Wie sich unsereiner über den NSA- oder Handyabhör-Skandal
und über ausgeklügelte Überwachungsmechanismen wundern kann, ist mir vollkommen schleierhaft. Die Geheimdienste müssten doch bescheuert
sein, wenn sie mit hochnotgeheimen Methoden für bestimmte Zielpersonen nicht zumindest ungefähr die Menge und Qualität an digitalen Informationen zutage fördern
könnten, die jeder von uns ohnehin mit Freuden und freiwillig täglich öffentlich
zugänglich macht. Wir haben ein Google Konto, nutzen Google Drive, Google Maps,
Google now. Planen Routen. Shoppen – gerne auch mal per One-Stop-Click. Teilen Inhalte, die uns besonders gut
gefallen mit anderen. Sind bei What’s app, Facebook und Twitter, Xing und
LinkedIn, liken, skypen, lesen
Zeitungen, organisieren unsere Termine, teilen anderen gerne mit, wo wir uns gerade
aufhalten, schauen Filme und Livestreams, laden uns Software und Guidelines
herunter, markern Favoriten, abonnieren
Newsletter, nutzen die Dropbox für unsere Fotos und Dokumente, posten und
kommentieren und je besser alles, was wir im Netz machen, miteinander vernetzt
ist, umso einfacher wird unser Leben und desto geschlossener und komfortabler
ist der Kreislauf, in dem wir uns bewegen, desto enger zurren wir den Kasten,
in dem wir sitzen und den wir – cool! - mobil mit uns herumtragen können.
Was wir gestern geliket, gegoogelt, gebucht
haben, begegnet uns am nächsten Tag als Empfehlung, versorgt uns
fortlaufend mit Informationen, jede Seite im Netz, die wir einmal angeklickt
haben, verfolgt uns mit Angeboten, Ad ons, Pop ups, Newsbannern. Egal wohin wir kommen, wir sind schon da. Wir nutzen Apps, um die wichtigsten
Informationen zur Bewältigung unseres Alltags immer griffbereit zu haben: Die besten Döner in Town, eine nahegelegene
öffentliche Toilette, die Stauprognosen zwischen 14 Uhr 12 und 15 Uhr 26 oder
die Öffnungszeiten der Imbissbude auf dem Gipfel des Mount Everest. Die
Berichte, die wir lesen, sind auf unsere Interessen zugeschnitten. Mundgerecht
werden wir mit den gleichen Inhalten auf
wechselnden Content-Kanälen unterschiedlich
„bespielt“. Das Netz weiß, ob wir uns in der Regel eher morgens, abends oder
nachts durchs Netz zappen. Wie lange wir uns auf welchen Seiten aufhalten.
Welche Bilder, Texte und Videos wir anklicken. Von wo her wir kommen, wo wir
landen, wohin wir gehen.
Sollte jemand auf den Gedanken kommen, dass dadurch seine
Privatsphäre gefährdet sei, weil er als Individuum, mit allen Facetten seiner
Persönlichkeit der Öffentlichkeit ausgeliefert ist, dann kann ich ihn oder sie
beruhigen: „Your are invisivible now, you’ve got no secrets to conceal.“ Und überhaupt geht es ja gar nicht um
Menschen bzw. „psychische Systeme“ (Luhmann) - es geht um kommunikative Units. Je
kommunikativer und interaktiver wir sind, desto mehr Datenspuren hinterlassen
wir, desto besser können wir verortet, versorgt, bedient, mundgerecht beliefert
werden. Das ist praktisch. Und so können
wir zumindest sicher sein, dass wir, wenn auch nur noch selten da, wo wir sind,
zumindest von außen erkennbar „da“ und noch nicht durchs Raster gefallen
sind. Teil des Systems, jederzeit
anschlussfähig. (Luhmann hätte seinen Spaß daran).
Letzte Woche ist mein Smartphone gecrasht, vor ein paar Tagen habe ich mein
neues Gerät in Betrieb genommen. Hurra,
es geht nichts verloren – alle mein Kontakte, Fotos, Apps sind ja auf der MicroSim gespeichert, die ich einlege.
Einloggen – los. Und ich klicke mich vorschriftsgemäß durch sämtliche Konten,
Accounts, AGBs. Authentifzieren.
Synchronisieren. Bestätigen. Kompatibilisieren. Zusätzlich herunterladen (noch
besserer Service). Aktualisieren. Harmonisieren. Auf X und Y zugreifen.
Kopieren. Speichern. Ja. Nein. Nein? Dann geht es hier aber nicht weiter. Ach
so? Ja, dann: Ok. Weiter. Zurück. Klick. Aufklappen. Widget. Wusch. Mist. Funktioniert doch nicht. Wieder zurück.
Zustimmen? Ok. Hurra, geht ja doch. Jetzt nur noch fünf Aussagen respektive fünf
Kästchen, denen ich per Klick zustimmen muss, dann ist der Anmelde- und
Synchronisierungsvorgang beendet. Aber –
hey – ich kann den Weg auch verkürzen, denn da, ganz oben, da steht es, einfach
so, schwarz auf weiß und schörkellos,
einfach anklicken und ich bin alle Sorgen los.
⃝ Ja, ich stimme allem zu.
Na, dann – keine weiteren Fragen.
Ja, ich stimme allem zu. Zu allem, was da oben so steht. ;-)
AntwortenLöschenSchmeiß dein Smartphone weg. Oder verschenk es. Es macht nicht smart, auch nicht dumm, nur abhängig. "The greatest trick the devil ever pulled was convincing the world he didn't exist", sagt Kevin Spacey in "The Usual Suspects". Und der größte Trick der "Industrie" ist es, die Menschen glauben zu machen, es ginge nicht(s) ohne Smartphone. Doch es geht ohne. Und es fühlt sich gut an. Du kannst es mir glauben. :-)
Ob man das Smartphone wegschmeißt oder nicht, mag dem eigenen Frieden hilfreich sein - aufs große Ganze ändert es nichts. Ich habe vor Jahren mit meinem Doktorvater wilde Kämpfe in Sachen Erkenntnisgehalt der Luhmannschen Systemtheorie ausgefochten. Er pro, ich contra. So ganz bin ich auch heute noch nicht bereit zu kapitulieren. Aber ich fürchte: Er könnte mehr recht haben als mir lieb ist. Es gibt kein Außen. So lange wir (im digitalen Zusammenhang klingt das ja wirklich, als ob das Wort zu sich selbst findet) „anschlussfähig“ sind, sind wir drin, wenn nicht, sind wir draußen. Und das bedeutet im Luhmannschen Sinne: Nicht existent. Auch nicht schön.
AntwortenLöschenLuhmanns Sinn ist mir gleich. :-) Ich vertraue lieber auf das, was ich erlebe und empfinde. Und so bin ich lieber draußen als drin, wenn es mir drin nicht gefällt.
LöschenUnd was diese Technik mit der „Anschlussfähigkeit“ anstellt, erlebe ich, wenn Menschen in einer Kneipe, einem Konzert oder einer Konferenz mehr mit ihren Smartphones kommunizieren als den Anwesenden.
Übrigens hast du Recht: Am großen Ganzen ändere ich nichts. Das macht nichts. Wenn ich meinen Frieden finde, reicht mir das allemal. :-)