Der Donnerstag, der so ein glückliches Ende finden sollte, fing so an wie im Moment
meine Tage immer anfangen: Hellwach und sehr, sehr müde. Mein Schreibtisch,
mein Kopf – zum Glück – voller Arbeit,
Ideen und Projekte. Die Tage sind lang, die Nächte kurz. Schreiben,
recherchieren, basteln, abstimmen, konzipieren, korrigieren, redigieren. Mails, Texte,
Telefonate, Scribbles. Ja, ja. Nein, nein. Ganz anders. Ja, genau so. Dazwischen: Rotundschwarze
Tupfen aus Porto. Eintracht-Forum. Facebook. Mails. SMSe. Mittwoch: Chillen am Strand und in Straßencafés. Hotels. Panoramabilder. Trainingsfotos aus dem Stadion, Fotos von
Gässchen und Winkeln.Donnerstag: Frühstück, Gang durch die Stadt. In Porto regnet
es Bindfäden . Von knapp 7.000 Entrachtlern in Porto ist die Rede. Annähernd
Bordeaux-Dimensionen. Wahnsinn. Wie durchgeknallt ist das denn?
FC Porto - Traumlos. Portugal - ein Traumziel. Trotzdem war bei mir von Anfang an klar, dass ich nicht mit fliegen würde. Zeitlich keine Chance, so mal eben fünf/sechshundert Euro? Mmh... und – ja - auch ein paar grundsätzliche
Überlegungen, von wegen Eurohype und Werder ist wichtig. Also stattdessen im Netz und vor dem Fernseher. Das Spiel gegen
Dortmund in den Knochen.Vorfreudig und doch vom Zweifel angekränkelt. Bilder von Porto im Regen. Eintracht-Entchen
zwischen Portweingläsern. Baah, kann mich nicht wehren, da ist es doch das Kribbeln, die leise Sehnsucht – dabei sein. Menschenskinders. Wir. Ein beeindruckendes Bild wie die Adler aus allen Ecken zusammentrömen, von hier, von da, viele, ganz viele, sehr, sehr viele.
Kurz nach Sechs – uff, Abgabetermin geschafft! Gleichzeitig die ersten
Bilder vom Eintracht-Sammelplatz vor dem gemeinsamen Weg zum Stadion. . Fotos
vom Anmarsch. Eine scheinbar endlose Menschenschlange, die auf
einem Weg am Fuße von Klippen am Meer entlang marschiert. Mehr. Meer. Dann der Wechsel
auf eine Straße. Post: „Die Autobahn ist für die Eintracht abgesperrt.“
Klinke
mich aus. Konzentrier dich Kerstin, du must noch ein bisschen was arbeiten. Um zehn nach
halb 9 setze ich ein Ausrufezeichen unter meinen Text. PC aus. Meine Augen brennen. Wasser ins Gesicht, Europa-Shirt über den Kopf
ziehen, Eintracht-Schal um den Hals und nichts wie ab vor den Fernseher.
Das Stadion ist nur halb gefüllt, die Eintracht-Kurve
randvoll. Interviewgeplänkel. Anpfiff. Wir. Porto. Starre konzentriert auf den Bildschirm, versuche alles aufzunehmen - ***Pirmin, unglaublich,dass der echt dabei ist, an dem Alex sein Bändsche im
Haar muss ich mich erst noch gewöhnen, was machen Rode? Sebi – heeeey*** - und merke dann doch wie ich abschlaffe. Wir
mühen uns, konzentrieren uns auf die Defensivarbeit. Die spärlichen Konter sind
harmlos, die Pässe unpräzise.. Die Portugiesen haben viel Platz, spielen straight
und schnörkellos, sehr ballsicher, wirken durchweg sehr athletisch, Jackson
könnte auch in einer Footballmanschaft stehen. Trapp hat mehrmals Gelegenheit
zu zeigen, dass er heute einen guten Tag hat. Das Übergewicht von Porto wird stärker,
stärker und lässt dann nach. Sieht so aus, als könnten wir das 0:0 in die Pause
bringen. Dann, kurz vor der Halbzeit doch noch das 1:0. Rode verliert dabbisch
den Ball, Jung kommt nicht mehr dazwischen, Quaresma zieht mit viel Gefühl ab, Bogenlampe, der Ball
wird lang und länger, rechts in lange Eck, unhaltbar. Ein grandioses
Tor, nix zu machen. Ob wir da noch mal zurückkommen können. Ein 1:1 das wär’s.
Gehe in der Halbzeit ein paar Schritte hinters Haus. Durchhalten, wach bleiben. Strecke mich, reibe die Augen. Baah, wie bin
ich müde. Es ist mild. Leichter Wind.
Ein paar Regentropfen. Unsere Katzen haben schon voll auf Frühjahrsmodus
umgeschaltet. Mäh. Miau. Ich gehe wieder hinein.
Die Mannschaften kommen aufs Feld. Von der ersten Minute an
ist irgendetwas anders. Die Körpersprache, Körperspannung. Ruck, sprichwörtlicher. Das sieht aus wie Fußball, wie ein Spiel, in
dem es um etwas geht. Tatsächlich, wir können das noch. Wir können wollen, rücken jetzt gestaffelter auf. Wach. Aufmerksam. Das Spiel nimmt Fahrt auf. Joselu. Russ. Hey, wir haben Torchancen. Aber auch die Portugiesen wollen erkennbar den
Sack zumachen – ***großartig wie Meier und
Joselu nach hinten mitarbeiten – vielleicht geht da doch noch was für uns - wie wäre es, wenn wir einfach mal eine unserer Chancen nutzen***. – und dann ist von einer Sekunde auf die andere doch
alles vorbei. Das zweite Tor für die
Portugiesen. Dieser blöde Freistoß.
Varela. 2.0. Das war’s dann wohl. Aus die Maus, die europäische.
Ich
hänge jetzt mehr in meinem Sessel als ich sitze. Der Eintracht-Block singt und
ich denke, dass alles seine Zeit hat und heute wohl nicht unser Tag ist. Gleich
wird Porto noch das dritte oder vierte Tor machen. Tschüss Europa, der nächste Donnerstag ist
Makulatur. Ok, war ja zu erwarten und am Sonntag ist Werder, das ist wichtig. Und
dann. Und dann...
Jaaaaaaaaaaah. Joselu. War ich das, die da eben schlaff und
resigniert im Sessel gehangen hat? Jetzt fliege ich hier oben, direkt unter der
Decke. Was machen die denn da? Die wollen doch nicht etwa? Barnetta kommt für Rode.
Ich stehe jetzt. Senkrecht. Hellwach.
Adrenalin bis in die Haarspitzen. Ecke. Der Ball kommt von rechts. Getümmel vor
dem Tor. Der Portugiese köpft oder ist das Madlung? Da ist Russ, ein Blauer,
Russ, der Torwart hangelt. Drin, drin, der Ball ist drin. Ich schreie, hüpfe, stehe dann einfach nur still, recke die Arme in Luft, Schauder über dem Rücken. Ist das wahr? Echt? Hüpf und kreisch mit Zeitverzögerung. Schlage meinem Mit-Adler sinnlos auf die Schulter. Spielertraube, ungläubige,
glückliche Gesichter. Jubelnder Veh. Es
ist der Wahnsinn. Wir haben das Ding
tatsächlich umgebogen. Wir sind zurück. Voll da. Waren nie weg. Seppl Rode und
Sebi Jung nach dem Spiel: Glück aus
allen Poren, Fasern, Mundwinkeln.
Heute morgen in meinem Mail-Eingang eine Mail mit
Amazon-Empfehlungen: „Cinderella 2.
Träume werden wahr.“ Perfektes Timing. Und um möglichen Zweifeln gleich
entgegenzuwirken: So packen wir auch
Werder. Ganz, ganz sicher - Bunkt. Ausrufezeichen!
Ja, Cinderella, alles klar für morgen!
AntwortenLöschenDie Jungs haben gezeigt, dass sie unbedingt wollen. Und wenn sie das tun, können sie meistens was erreichen.
LG Nicole
Ruckedigu, ruckedigu... irgendwie war da wohl Blut im Schuh...Was e Elend!
LöschenSicher bin ich mir nicht. Aber - wieder - zuversichtlich. Bremen können wir schlagen.
AntwortenLöschenIch lag nicht ganz falsch: Wir können Bremen schlagen. Aber wir haben es - trotz einstündiger Überzahl und einiger guter bis sehr guter Chancen - nicht getan. Kaum Ideen, kein Tor und am Ende nur ein Punkt kosten mich wieder etwas von der frisch zurück gewonnenen Zuversicht.
LöschenJa, du liegst nicht nur nicht falsch, sondern richtig. Wir hätten Bremen nicht nur schlagen können, sondern schlagen müssen. Ich war ja noch deutlich optimistischer als du, dachte, dass das Spiel in Porto uns jetzt auch ligamäßig wieder in die Spur gebracht hätte. Aber die Spur ist anscheinend nicht vorhanden. Irgendwie wird aus dieser Saison keine Saison, es bleiben einzelne Spiele und erst ganz am Ende werden wir einen Strich drunter ziehen können und kucken, wie sich das eine mit dem anderen aufrechnet. Selbst die absurdeste Kombination - Absteigen und gleichzeitig Europacup-Sieger werden - scheint nicht ganz ausgeschlossen.
AntwortenLöschenlgk (sehr, sehr nachdenklich)
Hallo Kerstin ,hab dich gegen bremen vermisst! Aber scheinbar hattest du den siebten Sinn!Grotenschlecht!
AntwortenLöschenJetzt hat es mich erwischt und daß ausgerechnet gegen Porto!
Hab aber alle Hebel in Bewegung gesetzt, daß Paul sein Europafeeling aufsaugen kann, kämpfen und siegen oder vielleicht ein 1:1.
Freue mich auf eine existente Kerstin am Sonntag!!
Nur die SGE
liebe Grüße
Thomas
Lieber Thomas, hab mich so über deine Nachricht vor dem Spiel gefreut - natürlich nicht darüber, dass du nicht dabei sein konntest. Ich hätte diesen Abend - gerade weil er so ausgegangen ist- sehr gerne mit dir und euch erlebt. Bin sicher, dass Paul trotz aller Traurigkeit hauptsächlich stolz auf seine Eintracht war und ist.
AntwortenLöschenBis gleich im Stadion, lg Kerstin (zwar immer noch grässlich erkältet, aber zweifelsfrei existent)
Nachtrag nach dem Sieg gegen den VFB: Heeey Paul - siehst du - heute waren sie am Ende da, die 10 Prozent mehr :)
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