klar…“
Ich: (neugierig) „Was hattest du denn verstanden…??“
Er: (leicht verschämt hüstelnd) "…ähem… Jürgen H. aus W.
Stille.
Wenn man es allein vom Metrum her betrachtet, durchaus verständlich. Ansonsten würde ich vermuten, dieser Adlerfan hatte bereits eine gewisse Konzentration von Apfel im Blut - beneidenswert.
AntwortenLöschenDen Optimismus für morsche teile ich. Wenn nicht dann, dann wann? HEIMSIEG!
Und es passt nicht nur metrisch, sondern der besagte Jürgen kommt ja sogar aus W. Das H. allerdings bleibt rätselhaft. Mein Adlerfreund dachte, es handele sich um eine Art Insiderbenamsung, die ihm bisher entgangen sei. Die naheliegende Lösung geriet damit aus dem Blick - ähnlich wie bei der Mannschaft im Moment der Blick aufs Tor. Heute nicht!
LöschenLuft angehalten. Luft geholt, Anspannung rausgebrüllt. Aufgeatmet. Und jetzt fahre ich nach Wiesbaden zu Mark Gillespie. Entspannen.
AntwortenLöschenIch konnte gestern nicht mal mehr brüllen, war einfach nur leer. Es war über 70 Minuten ein so unglaublich schlechtes Spiel. O5er-Freunde hatten mir vorab gemailt - von wegen "Heute steht ganz Mainz hinter euch" - und im HZ-Gebabbel dachten wir, es wäre wohl besser, wenn wir anfangen, den Bayern die Daumen zu drücken, damit uns nicht auch noch die Mainzer auf die Pelle rücken. Ich war so wütend und enttäuscht und erschöpft. 80 Prozent Ball Besitz? Vom hinten herum spielen. "Hradecky steht frei," hab ich mich schreien hören. Als der Ausgleich fiel und der Jubel um.mich herum losbrach bin ich einfach sitzen geblieben. Meine sitznachbarin hat an mir gerüttelt, geschrien. Ich konnte nicht. Beim 2:1 hat mich mein Vordermann in die Arme genommen und ganz fest gedrückt. Was für ein Wahnsinn. Und deutlich zu sehen, welche Last da auch von der Mannschaft abgefallen sein muss - alle direkt nach dem Tor, inklusive Bank in die Kurve. Erst auf dem Nachhauseweg ist auch von mir die Anspannung richtig abgefallen - Musik bis zum Anschlag und alles raus lassen.
AntwortenLöschenIch kann im Moment noch nicht daran glauben, dass dieses unsägliche Gespiele nur Ausdruck des Drucks war, der auf der Mannschaft gelassen haBen soll. Warum? Ich versteh es nicht und disses merkwürdig planlos Herumgeschiebe, das Veh-artige mal diesen, mal jenen ausprobieren und dann wieder in der Versenkung verschwinden lassen, diese Hilflosigkeit - all das kann ich auch nach diesem Sieg nicht besser reden oder vergessen. Aber jetzt ist erstmal durchatmen. Wir sind durch. Wir sind durch. Wir sind durch. Mal sehen, was wir daraus machen und ob wir noch Fußball spielen können. Am Dienstag wäre eine gute Gelegenheit dafür.
Nachtrag: ...Fußball spielen können oder wollen.
LöschenIch möchte mich für eine Floskel entschuldigen, die ich unbedacht geäußert habe:"..Augsburg,gg die wir schon immer traditionell gut ausgesehen haben " ist einfach Mist, denn zum einen stehen pro Saison sowieso nie die gleichen Spieler auf dem Platz und zum anderen geht das bei 0zu0 los. Und hier möchte ich die genervten Worte meines Kollegen zitieren:"ich hasse dieses blöde Geschwätz mit 'schon immer schlecht' usw.,wir haben eine gute Mannschaft, besser als der FCA und gehen in das Spiel, um es zu gewinnen! Fertig!!" Und Recht hat er. Er hat mich übrigens zur Einstimmung auf das Pokal-HF Mo und Di morgens mit Tankard beglückt, der wusste es irgendwie.
LöschenMir kommt es im Moment auch so vor als sei alles falsch, was ich in den letzten Wochen in Sachen Eintracht gedacht, geschimpft, befürchtet habe. Das stimmt natürlich nicht, aber es ist erstmal pulverisiert - im Moment einfach nur großes, überwältigendes Glück. Wahr und wahrhaftig nochmal ein Finale. Zum Verrücktwerden schön. Vor ein paar Wochen - ich glaube nach dem Spiel gegen Ingolstadt - habe ich gesagt: wenn mir jemand 100 Prozent sicher verspricht, dass wir ins Pokalfinale kommen, brauchen wir von mir aus kein einziges Spiel mehr gewinnen. Ist zum Glück nicht so gekommen, weil wir mit 36 punkten am ende in der Liga ziemlich alt ausgesehen hätten.
LöschenWg. traditionell: natürlich hast du recht - eigentlich ist so eine Aussage Quatsch, aber in einem höheren Sinn auch wieder nicht. Wissen wir ja alle, dass auch Vereine Charaktereigenschaften haben, die merkwürdigerweise - unabhängig von den wechselnden, handelnden Personen - unveränderlich sind. Bei der Eintracht kommt es - so said -grundsätzlich anders als man denkt. Jetzt muss ich mir nur noch überlegen, ob ich mit Blick auf Berlin denke: "Wir haben doch eh keine Chance." Oder: "Dortmund ist zu packen." 😊Tankard ist - wie's aussieht - auf jeden Fall wieder vor Ort dabei. Ist das traditionell schlecht (wg. Niederlage 2006) oder grad umgekehrt - weil ja diesmal in der Ostkurve und sowieso alles andersrum? Vom Feeling her hab ich ein gutes Gefühl :)
Können oder wollen, der Dienstag wird's weisen. Bin zuversichtlich und setze ganz auf den Doppelpass zwischen Balkan- und Azteken-Gen. Wenn sich dann noch beim Frühstück alle übrigen den spanischen Gutelaunebären anschließen, kann vollends nichts mehr schief gehen. Es darf geschielt und geschnuppert werden.
AntwortenLöschenUnd morgen? Ich bin mit meiner Tochter in der Festhalle und wir wissen gar nicht, ob das richtig ist. Gruß aus Ostwestfalen.
AntwortenLöschenGenau so geht es uns auch. Cross-eyed heart. Aber irgendwie hat das alles ganz sicher seinen tieferen Sinn. Und wenn nicht: Bob lässt uns sowieso keine andere Wahl. Wie war Amsterdam?
LöschenIch fand, es steigerte sich mit jedem Konzert. Wir hatten allerdings drei unterschiedliche Plätze im Saal, einmal vorne halbrechts, einmal Tribüne zentral und zuletzt vorne zentral. Das hat m. E. einen starken Einfluß.
AntwortenLöschenUnd inzwischen sehe ich nicht mehr einen Künstler, der mich für einen Abend in seinen Bann ziehen soll, sondern ich sehe ein Lebenswerk vor mir. Es begeistert mich immer noch, aber anders. Viel Spaß heute abend. Doppelt.
Der Spaß war definitiv doppelt 😊 In der Halle zwischendurch mit einem Ohr bzw. Blick am Ticker...Führung, Ausgleich. Konzert aus. "Stadionwurst" mit Blick aufs nächtliche Frankfurt. Zur Verlängerung im Auto. Beim Elfmeterschießen im rheinhessischen Hinterland. Scharf rechts ran im nächstmöglichen Ort - einer 05er Hochburg, in der bei Heimspielen geflaggt wird -, aneinander festgehalten und nach Hrgota so laut geschrien, dass im Ort die bereits erloschenen Lichter wieder angegangen sind.
Löschen@Bob: Meine Eindrücke und Gedanken sind sehr ähnlich wie deine. Bob war immer weit weg, aber trotzdem - auf diese eigene Weise - sehr nah. Es ist als ob er sich immer weiter in sich zurückzieht - wirklich auf der anderen Seite des Wegs angelangt ist. Sich einordnet in ein Ganzes, sich und das eigene Werk eingliedern. Umgekehrt gibt es auch dieses atemlose Untenstehen nicht mehr, die Momente, die direkt ins Herz gehen, sind rar. Things have changed - das ist nunmal so. Das Publikum hat sich verändert, mehr wie ein Theaterpublikum, kein Geschimpfe mehr - auch nicht von denen, die erkennbar anderes erwartet hatten und denen es nicht gefällt. Respektvolle Ehrfurcht. Der alte Mann. Man hat "ihn" jetzt auch mal gesehen.
Ich bin ein bisschen traurig, dass Bob sich für die Vollendung seines amerikanischen Songbooks auf Swing- und Sinatraklassiker kapriziert, statt auf Robert Johnson, HanK Williams, Woody Guthrie. Das wäre vielleicht zu naheliegend. Ich mag seine Interpretationen, auch die Triplicate, aber es geht weitgehend spurlos an mir vorbei.
Das alles ist sehr berührend - wie du sagst: man schaut einem großen Künstler dabei zu, wie er sein Lebenswerk abrundet. Trotzdem suche ich in den Konzerten "meine" Momente - der diesjährige Auftakt mit dem Gitarrenset von Stu Kimball aus dem off ist großartig - die ersten vier Songs, Tangeled up in Blue (wow!), Desolation row, auch mit den early roman kings hat diese tour mich versöhnt - mehr als ein Hauch von middy waters und so viel spielrsum für die Band, Charlie Sexton (weißt du übrigens, dass er in "Boyhood" mitspielt?) Ich glaube, ich verstehe, Bobs Konzept, da ist so viel schönes - trotzdem finde ich die Konzertdramaturgie nicht glücklich. Wie du sagst: vieles hängt davon ab, von wo aus man sieht und hört. Die Festhalle ist definitiv zu groß für diese Art Konzert. Generell hasse ich es, jetzt immer sitzen zu müssen, will mich bewegen können und bin glücklich wenigstens die Zugabe jeweils vorne stehend erlebt zu haben.
Wie auch immer: Die Dinge werden sich weiter verändern. Solange Bob tourt, sind wir weiter dabei. Ganz sicher.