Heute also: Mainz. Die Eintracht kommt – für mich, die ich
in der Nähe von Mainz wohne, ein etwas anderes Auswärtsspiel. In der Stadt ist
heute einiges geboten. Es ist verkaufsoffener Sonntag, in der Innenstadt haben
alle Geschäfte und Kaufhäuser geöffnet, hier ein Büdchen, dort ein
Bratwurststand, hier eine Verkaufsaktion. Viele, viele kauf- und bummelwillige
Besucher werden erwartet – und die Eintracht. Ui. Das Drumherum versprüht mehr
als einen Hauch von Asterix und Obelix. Überall in der Stadt formieren sich
Züge und Gruppen, die von hier nach dort laufen oder fahren und sich dann sternförmig
dem Stadion nähern:
Da sind zunächst die 1000 Polizisten, die sich übers Ort
verteilen – am Bahnhof, am Rheinufer, in der Innenstadt. Am Schillerplatz findet eine Hochzeitsmesse
statt, rund um den Fastnachtsbrunnen ist eine Art Catwalk aufgebaut, auf dem
Brautmoden vorgeführt werden. Um 13 Uhr schmettert ein Tenor seine Weisen. Yeah. Gleich um die Ecke, am Domplatz versammeln sich
die 05er, die „Präsenz in der Stadt“ zeigen und von dort aus gemeinsam Richtung
Stadion marschieren. Hinunter zum Rhein, die Rheinstraße, ein Stückchen weiter Richtung Rheinallee. Dort – in Höhe Kaisertor – werden in knapp vier Stunden die Eintrachtschiffe anlegen.
Die Anlegestelle ist – von wegen verkaufsoffener Sonntag – in diesem Jahr so
gelegt worden, dass die Eintrachtler ohne Innenstadtberührung direkt in die
bereitgestellten Busse gepackt und – wie ich vermute: mit einer Polizeieskorte
– Richtung Stadion verbracht werden können.
Überhaupt: Die Schiffe... Sie schwirrten gestern beim Einkaufen schon durch die Stadt. Fast schien
man es sich hinter vorgehaltener Hand zuzuflüstern: Hilfe - die wilden Horden
kommen und entern die Stadt. Erbarme – zu spät...
Mini-Flashback
Samstag, 27. April 2013. Mainzer Innenstadt. Es regnet. Ich habe meine Eintrachtregenjacke an, stehe vor einem
Buchladen und stöbere ein wenig. Mir gegenüber eine blonde, kurzhaarige Dame im
modischen Trench, die gerade telefoniert. „Wir sind ja schon so aufgeregt“,
höre ich sie sagen, „Mir ist ganz schön mulmig....“ Aha, vor was denn wohl?
„Na, du weißt doch. Die Frankfurter kommen mit dem Schiff." (Imaginärer Hörer am anderen Ende der Leitung: Mit dem Schiff??) "Das Schiff legt
direkt bei uns an, nur 50 Meter entfernt von unserer Wohnung.“ (Ach, du Schreck,
das ist ja furchtbar.) „Ja, wir wissen ja gar nicht, was da auf uns zukommt. Ich
hab wirklich Schiss.“ (Das kann ich gut verstehen, nur Mut). „Ja, ja – wir werden es schon überstehen. Drück
die Daumen. Tschüüss.“ Beendet das Gespräch. Dreht sich um, schaut mir direkt
ins Gesicht, mustert mich.Sie zuckt zusammen, beinahe wäre ihr das Handy aus der Hand gerutscht, wäre ich Jack Nicolson in „Shining“ („Juuudy...“) sie hätte nicht entsetzter schauen können. Hurra, hurra, die Frankfurter sind da. „So schlimm sind wir doch
gar nicht“, sage ich. Ach du Schreck, Apage – ein Frankfurter, aber sie bewahrt dann doch
die Contenance. „Nein, Sie natürlich nicht – aber die, na, die also, die
richtigen Fans...“ „Ich bin schon auch richtig...“ „Ja, sicher, aber...“ Ich: „Keine Panik, wir sind nicht so schlimm
wie unser Ruf. Also - zumindest nicht ganz...“ Sie lacht ein wenig verquält.
Mini-Flashbackende
Wohnungssturm? Bratenraub vom Mittagstisch?
Grässlich-gräuslich laute Gesänge? Wie der Togal-Mann kann ich leider nicht
sagen, was diese Frau konkret befürchtet. Vor zwei Jahren wurden – nein, das
muss nicht sein! Nein, das darf man nicht! –
bei der Einfahrt der Schiffe zwei Feuerwerkskörper gezündet, ich stand
an der Anlegestelle und sah das Entsetzen im Gesicht eines älteren Ehepaares:
„Die wolle unser Städtsche abbrenne...“
Die Stadt (die ich unabhängig von ihren fußballerischen
Vorlieben) sehr mag, steht trotz alledem noch. Was e Glück. Die eigentliche Tragödie (oder war es eine
Farce?) spielte sich damals, beim seitdem letzten Spiel, das die Eintracht in der Coface-Arena absolviert
hat, nicht im Ort, sondern im Stadion selbst ab. Tasmananrückrunde. Es war
eines der schrecklichsten Spiele der jüngeren Vereinsgeschichte. Ein strahlend
schöner Tag. Wir hatten es selbst in der Hand und verloren mit 0:3. Sang und
klanglos. Es war der Abstieg, das, was dann noch im Heimspiel gegen Köln folgte,
war so etwas wie der Chor, nachdem der Vorhang, hinter dem die Trümmer liegen,
schon gefallen war. O weh. O weh. Walle, walle. Epilog. Satyrspiel.
Egal, schnell weg mit diesen Gedanken. Heute geht es nicht
gegen den Abstieg. Wir haben andere Ziele, kommen aufrecht und selbstbewusst, – und wir haben, speziell hier, in dieser
Stadt – noch etwas gut zu machen. „Mainz lebt auf seinen Plätzen“ heißt das
Motto der alljährlichen Sommeraktion in der Mainzer Innenstadt. Auf dem Platz in der
Coface-Arena lebt heute vor allem eine Mannschaft: Die Eintracht. Mit Oka. Mit
Alex. Mit Marc Stendera (der - denkt an mich ,-) - heute sein erstes Tor bei den Profis schießen
wird). Gladbach und Freiburg haben uns gestern – nicht zum ersten Mal in dieser Saison – die Steilvorlagen
geliefert – heute, heute, heute werden wir den Ball verwandeln.
Bleibt nur noch die Frage, wie die Straße heißt, die an der
Coface-Arena vorbeiführt und an der die Stadionbusse halten. Ganz einfach und
logisch: Am Europakreisel.
Schießt uns nach Europa! Auswärtssieg!
Oh je oh je, die arme Mainzer Bevölkerung. Man hätte vielleicht darüber nachdenken sollen, die Stadt zu evakuieren.
AntwortenLöschenAuswärtssieg!
LG Nicole
Nein, so schlimm sind "wir" wirklich nicht. Und auf dem Platz heute schon gar nicht. Leider. :-) Aber unzufrieden bin ich nicht. Jeder Punkt ist wichtig.
AntwortenLöschenTja, wen wählt man, wenn man das Spiel nur auf 90elf gehört hat? Kurz vor Schluss hieß es dort: „Im Tempo einer schwindsüchtigen Weinbergschnecke trabt er zum Ball.“ Gemeint war Freund Djakpa. Wenn das hibbelige Kerlchen das jetzt auch kann, kriegt er halt meine Stimme.
AntwortenLöschenUnd komme mir jetzt keine mit den Augen des Oczipka. Er hat zwei davon. Im Kopp. Vermutlich, damit er besser gucken kann. Jetzt mal von außen auf´s Spielfeld.
Apropos Schnecke; wenn beim Schneckenrennen zwei Vereine noch langsamer sind als wir, muss man sich nicht grämen. Alles ist relativ und das ist absolut okay.
Eine schöne Woche,
Frank
Ich war als echter Meenzer Bub das erste Mal im neuen Stadion.Ach was liebe ich doch mein Waldstadion.
AntwortenLöschenIch fand die Stimmung der 05er Fans mehr als schwach.Hatte meine Mutter doch recht auf dem Bruchweg war es schöner.
Ich saß im Block H.Gleich neben mir der hohe Zaun.Hinter dem Zaun von oben bis unten nur Ordner die einem die Sicht nahmen.Im Sitzen konnte ich nicht mal die Mainzer Bank sehen.Wir haben alle 90 Min. gestanden.Das war der teuerste Stehplatz (28€)den ich je hatte.
Bin so froh das es ruhig geblieben ist.Hatte da vorher echt Bammel.
Gibt es heute kein Spieler der Stunde?
Für mich war gestern Russ sehr stark.Hat mir wirklich gefallen.
Mit dem Punkt bin ich zu frieden.Jetzt müssen wir gegen Düsseldorf und in Bremen was reißen.Sind für mich im Kampf um Europa die wichtigten Spiele in der Rückrunde.
Lieber guter Fußballgott lass mich alter Mann doch noch einmal Europapokal genießen.Bitte Bitte.
Habe auch DJ gewählt weil ich ihm so ein konstante Leistung nach der langen Pause gar nicht mehr zugetraut habe, dem Brother Lightfoot.Mit dem Punkt bin ich aber nur halbwegs zufrieden, dass war mir etwas zuviel defensiv, da aber Mainz auch nix groß wollte geht das dann halt so aus.
AntwortenLöschenDie Chance lebt trotzdem weiter.
Schöne Woche!
So, mal eine kurze Runde durch Meenz gedreht, alles steht noch, und die AZ kann morgen ihren zweibeinigen Trenchcoats vermelden, dass sie gefahrlos die Rollläden wieder hochziehen können. Die Eintrachthorden sind abgezogen und haben sogar Anstands halber zwei Punkte zurück gelassen.
AntwortenLöschenTore, wir brauchen Tore - ob mit, ohne oder Doppelsturm. Dann halt beim nächsten Mal.
Tatsächlich überrascht hat mich, wie so viele Miteintrachtler, auch unser DJ, der seinem Vornamen endlich gerecht wird. Ich gönn ihm seine gelungenen Auftritte und finds fabelhaft, dass er offensichtlich nicht aufgegeben hat, sondern richtig gut gearbeitet hat in all den einsatzlosen Monaten. Chapeau!
Und nächste Saison kümmer ich mich rechtzeitig um eine Eintrittsberechtigung für das Event Mainz bebt :-)
LG, die Sarroise
@Nicole: Is ja grad noch mal gut gegangen ,-)
AntwortenLöschen@ Kid: Im Stadion war das Spiel anscheinend noch ein bisschen weniger ansehnlich als im Fernsehen. Aber unterm Strich steht der Punkt. Und der ist wichtig.
@Herrje: „Im Tempo einer schwindsüchtigen Weinbergschnecke trabt er zum Ball.“ Ohhh, wie schön. Da hat den Reporter die poetische Muße aber sehr heftig geküsst. Ja (huhu Schötzi, huhu Sarroise), der fast nahtlose Wiedereinstieg von Djakpa ist schon erstaunlich. Er knüpft da wieder an, wo er in seinen ersten Spielen bei uns angefangen hat, bevor die Leistungskurve dann allmählich nach unten zeigte. Er kann das und ist in der Defensivarbeit – ich schrub das, glaub ich, irgendwo schon einmal – derzeit konsequenter und beweglicher als Oczipka, schon deshalb, weil er sich auch „traut“ die Bälle zur Not auch einfach mal wegzuhauen. Trotzdem glaube ich, dass gegen Düsseldorf wieder der Bastian mit den schönen Augen auflaufen wird, um die Außenbahn und den Druck nach vorne zu stärken. Von unserem Platz hinter dem Tor war in der ersten Halbzeit erschreckend gut zu sehen, wie viel Platz da auf der linken Seite war – wenn Djakpa mit aufgerückt ist, dann hat – statt den Raum zu nutzen - viel zu früh nach Innen gezogen und das Gedränge, das dort ohnehin herrschte, noch weiter verstärkt. Ich glaube, während des gesamten Spiels gab es keinen einzigen langen Ball zum Seitenwechsel.
@Happy Adler: Aaach – das wusste ich ja gar nicht, dass das deine Coface-Premiere war. Ja, von der hochgelobten Stimmung war nicht so richtig was zu spüren und zu hören. Die Choreo ganz nett, aber der Herr Hafner konnte sich mühen so viel er wollte, um die Tribünen zum Anfeuern zu motivieren, außer Klatschpappen kam nicht viel. Auch der Supportblock wirkte auf mich (wir waren ja direkt gegenüber) nicht besonders engagiert – bis auf die in der Mitte hüpfende Minderheit ,-)
Doch, doch. Der Fußballgott und die Eintracht werden es richten. Wir packen Europa – für dich und für uns alle, die es wir es uns so sehr wünschen. **singan** Ob mit Bus oder Bahn oder Fahrrad…
@Schötzi: So ganz under us preacher daughters – eigentlich, also eigentlich, müssen wir so ein Spiel gegen diesen eher schwachen Gegner gewinnen und ich denke, wenn "us Armin" früher umgestellt hätte, hätten wir es auch geschafft. So mussten wir am Ende – als die Mainzer dann mehr wollten als wir – froh über den Punkt sein. Und das bin ich am Ende dann halt auch.
@Sarroise: Oh ja – nächstes Jahr musst du in Mainz mit dabei sein. Das ist wirklich aus mehrfacher Sicht ein Erlebnis – eine Art Inszenierung. Ich hab das dieses Jahr das erste Mal konsequent aus der Auswärtsperspektive mitbekommen – das war so witzig und souverän wie wir, also wir Eintrachtler, mit diesem Belagerungsszenario umgegangen sind. Ironisch, schräg, selbstbewusst . Friedlich und trotzdem ganz die wilde, bunte, grölende, chaotische Horde, die wir nun mal sind ,-)) Das war so ein wunderbarer Kontrast zu diesem surrealen Polizeiaufgebot - und zu der Benjamin-Blümchen-Inszenierung im Stadion.
Danke euch sehr für eure Anmerkungen. Die „offizielle“ Wahl zum Spieler der Stunde wird leider auch dieses Mal wieder dem blöden Googletool zum Opfer fallen – aber aus den Zwischenständen der Abstimmungsergebnisse und dem Meinungsbild wird sich ein würdiger SdS ableiten lassen.
Einträchtliche Grüße in alle Richtungen, K.